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Preview April

Nach dem mageren Februar wurde ein fetter März prophezeit, fiel in den Besucherzahlen doch schlanker aus als gedacht. Nun aber kommt der April, richtig rund und saftig, sodass er kaum noch gehen kann und nur so über uns rüber rollt. Mit Comedy und mit Horror, mit Arthouse und mit Animation. Und Nicolas Cage.

Wir steigen erstmal mit dem ein, mit dem wir den letzten Monat beendet haben: Französisches Festivalkino. Und zwar mit richtigen JFK-Shooting-Stars! Denn »Wo in Paris die Sonne aufgeht« ist der neue Film von Jacques Audiard (»The Sisters Brothers«), Drehbuch von Céline Sciamma (»Porträt einer jungen Frau in Flammen«, »Petite Maman«) und in der Hauptrolle Noémie Merlant (»Porträt einer jungen Frau in Flammen«). Diese Drei gestalten einen energetischen Schwarz-Weiß-Trip durch Paris, der sich episodisch durch das Studien-Sex-Nebenjob-Leben junger Franzosen hangelt. Erfrischend, unpräteniös, pulsierend vom orientierungslosen Realismus des Lebens. Bester Soundtrack in Cannes, Bester Film beim Filmfest Hamburg.

Auch auf dem Filmfest Hamburg konnte unser Hanse-Korrespondent Lua schon im vergangenen Jahr »Red Rocket« sichten können und war begeistert. Sean Baker (»The Florida Project«) taucht zum vierten Mal in die Welt der Erotikdarsteller, Stripper und Prostituierten ein, diesmal mit Ex-Pornostar Mikey Saber, fulminant gespielt von Simon Rex. In superkörnigen 16mm Bildern entfaltet sich ein buntes, abgerocktes Texas, in dem der ausrangierte Erwachsenenfilmstern strandet, um wieder mit seiner dyfunktionalen Familie anzuknüpfen. Nur wird der emotionale Spannungsabbau herausgefordert, als Mikey Strawberry kennenlernt, die Pornostar werden will. Eine schillernd-lebendige US-Indie-Perle, die ähnlich wie PTAs jüngstes Meisterstück »Licorice Pizza« durch seine Beziehung zwischen einer Minderjährigen und einem Mittvierziger sicher auf Instant-Cancel-Nölen treffen wird, aber von Käptn Lua gibt es eine dicke Empfehlung.

Kinder in Gefahr gibt es noch massiver in »The Innocents«. Ein skandinavischer Überraschungshit der letztjährigen Festivals, über den man, wie es heißt, möglich wenig wissen sollte. Vier Kinder spielen im Sommer und, naja, dann passieren Dinge. Der Drama-Mytery-Horror-Mix soll ziemlich an die Substanz gehen, aber auch mit sehr genauem Blick in die unbequeme, fragile und doch raue Welt der Kinder eintaucht. Selber Drehbuchautor wie »Thelma«.

Es endet nicht mit den Gören, wir ziehen aber vom kühlen Norden Norwegens runter in den sandigen Tschad. Mahamat-Saleh Haroun, einer der bedeutendsten Filmemacher Afrikas, hat es mit »Lingui« dankenswerterweise in die deutschen Kinos geschafft und es ist nach »Das Ereignis« gleich das nächste Abtreibungsdrama, auf das wir uns freuen dürfen. Denn die alleinerziehende Mutter ist mit ihrer vergewaltigten und nun schwangeren 15-jährigen Tochter konfrontiert in einer streng islamischen Gesellschaft, wo Abtreibungen für Frauen mehr als nur ein Tabu-Thema sind. Haroun hat ein Händchen für harten, aber sehr empfindsamen Realismus, was die internationale Kritik in Cannes (aber auch Hamburg!) auch hier wieder überzeugen konnte.

Bevor wir nun richtig auf die Kacke hauen noch ein weiterer kleiner Film, dessen Trailer bei der Sichtung von »C’mon C’mon« entdeckt wurde: »Die wundersame Welt des Louis Wain« erzählt die Geschichte des titelgebenden Katzenmalers im London des ausgehenden 19. Jahrhundert, verkörpert von Benedict Cumberbatch. Mit dabei sind unter anderem auch noch Claire Foy (»First Man«), Andrea Riseborough (»Possessor«) und Toby Jones (»First Cow«). Wohl ein erzählerisch eher konventionelles Künstlerporträt mit irritierenden CGI-Kätzchen, aber der buchstäblich malerische Look des Filmes konnte schon beim Trailer sofort in hypnotisierte Ekstase versetzen. Nimmt man mal mit. Oder auch nicht.

Wo ich auch erst dachte “Oder auch nicht” war bei »Massive Talent«, doch konnte dieser neue Film von Nicolas Cage die höchste Rotten-Tomatoes-Bewertung seiner ganzen Karriere erreichen: 100%. Dazu musste er aber auch zu seiner bisher aberwitzigsten Figur greifen: Nicolas Cage. Ja, er spielt sich selbst, wie er jetzt eigentlich auf einen Karriereneustart durch eine Rolle bei Tarantino hofft, doch die zerüttete Familie plus die Schulden bedrücken den ausgebleichten Star schwer. Immerhin Letzteres scheint jetzt aber etwas Erleichterung zu erfahren, als ihn ein Milliadär für einen sauber entlohnten Partyauftritt anwerben will. Doch die Sache verläuft anders als gedacht. Eine haarsträubende Meta-Reflexion vom üblichen Cage-Nonsens, der vermutlich wohl gerade durch seine bittere Selbstironie gepaart mit dem gewohnten Wahnsinn richtig Spaß machen dürfte. [Korrektur: Der Film wurde überraschend auf Ende Juni des Jahres verschoben.]

Gewohnt sind wir Wahnsinn auch bei Robert Eggers (»The VVitch«, »Der Leuchtturm«), doch diesmal scheint er völlig am Rad zu drehen. Er hat die Leuchtturminsel verlassen und ballert jetzt mit »The Northman« ein Wikinger-Rache-Epos irgendwo zwischen blutrünstiger Härte und phantasmagorischem Mythologie-Mash-Up, ergo ein ganz dickes Ding raus. Wenn im Trailer jemand einen Speer fängt und zurückwirft, bekomme ich schon ein wenig Angst, dass das alles etwas zu drübber werden könnte. Drehbuch wurde von Eggers selbst und dem »Lamb«-Autor verfasst, was auch gemischte Erwartungen bei mir weckt. Aber die gewaltigen Bilder und der Cast, sowie den Kredit, den Eggers mit »Der Leuchtturm« bei mir erworben hat, zwingen mich unweigerlich rein. Und wenn Eggers, eine der vermutlich vielversprechndsten Newcomer des Gegenwartskinos, ruft, dann kommen sie alle. Alexander Skarsgård, Anya Taylor-Joy, Ethan Hawke, Nicole Kidman, Claes Bang, Willem Dafoe und Björk (!!!).

Aber was fürchten die TikTok-MCU-Fans das Wort “zu viel”? Ohne wild blinkende Multiversen, deren Crossreferenzen sich mindestens durch 3 Zeitebenen ziehen, während der Algorithmus einen die CGI-Flutwelle ins Gesicht kotzt, löst man ja gar kein Ticket mehr. Dafür kommt übernächsten Monat ja auch der neue »Dr. Strange«. Aber es gibt auch eine multiversetastische Alternative. Nach »Swiss Army Man« kommen die Daniels nun mit einem weiteren A24-Experiment zurück, zusammen mit Michelle Yeoh (»Tiger & Dragon«), die beim Weg zur Steuersachbearbeiterin plötzlich durch die Dimensions-Drehtür stolpert. »Everything Everywhere All at Once« ist irgendwo zwischen Persiflage, Hommage, Liebeserklärung und Steroidversion vom Multiversehype, vollgestopft mit Style, Martial-Arts-Action, Slapstick-Humor, Planetencrashs und dreißigtrilliarden Identitäten. Und Wackelaugen. VIELEN Wackelaugen.

Nachdem wir jetzt im Kickdown waren, schalten wir mal ein paar Gänge zurück, obwohl wir ins Land der unbegrenzten Geschwindigkeiten einkehren: Deutschland. Dort, genauer in Bremen (fucking Bremen), ereignete sich nämlich in den jungen 2000ern etwas überaus Bemerkenswertes. Eigentlich ist die türkischstämmige Hausfrau Rabiye Kurnaz schon verzweifelt genug, weil ihr Sohn Murat überhaupt verhaftet wurde. Doch sitzt er nicht in der JVA Plötzensee ein, sondern, wie ihr der Anwalt erklärt, in Guantanamo, weil man Murat einer Beteilgung an 9/11 bezichtigt. Und ehe sie es sich versieht, klagt Rabiye Kurnaz mehr oder weniger aus Versehen gegen George W. Bush. Der von mir sehr geschätzte Andreas Dresen konnte für seine Adaption dieser wahren Geschichte auf der Berlinale für das Beste Drehbuch ausgezeichnet werden, ebenso Meltem Kaptan für die Beste Darstellerin. Nach dem JFK-Erfolg »Curveball« sollte »Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush« schon doch für den einen oder anderen ein reizvoller Titel sein.

Ebenfalls deutschsprachig aber etwas alpiger wird es in »Luzifer«, einem kleinen Horror-Psychodrama aus den Bergen. Schauspielerisch stark wurde der Genremix mit religiösen Wahn, Fantasyambitionen und Slowburn-Chills zum kleinen Festivalhit. Gerade der mehrfach für die Goldene Schnecke nominierte Franz Rogowski soll wie gewohnt mit voller Kraft brillieren.

Und was kommt zum Ende? Genau: Tod und Demenz. Skandalregisseur Gaspar Noé (»Climax«) ist zurück mit einem unerwartet ruhigen und intimen Film. In »Vortex« geht es um ein altes Ehepaar in einem engen, verwinkelten Pariser Apartment, deren Alltag sich zunehmend durch eine Alzheimererkrankung zwischen den Kinoplakaten des Filmjournalisten Ehemanns und finsteren Albträumen verläuft. Also mal wieder richtig gute Laune, wie immer bei Noé. Nach »The Father« als Lieblingsfilm des Klubs im letzten Jahr wohl doch absolute Pflicht.

Das war es mit dem Kino, aber das war es noch nicht mit den massigen Muskel-Monat. Wir schwenken rüber zum Streaming. Auf Netflix bekommen wir nämlich Judd Apatows neue Komödie »The Bubble«, mit der er diesmal, natürlich stargespickt, die Blockbuster-Filmproduktion, zumal unter Coronabedingungen, durchleuchtet. »The King of Staten Island« zeigte zuletzt erneut, dass der Mann clevere Comedy in Überlänge kann, schön schräge Charaktere zu erfinden weiß und plumpe Albernheit mühelos umsegelt. Nicht der übliche Netflix-Rotz, trotz grünem Schleim.

Auch nicht das Übliche für seinen Streamingdienst ist der auf Disney Plus startende »Fresh«. Auch hier gilt wohl, weniger zu wissen ist mehr. Wohl ein ziemlich wilder Genremix von Romcom bis Psychohorror in der Welt des Datings, bei dem nach 30 Minuten erst der Filmtitel eingeblendet wird. Konnte als kreativer Geheimtipp einen kleinen Hype in den vergangegen Wochenen auflösen, nachdem er in Übersee auf Hulu startete. Schön blutiges Steak zum Sofa-Snack.

Nicht so blutig wird wohl »Apollo 10 ½«, der neue Animationsfilm von Richard Linklater (»Boyhood«). Erneut real gedreht und dann mit Linklaters eigener Technik übermalt, ergibt sich ein sehr eigener visueller Stil. Nicht ganz unpassend für diese skurille Geschichte über ein Kind, dass während des Apollo-Programms von der NASA für eine Weltraummission rekrutiert wird. Sowohl bei Publikum als auch Kritikern sehr beliebt, kommt er gleich zum Monatsbeginn auf Netflix.

Ich hoffe, dass dieses Monatsprogramm etwas mehr begeistern kann als das letzte. Ein bunter Mix auf allen Tempo- und Lautstärkestufen. Eine optimale Gelegenheit, um fleißig Stempel zu sammeln.

Herzlichst

Ihr JFK-Präsident

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Preview März

Nachdem der Februar nun allzu leer war, wurde in der vorherigen Preview ein picke-packe-voller März versprochen. Und was für eine Füllung! Hohoho! Nein, kein Weihnachtsmann, dennoch ist es fast wie Weihnachten. Und zu 99% garantiert sogar ohne einen überkandidelt-voreingenommenen Pädophilie-Vorwurf zu riskieren! Vielleicht sogar mit genügend Kraft, um die lokale, emotionale und ideelle Spaltung wieder zusammenzudrücken, kleben und versöhnen. Wenn nicht, gibt’s ‘nen Pferdekopf ins Bett, ihr Lausbuben*innen [sic]!

Apropos Pferdekopf: Wie schon angeteased, kommt »Der Pate« zum 50. Jubiläum samt Fortsetzung nochmal auf die Leinwände der bundesweiten Lichtspielhäuser. Francis Ford Coppolas monumentales Mafiaepos, immer wieder als der beste Film aller Zeiten bezeichnet, jetzt nochmal in sagenhaftem 4K. Es haben bereits Gruppen für dieses Savoy-Premium-Event geformt, doch auch an dieser Stelle sei noch einmal Werbung gemacht werden für diese einzigartige Gelegenheit, die man nicht abnehmen sollte. Und kann (*schleift Pferdeköpfmesser*).

Das ist aber nicht die einzige Wiederaufführung diesen Monat: »Trouble Every Day« von Claire Denis (»High Life«) erhält ebenfalls eine Ehrenrunde. Zwar ist der Vampirstreifen nicht ganz vom selben Legendenstatus wie die Gangsterreihe, aber auch er gilt als als absoluter Kultfilm. Drogen, Sex und literweise Blut strömen hier in einem Horror-Liebes-Strudel mitten in Paris zusammen, der einen einsaugt, durch den Fleischwolf dreht und wieder ausspeit. Existentialismus, Erotik und Experimentierfreude, also alles was man für einen französischen Independentstreich braucht. Und Vampire.

Wo wir gerade bei Fledermausmenschen sind: »The Batman« ist endlich da! Mit Matt Reeves steht ein fähiger Handwerker hinter der Kamera und davor ist sowieso alles, wovon man nur träumen könnte. Zoë Kravitz (»Kimi«), Paul Dano (»12 Years a Slave«, »Swiss Army Man«), Colin Farrell (»The Killing of a Sacred Deer«, »The Gentlemen«), Andy Serkis (»Der Herr der Ringe«), John Turturro (»The Big Lebowski«) und unser aller Liebling Robert Pattinson (»Der Leuchtturm«, »Tenet«) als der titelgebende dunkle Ritter. Schön düster und rau wirkt der monumentale Action-Noir mit seiner Schwärze und Brutalität, die sich jetzt schon aus den wenigen Trailerbildern schält. Natürlich ist das das Gegenteil vom hirntoten Fanservicegeballer mit knallbuntem Multiversegekicher, wie man es vom Superheldenkino gewohnt ist. Aber was könnte ein größerer Pluspunkt sein?

Alleine beim jetzigen Programm müssten schon so viele Karten gekauft sein, da kommt man kaum noch hinterher. Doch zum Glück haben wir ja »The Card Counter« mit dabei. »Taxi Driver«-Autor Paul Schrader ist mal wieder mit dem gleichen Film über einsame Männer mit einer düsteren Sinnkrise zurück, aber wie auch zuletzt etwa in »First Reformed« in Hochform. Hier schickt er Oscar Isaac (»Dune«, »Star Wars«) als lässigen Pokerspieler durch die Hölle zum immer nächsten Jackpot, mit dabei als Antagonist ist dazu Willem Dafoe (»Der Leuchtturm«, »Wild at Heart«). Eine Antiheldenstudie im Thrillerformat à la Martin Scorsese, der für seinen alten Freund hier auch produzierte.

Ebenfalls wird das Werk konsequent weitergeführt bei »Aheds Knie«. Israeli Nadav Lapid kehrt nach »Synonymes« in seine Heimat zurück und fühlt dem Zahn bis auf die tief entzündete Wurzel. Ein extrem persönlicher, selbstreflexiver, wütender, experimenteller, kraftvoller und schmerzhafter Film über Politik, Kultur und Kino. Bereits letztes Jahr konnte unser Korrespondent diesen absolut furiosen Film bei der Deutschlandpremiere im Rahmen des Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg sehen. Worum es genau bei diesem eskalierenden Trip eines Regisseurs in die Pampa geht, erfahrt ihr hier. Um es kurz zu machen: eindeutige Empfehlung, wenn man sich auch nur ein bisschen für Israel oder Filme interessiert, ja schlicht einfach mal etwas anderes sehen will.

»Synonymes« konnte ja durch eine prägnante Nacktszene nachhaltig irriteren, »Porträt einer jungen Frau in Flammen« indessen begeistern. Regisseurin Céline Sciamma ist nun mit ihrem neuen Film zurück, der zwar nicht denselben Hype auslösen konnte, bei den Kritikern aber fast noch einhelliger bejubelt wurde. In »Petite Maman« geht es schlicht um Kinder. Über Freundschaft, über Familie und über das Bauen von Stöckerhäuser im Wald. Ein wunderschönes kleines Märchen voller filigraner Magie. Und das in nur 72 Minuten.

Ebenfalls ein Kind steht bei »C’mon, C’mon« im Fokus, doch da gibt es als Gegenüber noch Joaquin Phoenix (»Joker«, »The Master«) dazu. In pittoreskem Schwarz-Weiß erzählt diese A24-Produktion eine zärtlich-melancholische Eltern-Kind-Geschichte, die den Film weltweit zum großen Publikumsliebling wurde. Regisseur Mike Mills hat ein sehr feines Händchen für nuancierte Charakterproträts und viel Empathie bei zwischenmenschlichen Beziehungen. Das könnte sehr schön werden, nicht nur wegen der Bilder, die schlicht für die große Leinwand gemacht sind.

Ebenfalls mit einem umwerfenden Schwarz-Weiß-Film konnte der Finne Juho Kuosmanen vor ein paar Jahren begeistern. An dieser Stelle sei sein großartiges Boxerdrama »Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki« ausdrücklich empfohlen. Nun geht es aber um noch etwas viel Härteres als Boxen: Zugfahren. In »Abteil Nr. 6« lernen sich zwei Menschen, eine Finnin und eine Russin, auf der Fahrt gen Polarkreis kennen. Was bleibt dem ungleichen Paar auch übrig, die Fahrt ist lang. Mich locken alleine schon die Referenzpunkte »Lost In Translation«, »In The Mood For Love«, and »Before Sunrise«. Eine kleine entromantisierte Romanze in tragikomischer Absurdität und das alles in einem Zug. Mehrfach in Cannes ausgezeichnet.

Auch in Cannes ausgezeichnet wurde »A Hero«, der neue Film vom iranischen Dramameister Asghar Farhadi (»Nader und Simin – Eine Trennung«, »The Salesman«). Es geht um ein für Baumannconsulting sehr empfindliches Thema, nämlich Schulden und finanzielle Abwärtsspiralen. Wegen derartigem ist Rahim im Gefängnis gelandet, versucht nun jedoch bei einem zweitägigem Ausgang, seine von Unrecht geplagte Angelegenheit zurechtzurücken. Doch natürlich klappt das nicht alles wie geplant. Ergo das vom JFK geliebte iranische Moraldrama par excellence; intensiv, bitter und wie gewohnt bei Farhadi mit einem brillant konstruiertem Drehbuch. Immer wieder als sein bestes Film seit dem Jahrzehntserfolg »Nader und Simin« bezeichnet.

Noch erfolgreicher bei den Festivals war vergangenes Jahr aber ein französischer Film, nämlich der Goldene Löwen Gewinner »Das Ereignis«. Yaj, endlich mal wieder ein Abtreibungsdrama! Nach dem gleichnamigen Roman von Annie Ernaux, einer der bedeutendsten fanzösischen, feministisch-autobiographischen Schriftstellerinnen der Gegenwart, wird hier die Geschichte eines Sommers in den 60ern erzählt. Und von einen komplizierten, schmerzvollen Schwangerschaftsabbruch einer jungen Frau. Kino, das unmittelbar an die Nieren geht, schonungslos sein Sujet bebildert und so eine Kraft entfaltet, die alle Grenzen der Leinwand sprengt. Möglicherweise das Highlight diesen Monat. Kann der Film in die Fußstapfen von »Niemals Selten Manchmal Immer« treten, einen der höchsten Genusspunktesammler mit einer glatten 9?

Einen MUBI-Releases gibt es abschließend noch für unsere Online-Event-Freunde: »Liborio«, ein Historiendrama aus der dominikanischen Republik über die eigene Kolonialvergangenheit. Sieht gar nicht uninteressant aus, zumal man aus der Ecke des Globus ja nicht alle Tage was zu sehen bekommt.

Ist das was? Habe ich zu viel versprochen? Mini-Perlen mit Mini-Leuten, Super-Blockbuster mit Superhelden. Dazwischen Blut, Schweiß und Tränen. Egal ob ihr aus der Klausurenphase, aus fernen Städten oder einfach vom Zigarettenholen zurückkommt, euch erwartet ein absoluter Premium-Monat inklusive Weltreiseticket. Aber nicht zu hastig zur Sache huschen, sonst gibt es wieder einen Sturm. Zumindest der Zugfilm wäre dann, wie wir es gerade erst wieder zu spüren bekamen, auf jeden Fall in ernster Gefahr.

Auf einen cinematorischen Comebackmonat

Euer JFK-Präsident

i.A. Baumannconsulting CEO

Skaten ist cool wie Consulting. Oder Kidz?
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Preview Februar

Der Januar war nicht prall, auch nicht nur top, aber doch schon spannend und auf jeden Fall die Kinolust für das kommende Jahr anheizend. Und nun kann sich diese Lust endlich am prallen Februar stillen, der satt und saftig vollgesaugt ist von der Awardseason, Festivalnachzüglern und Corona-Verschobenen. Oder? Ähm, nee, leider nein. Das wäre der März, da die Verleiher sicherheitshalber ihre Schäfchen in die Sicherheit des ausladenden Futurs geführt haben. Und die Zahlen beschwören ja möglicherweise eine weitere Eiszeit für die Lichtspielhäuser. Aber guter Dinge begeben wir uns dennoch an das etwas leergefressene Restebüffet, wo vielleicht noch die ein oder andere Gitterpommes zwischen den labbrigen Standardfritten wartet.

Bevor wir zu den Filmen kommen eine kurze Bitt-Notiz vom BauCons-Schatzmeister: Um die besten Plätze zu gewährleisten, sichert Baumannconsulting stets rechtzeitig Kinokarten und bietet bekanntermaßen mannigfaltige Bezahlmöglichkeiten an. Dieser Service soll keineswegs beschnitten werden und es gab auch keine Eklats, dennoch wird vom hauseigenen Schatzamt daran gebeten, die eigene Karte entweder im Vorhinein oder beim Event zu bezahlen, nicht im Nachhinein. Dies soll nicht zur Skepsis oder Vorhaltung dienen, sondern schlicht zur Vereinfachung der Organisation, da man sonst schnell auf beiden Seiten den Überblick verliert. Zumal ob der mitunter großen Gruppengrößen und der diversen Zahlungsvarianten. Die meisten Kunden halten sich sowieso daran, doch die nachdrückliche Bitte erschien uns wichtig. Baumannconsulting dankt für Ihr Verständnis. Und Ihr Geld.

Gut dem Dinge, nun zu den Filmen. Zu den zwei. Und dem Bonus.

Nummeru Uno ist aus einer der JFK-Lieblingskategorien, nämlich ein iranisches Moraldrama. »Ballade von der weissen Kuh« kam auf der Berlinale sehr gut an und die Prämisse ist schon wieder ein ziemliches Brett. Denn Mina wird mitgeteilt, dass man festgestellt hat, dass man ihren Mann doch zu Unrecht hingerichtet hat. Justizirrtum, kann passieren. Die kleine Entschädigungssumme kann den Schmerz der Witwe und nun alleinerziehenden Mutter nicht wirklich lindern, weswegen sie nun Rechenschaft vom verantwortlichen Richter fordert. Aber der Justiz- und Staatapparat lässt sich erwartungsgemäß nicht gerade offen darauf ein. Bekanntes Kinogebiet für uns, nehmen wir gerne mit.

Etwas unbekannteres Terrain betritt ein Film, den hier bereits mal 2020 vorgestellt wurde, aber verschoben werden musste. Jetzt kommt »Was geschah mit Bus 670?« aber endlich auf unsere Leinwände. In dem mexikanischen Mysterydrama geht es um einen Bus mit Migranten, der plötzlich spurlos verschwindet. Bis Monate später die Leiche eines jungen Passagiers auftaucht. Der Film taucht nun zusammen mit der Mutter eines ebenfalls verschwundenen Freund des Toten in die berüchtigte Todeszone in Nordmexiko ein, wo immer wieder Busse verschwinden. In Sundance wurde der Film mit einem Drehbuch- und Publikumspreis ausgezeichnet sowie mit so ziemlich jedem Premio Ariel, dem wichtigsten mexikanischen Filmpreis, ganzen neun Stück sogar. Auch sonst war die internationale Kritik überaus angetan. Zum Glück hat sich der Film hierzulande nicht in Luft aufgelöst.

Das waren auch schon die Neustarts. Ja, beide sehr klein, bisschen nischig, vielleicht nicht für jeden was. Und auch nicht für jeden dürfte die große Wiederaufführung gleich am 1. Februar sein: David Lynchs »Mulholland Drive« bekommt einen Re-Release in den deutschen Kinos. Leider wohl nicht in Lüneburg, aber gleich schon in mehreren Hamburger Kinos sowie anderen deutschen Städten. Ich möchte gar nicht viel dazu sagen, aber einige wissen glaube ich, dass es mein absoluter Lieblingsfilm ist, manche haben ihn ja sogar schon gesehen. Nun gibt es noch einmal die Gelegenheit ihn auf der großen Leinwand zu sehen. Kleiner Service-Tipp. Meine Kinokarte ist selbstverständlich schon gekauft.

Trailer zu »Mulholland Drive«

Zum Schluss noch etwas zum Streaming: Nachdem er vor Kurzem die Goldene Schnecke für den Besten Dokumentarfilm gewinne konnte, hat MUBI sich entschieden am 11. Februar Andrea Arnolds (»Fish Tank«, »Wuthering Heights«) neuesten Film »Cow« rauszubringen. Trotz Kuhstall ist ein absoluter No-Bullshit-Film (sorry für den Kalauer) und zeigt einfach nur den Alltag einer britischen Milchkuh. Kein industrieller Mastbetrieb, sondern ein stinknormaler Familienhof. Die Kühe werden gemolken, grasen und gucken verträumt zu den Sternen. Das mag jetzt für manche unfassbar langweilig klingen, aber irgendwie entfaltet sich da ein ganz eigenartiger Zauber. Letztes Jahr auf dem Filmfest Hamburg war ich jedenfalls ziemlich berührt.

Das war es auch schon für den Monat. Wie gesagt, viel ist nicht los, aber das Wenige ist wenig risikoreich bis hoch interessant oder von mir heilig gesprochen. Und wer bei »First Cow« noch nicht genügend Kuh hatte, der bekommt jetzt eine vollere Ladung als im Steakhouse. Also, auf einen feinen kleinen Muh-nat (ich hör ja schon auf). Immerhin bleibt so mehr Zeit für das BaumannSPA!

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Preview Januar

2021. Der JFK erweiterte sich, lud haufenweise Gäste ein, bekam einen eigenen Letterboxd-Account, Werbespots und Sticker. Gleichwohl hat sich die Struktur zerschlagen, in alle Ortschaften und Bundesländer zerstreut. Nach allen versuchen des Bildungsbeauftragten sind Disneyprodukte dennoch hochfrequentiert und höchstbewertet. Meisterwerke werden mit leeren Blicken abgewunken, brandneue Firmen-Werbespots lassen nicht einmal mehr letzte Nervenenden zucken. Ist die Klimax überschritten? Kommen jetzt die unangenehmen letzten Staffeln? Wird der JFK zu »How I Met Your GTA-Steffi«? Es nähert sich ein Schnitter, der heißt Tod, doch 2022 hat eine Waffe zur Verteidigung in der Hand bereit gezückt: ein Januar, der überragender kaum sein könnte.

Und es fängt direkt schon mit einem vielerwarteten Highlight an: »Lamb« wird gleich zu Monatsbeginn im Scala blöken. Die isländische A24-Produktion (das Studio hinter »Midsommar«, »The Green Knight«, »Der Leuchtturm«) konnte auf allerlei Festivals für Aufregung sorgen mit seiner skurrilen Mystery-Horror-Familiendrama Mischung rund um Mutterschaf(t) in den endlosen nordischen Weiten. Eine exzentrische Entdeckung, die sicher für allerlei Gesprächsstoff und mögliche Insider für die Zukunft sorgen könnte.

Ebenfalls schräg, aber mediterraner wird es in »Bad Tales«. Zwar wird es hier wohl nicht so übernatürlich, aber manchmal reicht ja schon der Irrsinn der Realität. Dieser scheint in einer Vorotsiedlung Roms langsam überzukochen, wodurch die friedliche Familienglückfassade der Kleinbürger endgültig zu zerbrechen droht. Eine düster-absurde, tief in Fleisch schneidende Ensemblesatire aus Italien. Die regieführenden Brüder konnten mit ihrem ausgefallenen Drehbuch damals auf der Berlinale einen Silbernen Bären gewinnen.

Aus irgendeinem Grund hat es bei »Benedetta« null gefunkt, aber Baumannconsulting fährt nochmal die ultimative Marketing-Waffe auf: SEX. Aber etwas komplizierter. Nein, nicht mit Autos. »Pleasure« befasst sich nämlich mit der Pornobranche. Eine junge Schwedin möchte nämlich in dieser Industrie ein großer Star werden. Doch obwohl dort viel geschleckt wird, ist es eben nicht nur Zucker und die Welt zwischen Bett und Kamera offenbart sich als nicht nur rosig. Das clevere röntgent einmal die moderne Porno-Industrie, also ein Thema, wie es kaum lebensnäher für die meisten BauCons-Mitarbeiter und -Aktionäre sein könnte. Und sollte jetzt jemand unter empörten Tränen das Male-Gaze-Argument in den Ring werfen: Mit Ninja Thyberg sitzt eine Frau im Regiestuhl. Was wollt ihr jetzt noch einwenden? Der Titel sagt schon, dass es ein vergnüglicher Genuss wird.

Wo wir gerade schon quasi bei Dirk Diggler waren: Der Regisseur vom JFK-Liebling »Boogie Nights«, dem wir unter anderem auch »Phantom Thread – Der seidene Faden« und »The Master« zu verdanken haben, ist zurück. Paul Thomas Anderson, der wohl bedeutendste Filmemacher der Gegenwart, der Kubrick unserer Zeit, schenkt uns nun »Licorice Pizza«. Der Film ist ausschließlich mit Höchstwertungen besprochen, sowohl bei Kritikern als auch Publikum, und das mit einer kleinen Teenie-Romanze im Kalifornien der 70er. Die Besetzung weiß mit frischen und dennoch schon als Oscarfavoriten geltenden Gesichtern in den Hauptrollen sowie Legenden wie Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper und auch Benny Safdie. Musik dann auch noch von Jonny one and only Greenwood (»The Master«, »Der seidene Faden«, »The Power of the Dog«). Ich will ja niemanden überhypen, aber könnte wohl schon irgendwie ganz okay werden. Das Risiko sollte man zumindest eingehen. Aktuell gibt es jedenfalls für mich persönlich kein Film auf den ich mich mehr freue.

Wobei ich mich selbstverständlich auch wie Bolle auf »Nightmare Alley« freue, machen wir uns doch nichts vor. Oscargewinner Guillermo del Toro (»Shape of Water«, »Pans Labyrinth«) hat sich einen bereits klassisch verfilmten Roman geschnappt und erzählt den finsteren Thriller über Wahnsinn und Varieté nun in aller Breite neu. Visuell bestimmt einer der opulentesten Filme des Jahres. Auch die Besetzung weiß mit Cate Blanchett, Rooney Mara, Toni Collette, Willem Dafoe und Bradley Cooper düster zu glänzen. Letzterer ist hier übrigens genau wie in »Licorice Pizza« für Leonardo DiCaprio eingesprungen. Del Toro ist leider kein ganz risikofreier Name, daher möchte ich nicht zu viel Hype schüren, aber eine Karte für diesen Jahrmarkt möchte ich doch unbedingt lösen. Gott, liebe ich Rooney Mara.

So startet man doch gerne ins neue Jahr, oder? Seltsames und Klassisches, Sommer und Winter, Hollywood und Arthouse. Nicht zu viel, aber dafür gutes Zeug. Denn das K in Zweitausendzweiundzwanzik steht für Kuratieren. Vielleicht war es das URATIEREN in JFK. Jedenfalls hofft Baumannconsulting, hoffe ich, hofft ein nennenswerter Teil der Teslafahrer im Landkreis Lüneburg, dass jedes Tierchen sein oder zumindest ein Pläsierchen findet. Und vielleicht gibt es ja sogar gleich schon Jahreshighlights.

Apropos, eine Erinnerung: Die Nominierungsphase für die Goldenen Luxusburger läuft direkt ab dem 3.1. bis zum 5.1. 12:00 laufen, die Gewinnerwahl dann bis zum 6.1. 18:00, die Verleihung am 7.1. Sehr würden wir uns freuen, wenn auch Sie sich beteiligen, auch wenn Sie nur wenige Filme gesehen haben. Demokratie ist auch für Nutzlose da.

Mit diesen Worten, die uns wohl doch alle in diesen Zeiten nachdenklich stimmen dürften, wünsche ich einen guten Rutsch auf der billigen Plastikwasserplane des Lebens.

Bewegt (Rollen am Stuhl)

Ihr JFK-Präsident

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Preview Dezember

Werte Kunden und Aktionäre,

das Weihnachtsgeschäft rollt uns entgegen. Während wir uns alle selbstverständlich schon seit August mit Lebkuchen und Spekulatius eingedeckt haben, rücken jetzt auch noch ein paar dicke Filmgeschenke unter den Baum. In Amerika werden natürlich schon alle Oscarkandidaten reingequetscht, die bei uns großteilig erst im Frühling des Folgejahres kommen, jedoch dürfen wir uns hierzulande auch schon ein paar krallen. Dazu auch noch ein paar Festivalnachzügler, die den Nachtbus aus Cannes genommen haben. Bevor wir uns nun ans Auspacken machen, noch etwas Organisatorisches:

(1) Wir werden, wie ihr sehen werdet, wieder mit Gruppenlinks arbeiten. Mit dem persönlichen Anmelden gab es schlicht zu viel Chaos, wobei es diese Option natürlich noch immer geben wird für alle, die mit den Links aus irgendwelchen Gründen nicht klarkommen sollten.

(2) Diese Preview kommt diesmal etwas früher, weil gleich zu Monatsbeginn schon Spezialveranstaltungen ins Haus stehen, weshalb eine zeitige Interaktion verlangt ist.

(3) Natürlich stehen auch dieses Jahr wieder die Goldenen Luxusburger an sowie auch die Goldenen Schnecken. Beide Preise werden erstmals nicht im eigentlichen Jahr vergeben, sondern in der ersten Januarwoche danach. Der Grund liegt darin, dass am 31. Dezember nochmal zwei Filme starten, die die Auswertung nochmal radikal umwerfen könnten. Daher beginnt für die Luxusburger die Nominierungsphase am 1. Januar und läuft bis zum einschließlich 3. Januar, die Hauptwahlphase wird dann vom 4. Januar bis zum einschließlich 6. Januar laufen. Die Gewinner werden dann am 7. Januar verkündet. Bei den Schnecken werden die Nominierungen am 1. Januar verkündet, die Gewinner werden im Anschluss zu den Luxusburgern verkündet im fertigen Jahresdossier. Baumannconsulting freut sich auf ihre Teilnahme!

Nun, kommen wir endlich zur Bescherung. Und das erste Präsent wurde unglücklicherweise schon von einer unserer Praktikantinnen verraten (unsere Rechtsabteilung hat uns angeraten, nicht über den Stand des Kündigungsverfahren zu reden). Nichtsdestotrotz:

Nachdem wir gerade erst in »The Last Duel« die gewaltigen Festungsanlagen des Mittelalters bestaunen durften, legt Ridley Scott gleich noch einen nach: Es ist endlich Zeit für »House of Gucci«. Darin wird die skandalträchtige und intrigenreiche Geschichte des legendären Modeclans (bekannt aus dem Lil Pump Track) erzählt. Im Kern Lady Gaga und ihr mörderischer Fake-Akzent, der mindestens nach OmU schreit. Das könnte entweder die lächerlichste Pomp-Party aller Zeiten werden oder wirklich großes Blockbusterspektakel. Der Cast lässt auf Letzteres hoffen: Jeremy Irons, Jared Leto, Salma Hayek, Al Pacino und, erneut bei Scott, Adam Driver. An Aufwand in Kostüm, Maske, Frisuren, Kamera und allem Drum und Dran dürfte es zudem auch nicht Mangeln. Das darf man sich schon mal gönnen, alleine um herauszufinden, was breiter ist: der Gaga-Spaghetti-Saucen-Akzent oder Drivers Brillengläser.

Wo wir aber schon beim besten Darsteller der Gegenwart und Goldenen Schnecken Gewinner 2018 sind: Wir haben auch noch einen ernsten Film in Angebot. Und es ist der erste von drei (DREI!) Film-des-Jahres-Kandidaten diesen Monat. Das französische Avantgarde-Genie Leos Carax ist nach 9 Jahren zurück und konnte sein Musicalprojekt endlich aus der Produktionshölle holen. Endlich kommt »Annette« in die deutschen Kinos. Im von der britischen Kultband entworfenen und musikalisch untermalten Sparks Musical geht es um einen kontroversen Comedian und eine Opernsängerin, ihre problematische Beziehung und ihr außergewöhnliches (das ist nicht nur so dahingesagt) Kind, das auch den Titel stellt. In Cannes konnte der Film schon für viel Aufsehen sorgen, hat Kritiker wie Publikum in alle Himmelsrichtungen gespalten. Man war sich jedoch einig: Einzigartiges Kino, wie man es selten sieht, ja noch nie gesehen hat. Caraxs Vision sei Visionär, der Film noch in 20 Jahren wie neu, Adam Driver absolut wahnsinnig. Außerdem darf Letzterer erstmalig in der Filmgeschichte eine Gesangsnummer während einer Oralsexszene. Da hat man ja wohl schon eine historische Verpflichtung, das auf der großen Leinwand zu sehen.

Apropos Kontroverse in Cannes: Paul Verhoeven (»Elle«, »Total Recall«, »Robocop«, »Starship Troopers«) haben wir ja auch noch auf der Uhr. Diesmal geht er aber nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Nämlich in ein Konvent der italienischen Renaissance, wo der wahre Fall der lesbischen Nonne Benedetta Carlini erkundet wird. Den damaligen Skandal möbelt der Hollywood-Holländer in »Benedetta« natürlich mit ordentlich Skandallust, Sex, Sex und Skandal auf. Hälfte der Kritiker war entnervt, die andere zeigt sich Feuer und Flamme für sein packendes Drama über Voyeurismus, Machtsysteme, Perversion und Rebellion. Ein bisschen neugierig bin ich da ja schon.

Bleiben wir doch gleich in Bella Italia, diesmal aber richtig. Paolo Sorrentino (»Il Divo«, »Die große Schönheit«), der König der düster schillernden Satire, wendet sich diesmal ab von dem leuchtenden Cosmopolitenbetrieb hin zu sich selbst. In seinem autobiographischen »Die Hand Gottes« erzählt er die Geschichte seiner neapolitanischen Jugend während der 80er. Dabei lässt er in seinem gewohnt formvollendeten Style ein Kaleidoskop aus Erinnerung, Nostalgie, Komik, Tragik und ein wenig Maradona auf das Publikum einprasseln. Ob wir ihn auf der Leinwand sehen, ist wohl leider unwahrscheinlich, denn Netflix liefert ihn schon kurz danach ins Wohnzimmer.

Ähnlich dürften die Chancen leider auch bei dem neuen Film eines anderen stylischen Satirikers stehen: Mit »Don’t Look Up« kehrt Adam McKay (»Vice«, »The Big Short«, »Anchorman«) zurück und wartet mit einem Cast auf, bei dem man den Mund gar nicht mehr zu bekommt. Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Jonah Hill, Tyler Perry, Cate Blanchett, Ariana Grande und viele viele mehr. Nicht zu vergessen die nach »Dune« und »The French Dispatch« unverzichtbare Starensemble Packungsbeilage Timothée Chalamet. Sie alle stellen sich einem richtig fetten Stein, der vernichtend auf die Erde zu rast. Das Weiße Haus beuftragt deshalb, damit nicht alle in Panik geraten, zwei Astronomen mit der PR. Moderne Probleme verlangen schließlich moderne Lösungen. Ich könnte mich gar nicht mehr drauf freuen.

Das ist jetzt alles super groß, super teuer und super spektakulär, aber wir haben den JFK ja auch dafür, um auch auf die kleinen Perlen aufmerksam zu machen. Eine davon ist das serbische Drama »Vater«, das glücklicherweise Anfang des Monats ins Scala kommt. Darin werden dem arbeitslosen Tagelöhner Nikola seine Kinder weggenommen. Da er sich nicht anders gegen die Behörden zu helfen weiß, beschließt er persönlich bei Minister vorzusprechen, weswegen er zu Fuß nach Belgrad marschiert. Entfernung: 300 Meilen. Eine ruhige, sehr genaue Studie der osteuropäischen Gesellschaft, sozialer Spaltung und Kälte, kafkaesker Behörden und unerbittlicher Menschlichkeit. Ich durfte den Film bereits sehen und kann ihn nur nachdrücklich empfehlen. Möglicherweise gerade was für die Freunde der vergleichbaren iranischen Moraldramen.

Auch ins Scala kommt, ich kann es kaum fassen, ein ostasiatischer Film. Und zwar kein geringer, nämlich diesjährige Drehbuchgewinner von Cannes »Drive My Car«. Nach einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami (»Burning«) erzählt hier der japanische Newcomer Ryûsuke Hamaguchi einen ziemlich langen Film. Langsam taucht er in den Mysterynebel einer Beziehungsanatomie ab, wo es vielleicht lohnend ist möglichst uninformiert reinzugehen. Durchweg gepriesen als enigmatisches Meisterwerk könnte dies als zweiter Film-des-Jahres-Kandidat auf der Zielgeraden nochmal richtig überraschen.

Punktgenau auf der Zielgeraden liegt »Spencer«. Baumannconsulting und der JFK laden Sie alle hiermit herzlich zur Kino-Sylvesterparty im Scala ein, um zum Jahresende nochmal ein fulminantes Schlusstor zu schießen. Das chilenische Regiegenie Pablo Larraín (»Ema«) kehrt nach »Jackie« mit einem zweiten Porträt einer geschichtsträchtigen Frau zurück, diesmal Lady Diana. Verkörpert wird die Prinzessin der Herzen von Platinum-Schnecken-Preisträgerin Kristen Stewart, die in allen Oscartippspielen ganz vorne an der Spitze steht. Mit im Cast sind auch noch Timothy Spall (»Harry Potter«, »The Party«) oder auch Sally Hawkins (»Shape of Water«, »Happy-Go-Lucky«), aber die besten Namen warten hinter der Kamera. Komponist ist Goldene-Schnecken-Gewinner und Radiohead-Legende Johnny Greenwood (»Der seidene Faden«, »The Master«), an der Kamera sitzt Claire Mathon (»Porträt einer jungen Frau in Flammen«) und die Kostüme sind von der zweifachen Oscargewinnerin Jacqueline Durran (»Little Women«, »1917«). Kritiken und Publikumsreaktionen versuchen sich im Überschlagen vor Begeisterung gegenseitig zu überbieteb. Film des Jahres? Würde mich nicht wundern. Ich bin jedenfalls heiß wie ein brennender Franzose.

Leider wohl nicht ins Kino kommt der am selben Tag erscheinende »The Lost Daughter – Frau im Dunkeln«, dafür frei zum Streamen auf Netflix. Maggie Gyllenhaals Regiedebüt wurde in Venedig prompt für das Beste Drehbuch prämiert und konnte auch sonst allerlei Lorbeeren ernten. Gerade Olivia Colman (»The Favourite«, »The Father«), die hier durch die Begegnung mit einer jungen Mutter (gespielt von Dakota Johson) aus ihrem Urlaub plötzlich wieder in ihre eigene dunkle Vergangenheit gestürzt wird. Großes Schauspielkino im Rahmen des raffinierten kleinen Psychodramas. Außerdem dabei sind noch Jessie Buckley (»I’m Thinking of Ending Things«) und Ed Harris (»The Truman Show«, »Westworld«).

Der Tisch ist also reich gedeckt. Nun ran an den Speck und auspacken. Hoffen wir, dass sich keine bösen Überraschung unter dem Papier befinden. Aber egal was für ein Risiko wartet, we are always by your side. Auch Nachts.

Ho-ho-hochachtungsvoll

Ihr JFK-Weihnachtspräsident

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Preview November

Der November naht, der Monat der Monate. Während die Gläubigen nun zu ihrem Heiland pilgern, erstarrt das Kino aber nicht in Ehrfurcht. Im Gegenteil: dem Messias zu Ehren laufen die Säle fast über an Starts. Die Relevanz der Titel divergiert jedoch stark. Umso wichtiger, einen Überblick zu schaffen. Als Kurator des JFKs bin ich Ihnen natürlich zu Diensten und führe sie mit der Laterne dieser Review durch das verschneite Labyrinth der Novermberstarts.

Fangen wir mit einer leisen Note an. »Ammonite« ist eine kleine Romanze zwischen zwei Frauen an der englischen Küste Mitte des 19. Jahrhunderts. Die junge Charlotte ist einer tiefen Melancholie verhangen, weswegen ihr Ehemann sie zur Erfrischung bei der Paläontologin Mary Anning in Obhut gibt. Anfangs ist es zwischen den beiden noch kühl, doch bald finden sie abseits des rauen Lebens nahe der rauschenden Wellen zueinander, entdecken unerwartete Wärme. Unter der Regie von Francis Lee (»God’s Own Country«) brillieren Kate Winselt (»Eternal Sunshine of a Spotless Mind«, »Der Vorleser«, »Gott des Gemetzels«) und Saoirse Ronan (»Lady Bird«, »Little Women«). Immer wieder wird der Film als britische Antwort auf »Porträt einer Frau in Flammen« beschrieben. Nur eben mit Wasser statt Feuer. Ergo wohl keine brennenden Franzosen… 🙁 Statt hot wirde also eher feucht 🙂

Trailer zu »Ammonite«

Ebenfalls zwei Frauen stehen im Zentrum von Edgar Wrights neuem Giallo »Last Night In Soho«. Dort ist die junge Eloise gerade nach London gezogen, um in die Welt ihrer Träume, die des Modedesigns einzutauchen. Leider verliert sie sich aber auch in ihrer anderen Traumwelt, wo sie als schöne Sandy durch die Nacht zieht. Denn der Traum wird alsbald zum Alb. Thomasin McKenzie ( »Jojo Rabbit«) und Anya Taylor-Joy (»The Queen’s Gambit«, »The VVitch«, »Emma«) tanzen so als Spiegelbilder durch die Nacht und das ganze Schwarz des Regenbogens. Ein sytlischer Psycho-Horror-Thriller im Swinging London der 60er durch das blutige Kaleidoskops eines verspielten Kinonerds. Dieser Nerd Edgar Wright probiert sich nach seinen Comedyerfahrungen in »Shaun of the Dead«, »Hot Fuzz«, »Scott Pilgrim vs. the World« zum ersten Mal an diesem düsteren Genreexzess, aber schon in »Baby Driver« zeigte er, dass er mit seinem Händchen für Style auch einen Gang höher schalten kann.

Trailer zu »Last Night In Soho«

In eine Albtraumwelt hatte sich auch die »Ghostbusters«-Reihe manövriert. Ob sie es mit »Ghostbusters: Legacy« nun schafft, sich nun da heraus zu manövrieren schafft, ist ungewiss. Aber der Trailer sie gerade dadurch verdammt vielversprechend aus, weil er so geerdet ist. Denn die Geisterjäger sind schon lange verblichen und der Ruf ganz schön abgerockt. Ein paar Kinder stoßen nun aber durch ihren Lehrer (Paul Rudd) auf das Vermächtnis der alten Männer, was gut passt, da ihrer verschlafene Heimatstadt gerade auch von einer paranormalen Bedrohung ummantelt wird. Warum das nun vielversprechend könnte, liegt vor allem an Regisseur Jason Reitman, der sich mit »Juno« oder auch »Up in the Air« als patenter Vermittler zwischen Hollywood und Indiekino etablieren und nicht zuletzt vier Oscarnominierungen einheimsen konnte. Von daher: Vielleicht mal wieder ein kleiner feiner Blockbuster, wobei man dennoch beim Anblick des Reihen-Schicksals vorsichtig bleiben sollte.

Trailer zu »Ghost Busters: Legacy«

Kommen wir zum Highlight des Monats. Mit »The Power of the Dog« kehrt Jane Campion (»Das Piano«, »Bright Star«) endlich wieder auf die Leinwand zurück und das mit einem richtigen Brett. Ihre Buchverfilmung spielt in den weiten Montanas von 1925 auf einer Ranch zweier Brüder. Der eine, George, ist eher verschwenderisch und möchte aus dem Farmleben ausbrechen. Der andere Bruder, Phil, führt den Hof jedoch mit engen Zügeln und versucht alles unter seine bitterharte Kontrolle zu bringen. Die Lage verspricht sich jedoch aufzurütteln, als George eine Witwe mit Sohn heiratet und sie auf die Ranch bringt. Aber eher verhärten sich die Fronten noch. Das Historiendrama mit Spätwesternallüren wurde in Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet und genießt überall absolute Spitzenkritiken. Das Starensemble mit Benedict Cumberbatch (»Sherlock«, »Der Spion«), Jesse Plemons (»I’m Thinking of Ending Things«, »Judas and the Black Messiah«) und Kirsten Dunst (»Spider Man«, »Melancholia«) in den Hauptrollen spricht für sich. Da Netflix aber den Film verleiht, wird man jedoch wohl genauer nach verfügbaren Kinos gucken müssen.

Trailer zu »The Power of the Dog«

Kleiner Tipp außerdem: »First Cow« bekommt nochmal eine kleine Kinoauswertung, sogar im Scala. Wer ihn also nochmal auf der großen Leinwand sehen will oder ihn gar überhaupt noch nicht gesehen hat: Jetzt wäre die Gelegenheit. Ich gehe auf jeden Fall rein.

Kinotipp No. 2: Am 2. November läuft einmalig im Filmpalast und in einigen anderen Kinos Satoshi Kons »Millenium Actress« in einer neuen 4K-Restauration. Ein moderner Klassiker des Animes, in der der Schöpfer von »Paprika« und »Perfect Blue« mit unfassbarer technischer Brillanz eine fanatsievolle Hommage an eine der größten japanischen Schauspielikonen, Setsuko Hara, schafft. Vorverkauf läuft schon.

Trailer zu »Millenium Actress«

Zum Streamen gibt es zwei Mal was auf Netflix, wobei der erste im Oktober schon im Kino lief. »Passing – Seitenwechsel« kommt im November dann auch auf den Streamingdienst und kann bei Bedarf dann nachgeholt werden, sollte man keine Chance zum Kinobesuch haben. Jedoch lohnen die Bilder wirklich auf der Leinwand. Bereits in der letzten Monatspreview besprochen.

Trailer zu »Passing«

»Ein Polizei-Film« ist der zweite Film im Netflix-November und ist ziemlich schräg. Denn er ist sowohl Spiel- als auch Dokumentarfilm. Denn zwei Schauspieler schlüpfen in die Rollen von mexikanischen Grenzpolizisten, wobei der Film dann ihrem Berufsalltag folgt. Das Konzept scheint mir sehr spannend, zumal im doch strukturell ziemlich zerrütteten Mexiko. Die Berlinale scheint dies auch spannend gefunden zu haben, weswegen er dort auch für besondere künstlerische Leistung ausgezeichnet wurde.

Trailer zu »Ein Polizei-Film«

Als letztes möchte ich noch zu einer Sondervorstellung im Scala einladen: Am 23. November führt das JFK-Lieblingskino nochmal »Ich war neunzehn« auf. Einige von uns hatten einst »Solo Sunny« von dem Regisseur im Scala gesehen, nun zeigen sie Konrad Wolfs Meisterwerk endlich in einer weiteren Reihe. Der Film handelt von einem emigrieten Deutschen, der mit der Roten Armee zum Kriegsende in seine Heimat zurück, nur eben auf der Seite des Feindes, um die letzten Nazis endgültig zu vertreiben. Der autobiographische Antikriegsfilm ist nicht brutal oder blutig, sondern setzt auf viel Realismus und Authentizität. Nichtsdestotrotz ist der Film wahnsinnig involvierend, bisweilen erdrückend spannend inszeniert und kongenial fotografiert. Einer meiner Lieblingsfilm kurz bevor ich wirklich 19 war.

Damit schnüren wir das Novemberpaket zusammen und legen es unter den kirstlichen Weihnachtsbaum. LGBTQ, #MeToo, Blut und Deutschland. Was braucht’s mehr? Wir werden diesmal, wie ihr wohl gesehen habt, ohne die Beitrittslinks arbeiten, da zu viele mit denen nicht klarkamen. Aber kein Problem, schreibt dann einfach mir direkt oder noch besser in die JFK-Gruppe, damit ihr direkt in das Event eingebucht werdet. JFK-Gruppe daher besser, weil ich nicht direkt bei allen Veranstaltungen in Präsenz dabei sein kann und sich so auch Gruppen unabhängig von mir bilden können. Nun denn meine jünger, auch wenn ich gen Himmel fahre (Berg ist hoch), verbreitet die frohe Kunde des Evangeliums zur Not auch ohne mich, liebet und mehret euch. Aber ganz gleich was auch sein mag: Baumannconsulting is always by your side.

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Preview Oktober

Obwohl wir dieses Jahr eh nur ein halbes Kinojahr hatten, beginnt jetzt schon langsam der Endspurt. Theoretisch ist es das letzt Quartal, praktisch ist es die zweite Hälfte. Jetzt heißt es eigentlich: Einheizen! Wobei, der Kamin wird erst später richtig zum Lodern kommen. Dennoch schüren wir jetzt schon mal die Glut und wie das so ist, sprühen auch da mal ganz hübsch die Funken. Noch besser: Es gibt zwei richtige Stichflammen, die sich mal eben den Weg zur Jahresspitze freibrutzeln könnten. Also, dreht den Herd auf, heizt den Ofen an, kippt Spiritus rein, der JFK kehrt vielleicht zu seiner Spezialdisziplin zurück: Français flambé!

Die Zeichen für den brennenden Franzmann stehen nämlich optimal beim diesjährigen Cannes-Gewinner »Titane«. Nach ihrem Kannibalen-Körperhorror-Hit »Raw« ist Julia Ducournau zurück und schaltet einen Gang höher. Buchstäblich: es geht um Autos. Und Sex mit Autos. Um Motorenöl-Maschinenteil-Mutanten, mysteriöse Morde und wilde Genderidentitätsturbulenzen. Und das Beste: Feuerwehrmänner (können wir Erik reaktivieren???). Und das Allerbeste: Vincent Lindon (bekannt als Bezinduscher aus »Streik«) ist einer der Löschprofis. Also: es wird schön rauchig, fleischig, hitzig, saftig. Ein guter Grillnachmittag mit Freunden. Bei so einem hyperstylishen Genrekaleidoskop auf Film-des-Jahres-Kurs grillt Baumannconsulting trotz Teslaflotte wieder mit Rohöl.

Trailer zu »Titane«

Etwas reineres Genrekino gibt uns der Nachbar mit den Langbroten und Traubensäften aber im Oktober auch noch. »Die Verschwundene« könnte jetzt erstmal ein beliebiger Rowohlt-Ramsch-Thriller sein, aber der Originaltitel »Seules les Bêtes«, also »Nur die Bestien« hat dann schon mehr Biss. Mitten im Schnee verschwindet hier eine Frau, so spurlos, dass die Polzei bald aufgibt. Fünf Hinterbliebene sind dazu jedoch nicht bereit, gerade weil sie wittern, dass einer von ihnen Schuld hat. Dominik Moll, der nicht zuletzt mit »Lemming« einen der originellsten Psychothriller 2000er ablieferte, konstruiert den Film hier als non-lineares Rätsel, das seine raffinierte Spannung gerade aus seiner subtilen Unabwägbarkeit gewinnt. Kleines, kluges, kaltblütiges Genrekino, so fein, wie es eben nur die Franzosen können.

Trailer zu »Die Verschwundene«

Ebenfalls frostig wird es in »The Last Duel« . Zwischen verschneiten Burgen kommt es zum Duell. Der Grund: die Frau eines Ritters beschuldigt einen anderen, sie vergewaltigt zu haben. Die Männer wollen dies nun im Kampf um Leben und Tod klären, doch dabei geht es vielmehr um die Frage der Ehre als um die eigentliche Frau. Zumal sie, sollte ihr Mann verlieren, als Lügnerin entlarvt hingerichtet wird. Ridley Scott (»Blade Runner«, »Alien«, »Gladiator«) hat das Mittelalterepos irgendwie parallel zu seinem »House of Gucci« hingezimmert und wartet mit beeindruckenden Namen auf. Die alten Kumpels Matt Damon (»Good Will Hunting«, »Stillwater«, »Bourne«-Trilogie) und Ben Affleck (»Argo«, »Gone Girl« ) haben sich nicht nur aufs Schauspielerparkett begeben, sondern auch wie damals bei ihrem Oscargewinn »Good Will Hunting« das Drehbruch verfasst. Aber um alle vernünftigen Menschen zu überzeugen: Adam Driver, Preisträger der Goldenen und Platinen Schnecke, ist dabei. Nuff said. Wobei man vielleicht auch noch ein paar damit abgreifen kann, dass die Musik vom »Shrek«-Komponisten ist. Die Kritiken bejubeln es nun nicht als Meisterwerk, sind aber auch weit weg vom Volldesaster. Außerdem muss man wohl das sehen, was der Guardian als die häßlichsten Frisuren des Kinojahres bezeichnet.

Trailer zu »The Last Duel«

Auch mitnehmen aus alter treue muss ich wohl »Cry Macho«. Es ist der x-te Abschiedsfilm vom Kinodinosaurier Clint Eastwood (»The Mule«, »Der Fall Richard Jewell«), der mit seinen mittlerweile 91 Jahren nicht nur im Regiestuhl sitzt, sondern auch wieder die Hauptrolle übernimmt. Der vierfache Oscargewinner verkörpert wieder eine seiner klassischen Figuren, diesmal einen alternden Rodeostar, der einen jungen Mann aus Mexiko nach Hause holen soll. Also bisschen »The Mule« meets »Gran Torino«, also typisch Eastwood. Sicher keine cinematorische Offenbarung, aber sicher herzlich, klassisch und oldschool. Also quasi auch voll cool.

Trailer zu »Cry Macho«

So, Schluss mit dem Rumgeklecker. Klotzen wir mal mit dem höchstwahrscheinlichen Film des Jahres ran: endlich, endlich, endlich kommt »The French Dispatch«. Halleluja. Der neue Film von Wes Anderson (»Grand Budapest Hotel«, »Moonrise Kingdom«, »Isle of Dogs«) ist endlich zurück mit seinem neuesten Wunderwerk. Diesmal entführt uns der Meister der filmischen Wimmelbilder in die europäische Journalismuswelt. Für eine Jubiläumsausgabe sollen dort nun die drei besten Geschichten der letzten Dekade veröffentlicht werden, was der Film in drei stilistisch völlig unterschiedlichen Episoden arrangiert. Es kann alles passieren. Zumal mit dem Cast, der selbst ein »Dune« wie ein Low-Budget-Starvehikel aussehen lässt. Bill Murray, Benicio del Toro, Frances McDormand, Jeffrey Wright, Adrien Brody, Tilda Swinton, Timothée Chalamet, Léa Seydoux und Saoirse (*sehnsuchtsvoller Seufzer*) Ronan. Und das sind nicht mal alle A-Lister. Wenn Wes ruft, kommen alle und das für die gewerkschaftliche Midestgage. Wer Mr. Anderson mit seinem exzentrischen Humor und seinen detailverliebten Sets kennt, weiß warum. Wer nicht, dessen heilige Pflicht ist es, jetzt endlich zu entdecken. Wer nicht mitkommt, Hurensohn.

Trailer zu »The French Dispatch«

Deutlich reduzierter, aber gar nicht so viel weniger exquisit dürfte wohl »Passing – Seitenwechsel« werden. Rebecca Hall konnte mit ihren Regiedebüt Anfang des Jahres beim Sundance Festival ordentlich für Aufsehen bei den Kritikern sorgen.

Nach dem 1929er Buchklassiker von Nella Larsen erzählt das Drama die Geschichte zweier Freundinnen. Obwohl man sich nach der High School lange aus den Augen verlor, wird ihre Freundschaft nun bei einem unerwarteten Wiedertreffen auf die Probe gestellt. Denn anders als Irene ist Clare jetzt weiß. Die Schwarz-Weiß-Bilder sehen atemberaubend aus, der Cast ist mit Ruth Negga (»Ad Astra«), Tessa Thompson (»Thor: Ragnarok«), André Holland (»Moonlight«) und Alexander Skarsgård (»Melancholia«, »Hold the Dark«) hervorragend besetzt. Sehr feinfühliges, ruhiges, aber dadurch genaues Kino über Rassenidentität, über Weiblichkeit und über Amerika.

Trailer zu »Passing – Seitenwechsel«

Ja, »Passing – Seitenwechsel« wird von Netflix verliehen, kommt dennoch eben ins Kino. Ausschließlich zum Streamen bekommen wir aber auch einen Film. Und zwar nach der Schwarz-Weiß-Perle was richtig Buntes. Der Animationsfilm »Cryptozoo« erschafft einen fantastsichen Zauberzoo mit Sagengestalten von Medusa bis Pegasus. Jetzt soll ergänzend dazu noch der sogenannte Baku eingefangen werden, ein monströser Traufresser. Das könnte richtig wild werden, aber genau dafür ist das Animationskino eben auch da.

Trailer zu »Cryptozoo«

Dann hat unser Kiezkorrespondet Lua noch auf das Fantasyfilmfest aufmerksam gemacht, was zwar erst Anfang November in den Norden rollt, aber der Ticketverkauf beginnt schon Mitte Oktober, weswegen an dieser Stelle schon informiert werden soll. Schaut euch gerne selbst mal das Line-Up an, aber zwei Filme würde ich tatsächlich in Betracht ziehen: »Pig« und »Ted K«. Im einen ist ein fett-vollbärtiger Nicolas Cage auf einen Rachepfad im Wald auf der Suche nach seinem entführten Trüffelschwein, im anderen wird ein Psychogramm des berüchtigten Unabombers, einem echten Hardcore-Ökoterroristen entworfen. Mal schauen, wann und wie die auf dem Festival laufen, aber außerhalb des Festivals wirds die sicher nicht auf deutschen Leinwänden zu sehen geben.

Trailer zu »Pig« (zu »Ted K« gibt es leider keinen)

NACHTRAG: Das Scala zeigt in zwei Spätvorstellungen den wilden No-Budget-Ritt »Coup«. Beschrieben als Mischung aus Martin Scorsese und Guy Ritchie im Norden von Hamburg, erzählt der Film von einem ausgeklügelten Bankraub und der fatalen Flucht in ein australisches Luxushotel. Fragmente aus dem Genregulasch, Pseudo-Dokueinschnitte, Animationsschnipsel. Perfekter Absacker aus der Rubrik Mitternachtskino mit Moin und Fischbrötchen.

Trailer zu »Coup«

Also, das ist unser buntes Bruzelbuffet für Oktober. Von Macho-Männlichkeit bis zum Filligran-Femininen und alles dazwischen. Auch Autos. Und brennende Franzosen. Hoffentlich. Betet. An mich und für mich. Und LB. Bitte.

Hochachtungsvoll

Ihr JFK-Präsident

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Preview September

Nachdem im Juli und August der Karren randvoll mit allerlei Waren fernster Länder hinter Orient und Ozean war, lässt die September-Ladung geschmeidig in den Kofferraum wuchten. Diesmal auch wenig Exotik, wenig Kunstkino, viele weiße Männer in Action. Zumindest, wenn »The Painted Bird« wirklich nicht nach Hamburg kommen sollte. Dazu würde ich mich sonst nochmal melden. Aber auch ohne den tschechischen Leviathan, haben wir zwei Giganten in petto. Zwei Mal vier Buchstaben, beide Male an dritter Stelle ein N: »Dune« und »Bond«.

Zuvor bleiben wir aber in der unmittelbaren Realität. Es braucht nämlich gar nicht immer Weltraumkrieger und Superagenten. Manchmal braucht es auch nur einen einfachen Mann, den Bohrarbeiter Bill Baker. Wegen Mordverdachts wird seine Tochter während des Auslandstudiums in Südfrankreich inhaftiert. Als Bill nun deshalb nach Europa reist, muss der Amerikaner feststellen, dass die Sache komplizierter liegt als erhofft. Nicht nur wird der Justizfall immer auswegloser, vor allem verfängt sich Bill in einem ganz persönlichen Kampf um sein amerikanisches Heldentum. Ergo ist »Stillwater« kein bloßer »Taken«-Abklatsch, sondern durchaus auch eine kritische Reflexion des patostriefenden Man-on-a-Mission. Der auf einem echten Fall basierende Thriller wurde in Cannes extrem kontrovers aufgenommen, aber gerade das macht ihn nicht uninteressant. Zumal Regisseur Tom McCarthy mit seinem oscarprämierten Journalistendrama »Spotlight« mehr als überzeugen konnte. Außerdem scheint Matt Damon (»Bourne«-Reihe, »Good Will Hunting«, »Ocean’s«-Trilogie, prägnant erwähnt in »Team America: World Police«) endlich mal wieder richtig aufzudrehen.

Trailer zu »Stillwater«

Ziemlich einheitlich dürfte die Vorfreude auf »Dune« sein. Anfang September wird er in Venedig seine Weltpremiere feiern, aber die Zeichen könnten für die Neuverfilmung von Frank Herberts legendärem Sci-Fi-Roman kaum besser stehen. Nicht nur liest sich der Cast aus Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Josh Brolin, Zendaya, Javier Bardem, Chang Chen, Dave Bautista, Jason Momoa, Stellan Skarsgård und Charlotte Rampling wie ein Wunschzettel für Weihnachten und Geburtstag. Es sitzt vor allem Denis Villeneuve (»Arrival«, »Sicario«, »Prisoners«), Preisträger der Platinum Schnecke als Regisseur des Jahrzehnts, im Regiestuhl. Als Beigabe gibt es noch Bilder von Greg Fraiser (»Rogue One«, »Vice«) und Musik von Hans Zimmer (»Inception«, »Interstellar«, »The Dark Knight«), der für dieses Projekt Nolan die Zusammenarbeit für »Tenet« abgesagt hat. Obwohl »Dune« eine berüchtigte Herausforderung ist, stehen die Zeichen für den Film des Jahres also verdammt gut. Dennoch: obwohl das Epos über fürstliche Schlachten, Wüstenplaneten und riesige Sandwürmer sich über 155 erstreckt, ist es sogar nur die erste Hälfte der geplanten Endvision. Damit wir die Vollendung auch gefahrlos erhalten: Alle rein. Pflichtfilm wäre wohl noch untertrieben.

Trailer zu »Dune«

Aber schalten wir nochmal einen Gang runter. Sowohl Villeneuve als auch Herbert sind eher für verhaltenen Humor bekannt, weswegen eine Kontrastkomödie wohl ganz wohltuend sein sollte. Und genau das kann ich mit »Curveball« anbieten. Die deutsche Groteske erzählt von dem wahren Fall eines Asylbewerbers, der Anfang 2000 dem BND erzählt, er sei im Irak an der Herstellung von Anthrax beteiligt gewesen. Durch eine unglückliche Verkettung von Idiotie führt die haarsträubende Behauptung schließlich zum Einmarsch der USA in den Irak 2003. Schwarzhumorige Satire mit sehr viel trockener Lakonie. Definitiv nicht die üblich dröge deutsche Geschichtsstunde, sondern erin ziemlich vielversprechend schräger Spaß.

Trailer zu »Curveball«

Den Deutschen traut man keine Comedy zu? Na gut, dann vielleicht den Dänen. Die bewiesen ja nicht zuletzt mit »Adams Äpfel« oder »Dänische Delikatessen« ihr Talent für rabenschwärzeste Komik mit herzlicher Skurrilität. Der Regisseur der beiden Genannten, Anders Thomas Jensen, ist nun zurück und hat erneut Mads Mikkelsen im Gepäck. Dieser spiel in »Helden der Wahrscheinlichkeit« einen bärtigen Armeeveteran, der nun auf Rache für den Tod seiner Frau bei einem Anschlag sinnt. Unterstützung bekommt er dabei von einer bizarren Truppe Spinner und unscheinbarer Außenseiter, die ihn auf die Fährte einer üblen Bikergang bringen. Angenehm exzentrisch gelingt Jensen ein weiterer Hit in seiner Heimat, der auch im Rest der Welt überall bejubelt wird. Die Wahrscheinlichkeit für einen guten Abend scheint mir da sehr hoch.

Trailer zu »Helden der Wahrscheinlichkeit«

Genug gekichert, zurück zum Ernst. In »Schachnovelle« geht es um einen Wiener Anwalt, der 1938 vor den Nazis über den Atlantik in die Staaten fliehen will. Jedoch wird seine Frau von der Gestapo festgenommen, was den ihn in die Zwickmühle bringt, mit den Deutschen zu verhandeln. Er findet schließlich einen Ausweg zum gerechten Duell: Schach. Bevor nun jeder weiterscrollt Och nee, kein deutsches Nazidrama, sei erläutert, warum das Projekt so vielversprechend ist. Zum einen ist da das Ensemble, was mit Oliver Masucci (»Er ist wieder da«), Birgit Minichmayr (Preisträgerin der Goldenen Schnecke; »Alle anderen«, »Das weiße Band«) und Albrecht Schuch (»Berlin Alexanderplatz«, »Systemsprenger«) ziemlich beeindrucken kann. Zum anderen dient aber Stefan Zweigs gleichnamige Novelle als Vorlage. Nicht nur gilt Zweig als einer der bedeutendsten Literaten der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhundert. Seine Schriften dienten unter anderem als Vorlage für »Grand Budapest Hotel«, dessen Erzähler ihm nachempfunden ist. Und jene, die nach »Queen’s Gambit« Schachfans geworden sind, kommen vielleicht auch noch ihre Kosten. Wenn das keine matt-setzenden Argumente sind.

Trailer zu »Schachnovelle«

Wer wohl keine Argumente mehr braucht: Bond, James Bond. Endlos verschoben, soll er jetzt endlich am Monatsende in die Kinosäle kommen. Es dürfte klar sein, was einem erwartet. Atemberaubende Agentenaction, schöne Frauen, coole Sprüche. Jeder dürfte wohl schon vor Monaten, vielleicht Jahren entschieden haben, ob er mit will, also müssen gar nicht mehr viele Worte verloren werden. Entweder man ist geschüttelt oder gerührt. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass es endlich Zeit für »No Time to Die« ist.

Trailer zu »No Time To Die«

Für unseren einzigen Online-Start gehen wir auf einen ganz kleinen Maßstab zurück. In »Anne at 13,000 Ft.« geht es um den Alltag einer jungen Frau. Das wars auch schon. Der Film fängt den Stress, den Druck und die scheinbar simplen Herausforderungen des Lebens sehr genau und empathisch ein. Ein kleines, intimes Charakterporträt aus Kanada, dass mit seinen dynamischen Bildern und der herausragend authentischen Hauptdarstellerin beim Filmfestival von Toronto Kritiker und Publikum gleichermaßen für sich gewinnen konnte. Die bezaubernde Perle bringt uns MUBI zum Ende des Monats.

Trailer zu »Anne at 13,000 ft«

So, immerhin noch eine Frau in die Männerriege bekommen. Nichtsdestotrotz sollte wohl sowieso für jeden etwas dabei sein. Von Hochspannung bis Lachabend ist alles dabei, von Indie-Drama bis Blockbusterspektakel wird abgeliefert. »Dune« stellt wohl alle in den Schatten, aber der Rest muss sich nun auch nicht verstecken. Gebt vielleicht auch den deutschen Kandidaten bei Interesse mal eine Chance. Mehr bleibt auch gar nicht zu sagen, außer dass dies der letzte Monat sein wird, in dem der JFK-Präsident vollständig anwesend sein wird. Danach ist die Kompanie weitgehend auf sich gestellt. Aber keine Angst: die Monatsabrisse werden weiter professionel geliefert. Denn wie ich aus jahrelangem Battlerapstudium gelernt habe: auf die Delivery kommt es an.

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Preview August

Endlich wieder Kinoluft geschnuppert? Jaaa. Einen schönen Zug frische Popcornluft in die Nase gesogen, einen Slushy geschlürft und wieder durch den Eurotunnel gefleezt. Wir sind wieder im Turn, wir grooven, wie grinden mit Delfinen. Die Toplistenspitze wechselt jede Woche, die Ereignisse überschlagen sich. Was kann da denn noch ein neuer Monat großes bringen? Das wird die Zukunft zeigen, wird aber auch aus der Vergangenheit lesbar sein und schließlich als Gegenwart voll in unser Gesicht knallen. Er kommt ins Ghetto geknallt: der August.

Am Anfang unserer Reise durch die Zeiten steht etwas Historisches. Denn unser deutscher Regieveteran Dominik Graf hat sich Erich Kästners Roman »Fabian oder der Gang vor die Hunde« geschnappt und im großen Stil für die Leinwand adaptiert. Nach “Berlin Alexanderplatz« gleich der nächste große Berlinroman aus den letzten Tagen der Weimarer Republik, diesmal jedoch in der Originalzeit von 1931 bleibend. Dort geht es um Werbetexter Jakob Fabian, der ziellos durch die Städte und Straßen treibt. Bald jedoch beißt sich seine ironische Distanz die Zähne sowohl an der Politik als auch den Menschen aus. Und schließlich an sich selbst. Grafs Film wurde als einer der Höhepunkte der diesjährigen Berlinale gefeiert und wartet mit starker Starpower auf. Nicht nur ist Tom Schilling (»Oh Boy«, »Werk ohne Autor«) in der titelgebenden Hauptrolle zu sehen, sondern auch Albrecht Schuch, der zuletzt als Reinhold in eben jenen »Berlin Alexanderplatz” begeistern durfte.

Trailer zu »Fabian oder der Gang vor die Hunde«

Wir springen etwas nach vorne, bleiben aber im Land. Also so halb, wortwörtlich. Denn es geht um das geteilte Deutschland in »Nahschuss«. Erzählt wird eine echte Spionagegeschichte des DDR-Geheimdienstagenten Werner Teske. Mit starken Schauspielern wie Lars Eidinger (»Proxima«, »Personal Shopper«) oder dem grandiosen Devid Striesow (»Der Untergang«) durchleuchtet der Film genau die Abwärtsspirale in den Fängen des Stasi-Apparats.

Trailer zu »Nahschuss«

Och nee, nicht so deutsche Drögheit, nicht wieder Geschichtsstunde. Kein Problem, für die Gelangweilten können wir den Regler etwas aufdrehen und springen ins dystopische Cyberpunk-Miami. Dort siedelt »Reminiscence« nämlich seine Detektivgeschichte rund um eine Suche nach Erinnerungen zwischen überschwemmten Straßen und virtueller Realität. Ein pompöse Produktion, starbestückt mit Hugh Jackman (»X-Men«-Reihe, »Les Misérables«, »Prisoners«) und Rebecca Ferguson (»Mission: Impossible – Fallout«, »Dune«), trotzdem aber vielleicht aufgeblasenes Blockbusterblabla. Zuversicht gibt aber die Dame, die dahintersteckt: Lisa Joy. Joy ist nicht nur Schwägerin von Christopher Nolan, sondern auch Ko-Schöpferin der brillanten Sci-Fi-Serie »Westworld«. Für ihr Spielfilmdebüt mischt die Reigsseurin dieses so genau beherrschte Genre mit Fragmenten des Film noir und des Actionthrillers. Gewissermaßen »Blade Runner« mit mehr Wumms. Ein großes Wagnis, aber jedenfalls ein gewaltiges Leinwandspektakel, bei dem man vielleicht mal einen Blick riskieren sollte.

Trailer zu »Reminiscence«

Zu risikoreich? Kein Problem, ein sicheres Vergnügen wird definitiv der maliziöse Rachethriller »Promising Young Woman« mit Carey Mulligan (»Drive«, »Shame«), Bo Burnham und Alison Brie (»Community«, »Horse Girl«, »Mad Men«). Hierin macht sich eine junge Frau daran übergriffigen Männern eine Lektion zu erteilen, in dem sie den Spieß bei der Verführung umdreht – und die perplexen frisch gewordenen Opfer dann mit ihm durchstößt. Unter Verarbeitung der #MeToo-Debatte zieht der Film seine feministische Vendetta genüsslich wie gnadenlos durch, auch bis es weh tut. Carey Mulligan brilliert in der energetisch fiesen Hauptrolle und räumte gleiche mehrere Preise ab, den Oscar holte aber Emerald Fennells Originaldrehbuch. Ein feiner, finsterer, aber auch teuflisch unterhaltsamer Genrestreifen, den JFK-Nachwuchs Lua bereits bejubelte

Trailer zu »Promising Young Woman«

Nachdem wir bei »Promising Young Woman« dem Bösen ins Gesicht geblickt haben, mag der nächste Titel etwa irritieren: »Doch das Böse gibt es nicht«. 2020 gewann der noch immer im Iran mit politischem Haftbefehl gesuchte Regisseur Mohammad Rasoulof mit diesem geheim gedrehten Episodenfilm die Berlinale. Nach »A Man of Integrity« setzt er seine Auseinandersetzung mit moralischer Korruption und politischer Gewalt fort, diesmal mit Fokus auf einem besonders ernstem Thema: der Todesstrafe. Eindeutig eines der Highlights dieses Monats, eventuell ein Kandidat für die Jahres-Top-10.

Trailer zu »Doch das Böse gibt es nicht«

Genauso Highlight wird wohl »Martin Eden«. Eine italienische Umsetzung des legendären Romanklassikers von Jack London, über die Lebensgeschichte eines Seemanns und angehenden Schriftstellers in Zeiten des auflammenden Sozialismus. Schon seit Venedig gefeiert kommt die epische Verfilmung über den Freiheitskampf endlich nach Deutschland und rangiert ganz vorne unter den Jahresfavoriten. Besonders die herausragende Leistung von Hauptdarsteller Luca Marinelli bejubelte man überall und wurde mit Preisen überhäuft.

Trailer zu »Martin Eden«

In »The Trouble With Being Born« ist es zwar auch Sommer, jedoch kühlt die Hitze ganz schnell ab. Denn in diesem österreichischen Sci-Fi-Drama wird es bei den klaren, glatten Bildern schnell unheimlich. Im Mittelpunkt steht nämlich ein Roboterkind. Indessen ist dies aber kein Rührstück à la »A.I.«, sondern ein düsteres Gedankenspiel über die Fragen, was die Menschen wohl alles mit so einem hörigen Androiden tun können. Eher für die Freunde des Exzentrischeren und Künstlerischen, aber wohl auch einer der spannendsten Titel des Monats.

Trailer zu »The Trouble With Being Born«

Nochmal Science Fiction, ebenfalls deutschsprachig: »Tides«. Nach einer apokalyptischen Sintflut konnte sich nur ein Bruchteil der Menschheit auf einen Kolonieplaneten retten. Nun planen aber nach 200 Jahren die Nachfahren der Überlebenden wieder auf den nun noch blaueren Planeten zurückzukehren, was aberböse Überraschungen bereit hält. Für die gesamte Spezies. Überraschend angetan zeigt man sich auf der Berlinale von der ambitionierten deutschen Genreproduktion. Alleine den Mut für ein derartiges Projekt sollte man belohnen.

Trailer zu »Tides«

Ihr seid zu alt für den Scheiß? Wisst ihr wer auch alt ist? Anthony Hopkins. Für seine bewegende Verkörperung des dementen Anthony in »The Father« erhält der legendäre Hannibal-Lecter-Darsteller seinen zweiten Oscar. Das kleine intime Drama war aber noch für fünf weitere Academy Awards nominiert und erhielt etliche weitere Preise. Hopkins ist jedoch nichteinmal die einzige Koryphäe, sondern hat auch noch Oscarpreisträgerin Olivia Colman (»The Favourite«, »Fleabag«) an seiner Seite. Da dürfte es Tränen, aber auch Genusspunkte regnen.

Trailer zu »The Father«

Für die, die zuhause bleiben wollen, gäbe es auf MUBI noch drei kleine Starts auf MUBI. Und zwar aus sonst eher vernachlässigten Winkeln der Welt. Da wäre »Air Conditioner« aus Angola, »The Cloud in Her Room« aus China und »Lina form Lima« aus Chile, Peru und Argentinien (ja, allein Dreien). Letzterer dürfte mindestens ein JFK-Mitglied namenstechnisch schon verpflichten. Worum geht es bei diesen aparten Perlen? Nun, versucht das am besten aus den Trailern selbst mal herauszubekommen:

Trailer zu »Air Conditioner«
Trailer zu »The Cloud in Her Room«
Trailer zu »Lina from Lima«

Außerdem gibt es noch einen Film auf Apple TV Plus (*verschränkt Arme zum +*) »Coda«. Ein kleines Familiendrama über eine junge Frau, die gerne ihren Gesangstraum ausleben würde, was jedoch starke Spannung zu ihrer taubstummen Familie auslöst. Ein kleiner Hit auf dem diesjährigen Sundance Festival gewesen, schönes kleines einfühlsames Indiekino aus Amerika.

Trailer zu »Coda«

Wieder ein ganzer Batzen, paar fetter Fische, aber so gefragter sind gekonnte Angler. Also schaut, wohin ihr am liebsten Reisen wollt. In die Zukunft, die Vergangenheit oder die harte Realität. In den Iran, nach Italien oder doch Miami. Gönnt euch mal einen schönen Trip, es ist Sommer, genießt einen cinematorischen Urlaub in der VIP-Klasse. Die besten Angebote dafür wie immer auf Baumannconsulting, we are alway by your side.

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Preview Juli

Endlich. Ja, diesmal wirklich. Kino geht wieder los. In echt. Live, in Farbe und in HD. Zum Anfassen. Und Sehen. Und Hören, Riechen und Schmecken. Wirklich wahr. Selbstverständlich powered by Baumannconsulting. Starten wir direkt rein, denn zur Auferstehung wird nicht gekleckert sondern so richtig rangeklotzt. Da ist für jeden was dabei, jedes Genre, jede Größe. Zumindest fast. Aber eben irgendwie schon. Also: PAR-TIS-SE-MENT!

Schon im Juni startet offiziell »A Quiet Place Part II«, aber wir zählen ihn dennoch einfach mal für diesen Monat. Wer den Vorgänger kennt, was wohl ratsam wäre, weiß, worum es geht: Alieninvasion, aber die mörderischen Besucher sind Blind, können dafür aber verdammt gut hören. Diesmal geht es von der Familienfarm raus in die postapokalyptischen Weiten und der Horror-Suspense bekommt einen Zacken mehr Action und härtere Survivaldynamik. In der Hauptrolle kämpft sich wieder Emily Blunt (»Sicario«, »Der Teufel trägt Prada«) durch, diesmal bekommt sie aber auch noch Cillian Murphy (»28 Days Later«, »Batman Begins«) gegenübergestellt. Einer der großen Genreblockbuster des Jahres, sowohl bei Kritik als auch Publikum jetzt schon ein Liebling.

Trailer zu »A Quiet Place Part II«

Für die Liebhaber des Unhemlichen gibt es gleich noch mehr Horrorstreifen. Von dystopischer Versteckspielaction gehen wir aber nun in düsterere Gefilde: In den Menschen selbst. »Possessor« vom Cronenberg Sprößling Brandon konnte letztes Jahr einen kleinen Hype als Geheimtipp aufbauen. Über Hirnimplantate werden hier Auftragsmorde begangen, ergo wird es schön blutig und abgedreht. Für alle mit härteren Nerven, aber vor allem auch die, die mal einen etwas anderen Schocker erleben wollen. Mit Christopher Abbott (»It comes at night«, »Girls«), Jennifer Jason Leigh (»eXistenZ«, »The Hateful 8«) und Sean Bean (»Herr der Ringe«, »Game of Thrones«).

Trailer zu »Possessor«

Etwas normaler aber ebenfalls spannend wir es in »Der Spion«. Benedict Cumberbatch (»Sherlock«, »Doctor Strange«) wird hier in eine tatsächlich geschehene Spionageintrige während der Kubakrise geworfen. Klassisches Agententhrillerkino aus Großbritannien, dass vermutlich eher für die atemberaubende wahre Geschichte als für spektakuläres, aber durchaus solides Handwerk interessant. Neben Cumberbatch ist außerdem noch Jessie Buckley (»I’m Thinking of Ending Things«) dabei.

Trailer zu »Der Spion«

Wem das aber für politisches Kino zu brav ist, für den dürfte »Judas and the Black Messiah« was sein. Hiermit geht es auf die Straße. Der transportiert uns nämlich ins Jahr 1969 zu den Black Panthern und einen der geschichtsträchtigsten Attentate in der Historie der Bewegung. Ein wütender, energetischer Politthriller, der nicht zuletzt bei den Oscars ordentlich für Furore sorgte. Dort konnte er sogar zwei Preise abräumen. Einen für den besten Song, der nur ein Teil der oft als besten Soundtrack des letzten Jahres besprochenen Filmmusik ist. Einen weiteren für Daniel Kaluuya (»Get Out«), wobei auch sein ebenso gefeierter Ko-Darsteller LaKeith Stanfield (»Get Out«, »Uncut Gems«) eine Nominierung erhielt. Außerdem mit von der Partie: Jesse Plemons (»I’m Thinking of Ending Things«, »The Master«, »Breaking Bad«).

Trailer zu »Judas and the Black Messiah«

Amis, Amis, Amis. Zukunft und Vergangenheit. Für die konkrete Gegenwart müssen wir nach Rumänien zu »Bad Luck Banging or Loony Porn«. Dort geht es nämlich ganz direkt um die Coronapandemie und die Handhabe durch die rumänische Regierung. Regisseur Radu Jude (Goldener Schnecken Gewinner für »Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen«) nimmt sich hier allem an. Spießbürgern, Rechtsnationalen, Militaristen, Korrupten, Klerikalen. Ein Rundumschlag, der seine Ziele mit voller satirischer Härte zerstückelt. Experimentiertfreudig gemischt mit dokumentaristischen, essayistischen und, na ja, pornographischen Einflüssen. Ein durchaus surrealistischer Spaß, aber mit brennender Aktualität. Prämiert mit dem Goldenen Bären auf der Berlinale.

Trailer zu »Bad Luck Banging or Loony Porn«

Aber es ist Sommer. Und das ganze Pandemiezeug möchte man am liebsten ausblenden. Dafür reisen wir nach Frankreich und etwas in die Vergangenheit nämlich in den »Sommer 85«. François Ozon (»Gelobt sei Gott«) kehrt zu seinen Wurzeln zurück, also intimen Charakterstudien an französischen Stränden. Und vor allem zum LGBTQ-Bezug. Denn im Zentrum der Romanverfilmung stehen hier zwei Jugendliche, ihre Sommerliebe und all die Probleme, die sie bedrohen. Kein »Call Me By Your Name«-Abklatsch, sondern originalfranzösisches Kino. Aber vermutlich genau für die Fans desselben Gefühls.

Trailer zu »Sommer 85«

Etwas fieser? Gut, dann könnte vielleicht die folgende Perle aus der Schweiz. In der kleinen Komödie »Das Mädchen und die Spinne« geht es im Grunde um nicht viel, einfach nur um das Umziehen oder eben das Zurückbleiben in der jeweiligen Wohnung. Und die sich daraus bahnbrechende Chronologie von irrwitziger Destruktion. Schön skurril, bissig eloquent und still poetisch. In der Berlinale Encounters-Reihe ausgezeichnet für die Beste Regie und mit dem FIPRESCI-Preis der internationalen Presse.

Trailer zu »Das Mädchen und die Spinne«

Aber die meisten sind wohl hier nicht für irgendwelchen Arthousekrimskrams von den Kunstfestivals hier, sondern für die Oscarcontender. Beides lässt sich jedoch verbinden, und zwar in »Minari«. Lee Isaac Chungs Familiendrama rund um eine koreanisch stämmige Familie im Amerika der 80er besinnt sich ganz ruhig und behutsam auf die Wurzeln Amerikas zurück. Jacobs Familie, gespielt von Steven Yeun (»Burning«, »The Walking Dead«), versucht hier nämlich mit ehrlicher Landarbeit im neuen Land der Hoffnung dem amerikanischen Traum näher zu kommen. Ergo erwartet uns ein kleiner Film, indem es nicht um große Action geht, sondern um die wunderbaren kleinen Menschlichkeiten im Alltag. Von allen Seiten gerühmt, könnte das hier ziemlich sicher eines der großen Jahreshighlights werden. Youn Yuh-jung wurde nicht umsonst mit im Grunde allen wichtigen Filmpreisen ausgezeichnet, einschließlich BAFTA und Oscar.

Trailer zu »Minari«

Für einige auf der Welt und auch aus unser kleinen Runde dürfte aber »In The Heights« der heißerwartetste Leckerbissen sein. Eine richtige pralle Musicaladaption auf 143 Minuten für die große Leinwand. Ganz viel Tanzen, Singen und Gesellschaftsdynamiken. Ja, es ist nicht nur sinnlose Euphorie, was vermutlich auch die sagenhaften Kritiken erklärt. »Crazy Rich Asians«-Regisseur Jon M. Chu brennt hier ein gewaltiges Feuerwerk ab für DEN Sommerblockbuster des Jahres. Möglicherweise als doch sehenswert, TROTZ Musical.

Trailer zu »In The Heights«

Getanzt wird auch, zumindest zum Schluss, in »Der Rausch«. Thomas Vinterberg ist zurück. Nach »Die Jagd« hat der ehemalige Dogma95 Regisseur auch wieder Mads Mikkelsen (»Hannibal«) im Schlepptau, dessen darstellerische Leistung in diesem neuen Werk bereits vielfach gerühmt und prämiert wurde. Insgeamt darf sich »Der Rausch« bereits einer Vielzahl von Auszeichnungen erfreuen und konnte schließlich auch den Oscar abräumen. Und das, obowohl die dänische Satire mit der Prämisse einer Gruppe daueralkoholisierter Lehrer alles andere als der gewohnte Drink ist. Lustig trunken und doch mit einer bitterbösen Note auf der Zunge, den schmerzahft-tragischen Kater schon erwartend, tanzt sich der Film berauscht auf die Liste der heißerwartetsten Titel des Jahres.

Trailer zu »Der Rausch«

So, das waren jetzt alle schon ziemlich geile Sachen. Aber mein Highlight des Monats ist »The Green Knight«. David Lowery (»Ein Gauner und Gentleman«, »A Ghost Story«) kommt mit einer großen grimmigen Fantasyproduktion mit der cinematorischen Goldschmiede A24 im Rücken (»Waves«, »Uncut Gems«, »Der Leuchtturm«, »Midsommar«). Sagenhafte Bilder, Baumwesen, Zaubertiere, Riesen und Streitäxte. Und das ohne eine Buch- oder Videospielvorlage. Und dann der Cast. Der oscarnominierte Dev Patel (»David Copperfield«, »Slumdog Millionaire«), Oscarpreisträgerin Alicia Vikander (»The Danish Girl«, »Ex Machina«), Goldene-Schnecken-Preisträger Barry Keoghan (»The Killing of a Sacred Deer«, »Chernobyl«) und der immer gern gesehene Joel Edgerton (»Underground Railroad«, »It Comes at Night«). Dass es sowas überhaupt gibt, ist schon ein Wunder. Dass wir ihn diesen Monat auf der großen Leinwand sehen dürfen, ist einfach wunderbar.

Trailer zu »The Green Knight«

Aber wir wollen ja nicht nur den Namenhaften Chancen geben, sonder auch denen, die sich erst erproben müssen. Prano Bailey-Bond heißt die Filmemacherin, die sich gerade dabei ist mit ihrem Horrorgeheimtipp »Censor« einen Namen zu machen. Hierin geht es um eine Filmzensorin, die in einem zu sichtenden Film eine alte Bekannte entdecken zu glaubt, wodurch nach und nach ihre Realität zusammenzubrechen scheint. Fieser Psychoschocker in atmosphärischen Bildern. Für ein bisschen Kühle in den Adern bei der Sommerhitze.

Trailer zu »Censor«

Damit kommen wir vielleicht zu dem Titel des Monats. Goldener Löwe von Venedig. Hauptpreis von Toronto. Vier BAFTAS. Zwei Golden Globes. Drei Oscars. Einschließlich Bester Film, Beste Regie und Beste Hauptdarstellerin. Regisseurin Chloé Zhao (»Songs My Brother Taught Me«, »The Rider«) widmet sich hier in »Nomadland« modernen Nomaden und liefer so in atemberaubenden Bilder einen einfühlsamen Roadtrip durch das moderne Amerika. Von Wohnwagensiedlungen über Nationalparks bis ans Amazon-Fließband. Frances McDormand (»Fargo«, »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«) errung hiermit ihren dritten Oscar als Beste Hauptdarstellerin und konnte hiermit eines ihrer Herzenprojekte umsetzen. Ganz ganz heißer Favorit für den Film des Jahres.

Trailer zu »Nomadland«

Och nee Joris, nicht ins Kino. Da muss ich raus, da sind so viele Leute und ich muss Geld ausgeben. Gibt es da nicht sowas wie in den letzten Monaten fürs Sofa? Natürlich. Und zwar noch einen weiteren Favoriten für die Spitze der Jahresliste: »First Cow«. Kelly Reichardt ist schon seit Jahren als die wohl bedeutendste amerikanische Filmemacherin der Gegenwart etabliert. Dabei sind weder ihr Stil noch ihre Sujets besonders spektakulär. Naturausflüge, Hunde und jetzt eben Kühe. Beziehungsweise nur eine Kuh, die bildet das Zentrum in Reichardts intimer Anti-Western-Fabel im rauen Grün, jenseits von rauchenden Colts und kreisenden Lassos. Mit ihrem lakonischen Minimalismus öffnet die Regisseurin immer wieder Fenster zu Lebenswelten, die man kennt, aber doch übersieht. Sie bringt die nächste Nähe mit ihre humanistischen Poesie wieder zum Leuchten. Ein schlichter Glanz, der aber feiner funkelt als jeder Goldnugget.

Trailer zu »First Cow«

Das war’s auch schon. Eine ganze Menge, ich weiß. Vermutlich muss man sich genau entscheiden, worin man Zeit und Geld investiert. Aber so ist das: Der Ernst des Lebens geht wieder los. Es geht wieder um Leben und Kino.

Hochachtungsvoll

J.C., JFK-President