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Preview Juli

Endlich. Ja, diesmal wirklich. Kino geht wieder los. In echt. Live, in Farbe und in HD. Zum Anfassen. Und Sehen. Und Hören, Riechen und Schmecken. Wirklich wahr. Selbstverständlich powered by Baumannconsulting. Starten wir direkt rein, denn zur Auferstehung wird nicht gekleckert sondern so richtig rangeklotzt. Da ist für jeden was dabei, jedes Genre, jede Größe. Zumindest fast. Aber eben irgendwie schon. Also: PAR-TIS-SE-MENT!

Schon im Juni startet offiziell »A Quiet Place Part II«, aber wir zählen ihn dennoch einfach mal für diesen Monat. Wer den Vorgänger kennt, was wohl ratsam wäre, weiß, worum es geht: Alieninvasion, aber die mörderischen Besucher sind Blind, können dafür aber verdammt gut hören. Diesmal geht es von der Familienfarm raus in die postapokalyptischen Weiten und der Horror-Suspense bekommt einen Zacken mehr Action und härtere Survivaldynamik. In der Hauptrolle kämpft sich wieder Emily Blunt (»Sicario«, »Der Teufel trägt Prada«) durch, diesmal bekommt sie aber auch noch Cillian Murphy (»28 Days Later«, »Batman Begins«) gegenübergestellt. Einer der großen Genreblockbuster des Jahres, sowohl bei Kritik als auch Publikum jetzt schon ein Liebling.

Trailer zu »A Quiet Place Part II«

Für die Liebhaber des Unhemlichen gibt es gleich noch mehr Horrorstreifen. Von dystopischer Versteckspielaction gehen wir aber nun in düsterere Gefilde: In den Menschen selbst. »Possessor« vom Cronenberg Sprößling Brandon konnte letztes Jahr einen kleinen Hype als Geheimtipp aufbauen. Über Hirnimplantate werden hier Auftragsmorde begangen, ergo wird es schön blutig und abgedreht. Für alle mit härteren Nerven, aber vor allem auch die, die mal einen etwas anderen Schocker erleben wollen. Mit Christopher Abbott (»It comes at night«, »Girls«), Jennifer Jason Leigh (»eXistenZ«, »The Hateful 8«) und Sean Bean (»Herr der Ringe«, »Game of Thrones«).

Trailer zu »Possessor«

Etwas normaler aber ebenfalls spannend wir es in »Der Spion«. Benedict Cumberbatch (»Sherlock«, »Doctor Strange«) wird hier in eine tatsächlich geschehene Spionageintrige während der Kubakrise geworfen. Klassisches Agententhrillerkino aus Großbritannien, dass vermutlich eher für die atemberaubende wahre Geschichte als für spektakuläres, aber durchaus solides Handwerk interessant. Neben Cumberbatch ist außerdem noch Jessie Buckley (»I’m Thinking of Ending Things«) dabei.

Trailer zu »Der Spion«

Wem das aber für politisches Kino zu brav ist, für den dürfte »Judas and the Black Messiah« was sein. Hiermit geht es auf die Straße. Der transportiert uns nämlich ins Jahr 1969 zu den Black Panthern und einen der geschichtsträchtigsten Attentate in der Historie der Bewegung. Ein wütender, energetischer Politthriller, der nicht zuletzt bei den Oscars ordentlich für Furore sorgte. Dort konnte er sogar zwei Preise abräumen. Einen für den besten Song, der nur ein Teil der oft als besten Soundtrack des letzten Jahres besprochenen Filmmusik ist. Einen weiteren für Daniel Kaluuya (»Get Out«), wobei auch sein ebenso gefeierter Ko-Darsteller LaKeith Stanfield (»Get Out«, »Uncut Gems«) eine Nominierung erhielt. Außerdem mit von der Partie: Jesse Plemons (»I’m Thinking of Ending Things«, »The Master«, »Breaking Bad«).

Trailer zu »Judas and the Black Messiah«

Amis, Amis, Amis. Zukunft und Vergangenheit. Für die konkrete Gegenwart müssen wir nach Rumänien zu »Bad Luck Banging or Loony Porn«. Dort geht es nämlich ganz direkt um die Coronapandemie und die Handhabe durch die rumänische Regierung. Regisseur Radu Jude (Goldener Schnecken Gewinner für »Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen«) nimmt sich hier allem an. Spießbürgern, Rechtsnationalen, Militaristen, Korrupten, Klerikalen. Ein Rundumschlag, der seine Ziele mit voller satirischer Härte zerstückelt. Experimentiertfreudig gemischt mit dokumentaristischen, essayistischen und, na ja, pornographischen Einflüssen. Ein durchaus surrealistischer Spaß, aber mit brennender Aktualität. Prämiert mit dem Goldenen Bären auf der Berlinale.

Trailer zu »Bad Luck Banging or Loony Porn«

Aber es ist Sommer. Und das ganze Pandemiezeug möchte man am liebsten ausblenden. Dafür reisen wir nach Frankreich und etwas in die Vergangenheit nämlich in den »Sommer 85«. François Ozon (»Gelobt sei Gott«) kehrt zu seinen Wurzeln zurück, also intimen Charakterstudien an französischen Stränden. Und vor allem zum LGBTQ-Bezug. Denn im Zentrum der Romanverfilmung stehen hier zwei Jugendliche, ihre Sommerliebe und all die Probleme, die sie bedrohen. Kein »Call Me By Your Name«-Abklatsch, sondern originalfranzösisches Kino. Aber vermutlich genau für die Fans desselben Gefühls.

Trailer zu »Sommer 85«

Etwas fieser? Gut, dann könnte vielleicht die folgende Perle aus der Schweiz. In der kleinen Komödie »Das Mädchen und die Spinne« geht es im Grunde um nicht viel, einfach nur um das Umziehen oder eben das Zurückbleiben in der jeweiligen Wohnung. Und die sich daraus bahnbrechende Chronologie von irrwitziger Destruktion. Schön skurril, bissig eloquent und still poetisch. In der Berlinale Encounters-Reihe ausgezeichnet für die Beste Regie und mit dem FIPRESCI-Preis der internationalen Presse.

Trailer zu »Das Mädchen und die Spinne«

Aber die meisten sind wohl hier nicht für irgendwelchen Arthousekrimskrams von den Kunstfestivals hier, sondern für die Oscarcontender. Beides lässt sich jedoch verbinden, und zwar in »Minari«. Lee Isaac Chungs Familiendrama rund um eine koreanisch stämmige Familie im Amerika der 80er besinnt sich ganz ruhig und behutsam auf die Wurzeln Amerikas zurück. Jacobs Familie, gespielt von Steven Yeun (»Burning«, »The Walking Dead«), versucht hier nämlich mit ehrlicher Landarbeit im neuen Land der Hoffnung dem amerikanischen Traum näher zu kommen. Ergo erwartet uns ein kleiner Film, indem es nicht um große Action geht, sondern um die wunderbaren kleinen Menschlichkeiten im Alltag. Von allen Seiten gerühmt, könnte das hier ziemlich sicher eines der großen Jahreshighlights werden. Youn Yuh-jung wurde nicht umsonst mit im Grunde allen wichtigen Filmpreisen ausgezeichnet, einschließlich BAFTA und Oscar.

Trailer zu »Minari«

Für einige auf der Welt und auch aus unser kleinen Runde dürfte aber »In The Heights« der heißerwartetste Leckerbissen sein. Eine richtige pralle Musicaladaption auf 143 Minuten für die große Leinwand. Ganz viel Tanzen, Singen und Gesellschaftsdynamiken. Ja, es ist nicht nur sinnlose Euphorie, was vermutlich auch die sagenhaften Kritiken erklärt. »Crazy Rich Asians«-Regisseur Jon M. Chu brennt hier ein gewaltiges Feuerwerk ab für DEN Sommerblockbuster des Jahres. Möglicherweise als doch sehenswert, TROTZ Musical.

Trailer zu »In The Heights«

Getanzt wird auch, zumindest zum Schluss, in »Der Rausch«. Thomas Vinterberg ist zurück. Nach »Die Jagd« hat der ehemalige Dogma95 Regisseur auch wieder Mads Mikkelsen (»Hannibal«) im Schlepptau, dessen darstellerische Leistung in diesem neuen Werk bereits vielfach gerühmt und prämiert wurde. Insgeamt darf sich »Der Rausch« bereits einer Vielzahl von Auszeichnungen erfreuen und konnte schließlich auch den Oscar abräumen. Und das, obowohl die dänische Satire mit der Prämisse einer Gruppe daueralkoholisierter Lehrer alles andere als der gewohnte Drink ist. Lustig trunken und doch mit einer bitterbösen Note auf der Zunge, den schmerzahft-tragischen Kater schon erwartend, tanzt sich der Film berauscht auf die Liste der heißerwartetsten Titel des Jahres.

Trailer zu »Der Rausch«

So, das waren jetzt alle schon ziemlich geile Sachen. Aber mein Highlight des Monats ist »The Green Knight«. David Lowery (»Ein Gauner und Gentleman«, »A Ghost Story«) kommt mit einer großen grimmigen Fantasyproduktion mit der cinematorischen Goldschmiede A24 im Rücken (»Waves«, »Uncut Gems«, »Der Leuchtturm«, »Midsommar«). Sagenhafte Bilder, Baumwesen, Zaubertiere, Riesen und Streitäxte. Und das ohne eine Buch- oder Videospielvorlage. Und dann der Cast. Der oscarnominierte Dev Patel (»David Copperfield«, »Slumdog Millionaire«), Oscarpreisträgerin Alicia Vikander (»The Danish Girl«, »Ex Machina«), Goldene-Schnecken-Preisträger Barry Keoghan (»The Killing of a Sacred Deer«, »Chernobyl«) und der immer gern gesehene Joel Edgerton (»Underground Railroad«, »It Comes at Night«). Dass es sowas überhaupt gibt, ist schon ein Wunder. Dass wir ihn diesen Monat auf der großen Leinwand sehen dürfen, ist einfach wunderbar.

Trailer zu »The Green Knight«

Aber wir wollen ja nicht nur den Namenhaften Chancen geben, sonder auch denen, die sich erst erproben müssen. Prano Bailey-Bond heißt die Filmemacherin, die sich gerade dabei ist mit ihrem Horrorgeheimtipp »Censor« einen Namen zu machen. Hierin geht es um eine Filmzensorin, die in einem zu sichtenden Film eine alte Bekannte entdecken zu glaubt, wodurch nach und nach ihre Realität zusammenzubrechen scheint. Fieser Psychoschocker in atmosphärischen Bildern. Für ein bisschen Kühle in den Adern bei der Sommerhitze.

Trailer zu »Censor«

Damit kommen wir vielleicht zu dem Titel des Monats. Goldener Löwe von Venedig. Hauptpreis von Toronto. Vier BAFTAS. Zwei Golden Globes. Drei Oscars. Einschließlich Bester Film, Beste Regie und Beste Hauptdarstellerin. Regisseurin Chloé Zhao (»Songs My Brother Taught Me«, »The Rider«) widmet sich hier in »Nomadland« modernen Nomaden und liefer so in atemberaubenden Bilder einen einfühlsamen Roadtrip durch das moderne Amerika. Von Wohnwagensiedlungen über Nationalparks bis ans Amazon-Fließband. Frances McDormand (»Fargo«, »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«) errung hiermit ihren dritten Oscar als Beste Hauptdarstellerin und konnte hiermit eines ihrer Herzenprojekte umsetzen. Ganz ganz heißer Favorit für den Film des Jahres.

Trailer zu »Nomadland«

Och nee Joris, nicht ins Kino. Da muss ich raus, da sind so viele Leute und ich muss Geld ausgeben. Gibt es da nicht sowas wie in den letzten Monaten fürs Sofa? Natürlich. Und zwar noch einen weiteren Favoriten für die Spitze der Jahresliste: »First Cow«. Kelly Reichardt ist schon seit Jahren als die wohl bedeutendste amerikanische Filmemacherin der Gegenwart etabliert. Dabei sind weder ihr Stil noch ihre Sujets besonders spektakulär. Naturausflüge, Hunde und jetzt eben Kühe. Beziehungsweise nur eine Kuh, die bildet das Zentrum in Reichardts intimer Anti-Western-Fabel im rauen Grün, jenseits von rauchenden Colts und kreisenden Lassos. Mit ihrem lakonischen Minimalismus öffnet die Regisseurin immer wieder Fenster zu Lebenswelten, die man kennt, aber doch übersieht. Sie bringt die nächste Nähe mit ihre humanistischen Poesie wieder zum Leuchten. Ein schlichter Glanz, der aber feiner funkelt als jeder Goldnugget.

Trailer zu »First Cow«

Das war’s auch schon. Eine ganze Menge, ich weiß. Vermutlich muss man sich genau entscheiden, worin man Zeit und Geld investiert. Aber so ist das: Der Ernst des Lebens geht wieder los. Es geht wieder um Leben und Kino.

Hochachtungsvoll

J.C., JFK-President

By JFK-President (Official)

Best Cinemamaster between Kopenhagen and Kleinwümmede

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