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Preview September

Nachdem im Juli und August der Karren randvoll mit allerlei Waren fernster Länder hinter Orient und Ozean war, lässt die September-Ladung geschmeidig in den Kofferraum wuchten. Diesmal auch wenig Exotik, wenig Kunstkino, viele weiße Männer in Action. Zumindest, wenn »The Painted Bird« wirklich nicht nach Hamburg kommen sollte. Dazu würde ich mich sonst nochmal melden. Aber auch ohne den tschechischen Leviathan, haben wir zwei Giganten in petto. Zwei Mal vier Buchstaben, beide Male an dritter Stelle ein N: »Dune« und »Bond«.

Zuvor bleiben wir aber in der unmittelbaren Realität. Es braucht nämlich gar nicht immer Weltraumkrieger und Superagenten. Manchmal braucht es auch nur einen einfachen Mann, den Bohrarbeiter Bill Baker. Wegen Mordverdachts wird seine Tochter während des Auslandstudiums in Südfrankreich inhaftiert. Als Bill nun deshalb nach Europa reist, muss der Amerikaner feststellen, dass die Sache komplizierter liegt als erhofft. Nicht nur wird der Justizfall immer auswegloser, vor allem verfängt sich Bill in einem ganz persönlichen Kampf um sein amerikanisches Heldentum. Ergo ist »Stillwater« kein bloßer »Taken«-Abklatsch, sondern durchaus auch eine kritische Reflexion des patostriefenden Man-on-a-Mission. Der auf einem echten Fall basierende Thriller wurde in Cannes extrem kontrovers aufgenommen, aber gerade das macht ihn nicht uninteressant. Zumal Regisseur Tom McCarthy mit seinem oscarprämierten Journalistendrama »Spotlight« mehr als überzeugen konnte. Außerdem scheint Matt Damon (»Bourne«-Reihe, »Good Will Hunting«, »Ocean’s«-Trilogie, prägnant erwähnt in »Team America: World Police«) endlich mal wieder richtig aufzudrehen.

Trailer zu »Stillwater«

Ziemlich einheitlich dürfte die Vorfreude auf »Dune« sein. Anfang September wird er in Venedig seine Weltpremiere feiern, aber die Zeichen könnten für die Neuverfilmung von Frank Herberts legendärem Sci-Fi-Roman kaum besser stehen. Nicht nur liest sich der Cast aus Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Josh Brolin, Zendaya, Javier Bardem, Chang Chen, Dave Bautista, Jason Momoa, Stellan Skarsgård und Charlotte Rampling wie ein Wunschzettel für Weihnachten und Geburtstag. Es sitzt vor allem Denis Villeneuve (»Arrival«, »Sicario«, »Prisoners«), Preisträger der Platinum Schnecke als Regisseur des Jahrzehnts, im Regiestuhl. Als Beigabe gibt es noch Bilder von Greg Fraiser (»Rogue One«, »Vice«) und Musik von Hans Zimmer (»Inception«, »Interstellar«, »The Dark Knight«), der für dieses Projekt Nolan die Zusammenarbeit für »Tenet« abgesagt hat. Obwohl »Dune« eine berüchtigte Herausforderung ist, stehen die Zeichen für den Film des Jahres also verdammt gut. Dennoch: obwohl das Epos über fürstliche Schlachten, Wüstenplaneten und riesige Sandwürmer sich über 155 erstreckt, ist es sogar nur die erste Hälfte der geplanten Endvision. Damit wir die Vollendung auch gefahrlos erhalten: Alle rein. Pflichtfilm wäre wohl noch untertrieben.

Trailer zu »Dune«

Aber schalten wir nochmal einen Gang runter. Sowohl Villeneuve als auch Herbert sind eher für verhaltenen Humor bekannt, weswegen eine Kontrastkomödie wohl ganz wohltuend sein sollte. Und genau das kann ich mit »Curveball« anbieten. Die deutsche Groteske erzählt von dem wahren Fall eines Asylbewerbers, der Anfang 2000 dem BND erzählt, er sei im Irak an der Herstellung von Anthrax beteiligt gewesen. Durch eine unglückliche Verkettung von Idiotie führt die haarsträubende Behauptung schließlich zum Einmarsch der USA in den Irak 2003. Schwarzhumorige Satire mit sehr viel trockener Lakonie. Definitiv nicht die üblich dröge deutsche Geschichtsstunde, sondern erin ziemlich vielversprechend schräger Spaß.

Trailer zu »Curveball«

Den Deutschen traut man keine Comedy zu? Na gut, dann vielleicht den Dänen. Die bewiesen ja nicht zuletzt mit »Adams Äpfel« oder »Dänische Delikatessen« ihr Talent für rabenschwärzeste Komik mit herzlicher Skurrilität. Der Regisseur der beiden Genannten, Anders Thomas Jensen, ist nun zurück und hat erneut Mads Mikkelsen im Gepäck. Dieser spiel in »Helden der Wahrscheinlichkeit« einen bärtigen Armeeveteran, der nun auf Rache für den Tod seiner Frau bei einem Anschlag sinnt. Unterstützung bekommt er dabei von einer bizarren Truppe Spinner und unscheinbarer Außenseiter, die ihn auf die Fährte einer üblen Bikergang bringen. Angenehm exzentrisch gelingt Jensen ein weiterer Hit in seiner Heimat, der auch im Rest der Welt überall bejubelt wird. Die Wahrscheinlichkeit für einen guten Abend scheint mir da sehr hoch.

Trailer zu »Helden der Wahrscheinlichkeit«

Genug gekichert, zurück zum Ernst. In »Schachnovelle« geht es um einen Wiener Anwalt, der 1938 vor den Nazis über den Atlantik in die Staaten fliehen will. Jedoch wird seine Frau von der Gestapo festgenommen, was den ihn in die Zwickmühle bringt, mit den Deutschen zu verhandeln. Er findet schließlich einen Ausweg zum gerechten Duell: Schach. Bevor nun jeder weiterscrollt Och nee, kein deutsches Nazidrama, sei erläutert, warum das Projekt so vielversprechend ist. Zum einen ist da das Ensemble, was mit Oliver Masucci (»Er ist wieder da«), Birgit Minichmayr (Preisträgerin der Goldenen Schnecke; »Alle anderen«, »Das weiße Band«) und Albrecht Schuch (»Berlin Alexanderplatz«, »Systemsprenger«) ziemlich beeindrucken kann. Zum anderen dient aber Stefan Zweigs gleichnamige Novelle als Vorlage. Nicht nur gilt Zweig als einer der bedeutendsten Literaten der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhundert. Seine Schriften dienten unter anderem als Vorlage für »Grand Budapest Hotel«, dessen Erzähler ihm nachempfunden ist. Und jene, die nach »Queen’s Gambit« Schachfans geworden sind, kommen vielleicht auch noch ihre Kosten. Wenn das keine matt-setzenden Argumente sind.

Trailer zu »Schachnovelle«

Wer wohl keine Argumente mehr braucht: Bond, James Bond. Endlos verschoben, soll er jetzt endlich am Monatsende in die Kinosäle kommen. Es dürfte klar sein, was einem erwartet. Atemberaubende Agentenaction, schöne Frauen, coole Sprüche. Jeder dürfte wohl schon vor Monaten, vielleicht Jahren entschieden haben, ob er mit will, also müssen gar nicht mehr viele Worte verloren werden. Entweder man ist geschüttelt oder gerührt. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass es endlich Zeit für »No Time to Die« ist.

Trailer zu »No Time To Die«

Für unseren einzigen Online-Start gehen wir auf einen ganz kleinen Maßstab zurück. In »Anne at 13,000 Ft.« geht es um den Alltag einer jungen Frau. Das wars auch schon. Der Film fängt den Stress, den Druck und die scheinbar simplen Herausforderungen des Lebens sehr genau und empathisch ein. Ein kleines, intimes Charakterporträt aus Kanada, dass mit seinen dynamischen Bildern und der herausragend authentischen Hauptdarstellerin beim Filmfestival von Toronto Kritiker und Publikum gleichermaßen für sich gewinnen konnte. Die bezaubernde Perle bringt uns MUBI zum Ende des Monats.

Trailer zu »Anne at 13,000 ft«

So, immerhin noch eine Frau in die Männerriege bekommen. Nichtsdestotrotz sollte wohl sowieso für jeden etwas dabei sein. Von Hochspannung bis Lachabend ist alles dabei, von Indie-Drama bis Blockbusterspektakel wird abgeliefert. »Dune« stellt wohl alle in den Schatten, aber der Rest muss sich nun auch nicht verstecken. Gebt vielleicht auch den deutschen Kandidaten bei Interesse mal eine Chance. Mehr bleibt auch gar nicht zu sagen, außer dass dies der letzte Monat sein wird, in dem der JFK-Präsident vollständig anwesend sein wird. Danach ist die Kompanie weitgehend auf sich gestellt. Aber keine Angst: die Monatsabrisse werden weiter professionel geliefert. Denn wie ich aus jahrelangem Battlerapstudium gelernt habe: auf die Delivery kommt es an.

By JFK-President (Official)

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