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Preview Januar

2021. Der JFK erweiterte sich, lud haufenweise Gäste ein, bekam einen eigenen Letterboxd-Account, Werbespots und Sticker. Gleichwohl hat sich die Struktur zerschlagen, in alle Ortschaften und Bundesländer zerstreut. Nach allen versuchen des Bildungsbeauftragten sind Disneyprodukte dennoch hochfrequentiert und höchstbewertet. Meisterwerke werden mit leeren Blicken abgewunken, brandneue Firmen-Werbespots lassen nicht einmal mehr letzte Nervenenden zucken. Ist die Klimax überschritten? Kommen jetzt die unangenehmen letzten Staffeln? Wird der JFK zu »How I Met Your GTA-Steffi«? Es nähert sich ein Schnitter, der heißt Tod, doch 2022 hat eine Waffe zur Verteidigung in der Hand bereit gezückt: ein Januar, der überragender kaum sein könnte.

Und es fängt direkt schon mit einem vielerwarteten Highlight an: »Lamb« wird gleich zu Monatsbeginn im Scala blöken. Die isländische A24-Produktion (das Studio hinter »Midsommar«, »The Green Knight«, »Der Leuchtturm«) konnte auf allerlei Festivals für Aufregung sorgen mit seiner skurrilen Mystery-Horror-Familiendrama Mischung rund um Mutterschaf(t) in den endlosen nordischen Weiten. Eine exzentrische Entdeckung, die sicher für allerlei Gesprächsstoff und mögliche Insider für die Zukunft sorgen könnte.

Ebenfalls schräg, aber mediterraner wird es in »Bad Tales«. Zwar wird es hier wohl nicht so übernatürlich, aber manchmal reicht ja schon der Irrsinn der Realität. Dieser scheint in einer Vorotsiedlung Roms langsam überzukochen, wodurch die friedliche Familienglückfassade der Kleinbürger endgültig zu zerbrechen droht. Eine düster-absurde, tief in Fleisch schneidende Ensemblesatire aus Italien. Die regieführenden Brüder konnten mit ihrem ausgefallenen Drehbuch damals auf der Berlinale einen Silbernen Bären gewinnen.

Aus irgendeinem Grund hat es bei »Benedetta« null gefunkt, aber Baumannconsulting fährt nochmal die ultimative Marketing-Waffe auf: SEX. Aber etwas komplizierter. Nein, nicht mit Autos. »Pleasure« befasst sich nämlich mit der Pornobranche. Eine junge Schwedin möchte nämlich in dieser Industrie ein großer Star werden. Doch obwohl dort viel geschleckt wird, ist es eben nicht nur Zucker und die Welt zwischen Bett und Kamera offenbart sich als nicht nur rosig. Das clevere röntgent einmal die moderne Porno-Industrie, also ein Thema, wie es kaum lebensnäher für die meisten BauCons-Mitarbeiter und -Aktionäre sein könnte. Und sollte jetzt jemand unter empörten Tränen das Male-Gaze-Argument in den Ring werfen: Mit Ninja Thyberg sitzt eine Frau im Regiestuhl. Was wollt ihr jetzt noch einwenden? Der Titel sagt schon, dass es ein vergnüglicher Genuss wird.

Wo wir gerade schon quasi bei Dirk Diggler waren: Der Regisseur vom JFK-Liebling »Boogie Nights«, dem wir unter anderem auch »Phantom Thread – Der seidene Faden« und »The Master« zu verdanken haben, ist zurück. Paul Thomas Anderson, der wohl bedeutendste Filmemacher der Gegenwart, der Kubrick unserer Zeit, schenkt uns nun »Licorice Pizza«. Der Film ist ausschließlich mit Höchstwertungen besprochen, sowohl bei Kritikern als auch Publikum, und das mit einer kleinen Teenie-Romanze im Kalifornien der 70er. Die Besetzung weiß mit frischen und dennoch schon als Oscarfavoriten geltenden Gesichtern in den Hauptrollen sowie Legenden wie Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper und auch Benny Safdie. Musik dann auch noch von Jonny one and only Greenwood (»The Master«, »Der seidene Faden«, »The Power of the Dog«). Ich will ja niemanden überhypen, aber könnte wohl schon irgendwie ganz okay werden. Das Risiko sollte man zumindest eingehen. Aktuell gibt es jedenfalls für mich persönlich kein Film auf den ich mich mehr freue.

Wobei ich mich selbstverständlich auch wie Bolle auf »Nightmare Alley« freue, machen wir uns doch nichts vor. Oscargewinner Guillermo del Toro (»Shape of Water«, »Pans Labyrinth«) hat sich einen bereits klassisch verfilmten Roman geschnappt und erzählt den finsteren Thriller über Wahnsinn und Varieté nun in aller Breite neu. Visuell bestimmt einer der opulentesten Filme des Jahres. Auch die Besetzung weiß mit Cate Blanchett, Rooney Mara, Toni Collette, Willem Dafoe und Bradley Cooper düster zu glänzen. Letzterer ist hier übrigens genau wie in »Licorice Pizza« für Leonardo DiCaprio eingesprungen. Del Toro ist leider kein ganz risikofreier Name, daher möchte ich nicht zu viel Hype schüren, aber eine Karte für diesen Jahrmarkt möchte ich doch unbedingt lösen. Gott, liebe ich Rooney Mara.

So startet man doch gerne ins neue Jahr, oder? Seltsames und Klassisches, Sommer und Winter, Hollywood und Arthouse. Nicht zu viel, aber dafür gutes Zeug. Denn das K in Zweitausendzweiundzwanzik steht für Kuratieren. Vielleicht war es das URATIEREN in JFK. Jedenfalls hofft Baumannconsulting, hoffe ich, hofft ein nennenswerter Teil der Teslafahrer im Landkreis Lüneburg, dass jedes Tierchen sein oder zumindest ein Pläsierchen findet. Und vielleicht gibt es ja sogar gleich schon Jahreshighlights.

Apropos, eine Erinnerung: Die Nominierungsphase für die Goldenen Luxusburger läuft direkt ab dem 3.1. bis zum 5.1. 12:00 laufen, die Gewinnerwahl dann bis zum 6.1. 18:00, die Verleihung am 7.1. Sehr würden wir uns freuen, wenn auch Sie sich beteiligen, auch wenn Sie nur wenige Filme gesehen haben. Demokratie ist auch für Nutzlose da.

Mit diesen Worten, die uns wohl doch alle in diesen Zeiten nachdenklich stimmen dürften, wünsche ich einen guten Rutsch auf der billigen Plastikwasserplane des Lebens.

Bewegt (Rollen am Stuhl)

Ihr JFK-Präsident

By JFK-President (Official)

Best Cinemamaster between Kopenhagen and Kleinwümmede

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