Categories
Preview

Preview Mai

Während draußen ein Trommelfeuer von Regen auf mein Fensterbrett drischt, so ist doch eigentlich die Sonne über unserer Hemisphäre aufgegangen. Kurze Hosen werden von Sommerkleiderschößen umwuselt, grünes Gras wird braungebruzelt, Studenten quellen wie Qualquappennester über die Parkflächen unserer Innenstädte. Aber sind wir einmal ehrlich: Was kümmert uns das? Im aklimatisierten Dunkel unseres samtenen Kinosaals schlürfen wir an unserem ASTOR-Begrüßungsdrink und lachen mit vom Luxus prickelnden Lippen über das orientierungslose Völkchen unter dem Feuerball da draußen. Doch dicke Feuerbälle bekommen wir auch auf unserer Leinwand:

Während ihr schon letzten Monat die Abenteuer eines Stuntmans in »The Fall Guy« bestaunt habt, gibt es diesen Monat einen Film, der ein Meisterklassenprodukt dieser Zunft sein wird: »Furiosa« setzt George Millers Action-Saga »Mad Max« fort, diesmal ohne den wilden max in der Mitte, sondern eben die Rebellin, die wir in »Fury Road« kennenlernten. In ihrer Vorgeschichte wird der Outlaw jedoch nicht erneut von Charlize Theron gespielt, sondern diesmal von Anya Taylor-Joy (»Emma.«, »The VVitch«, »Queen’s Gambit«). An ihrer Seite rasen zudem Chris Hemsworth (»Avengers«, »Extraction«) und Tom Burke (»Living«, »The Souvenir«) durch die postapokalyptische Wüste. Alle haben coole Vehikel und sonst nichts zu verlieren außer die Aussicht auf die Macht in der Kriegsfürsten-Einöde. Um es mit »Fire Walk with Me« zu sagen: Let’s Rock! Am besten auf großer Leinwand mit FETTEM Soundsystem. Die Sitze müssen wieder vibrieren.

Der nächste fette Film ist wohl vom Tempo eher das Gegenteil. Denn Nuri Bilge Ceylan ist nun einmal als der große Romancier des türkischen Kinos bekannt und seine Werke sind entsprechend wortreich. Jedoch ist besonders sein neuer Film »Auf trockenen Gräsern« gar nicht so sperrig, sein wohl am wenigsten radikaler bislang. Denn das Drama ist ziemlich spannend und wendungsreich. Etwas stimmt nämlich nicht in dem schneeverwehten Dorf, in das der Lehrer Samet zurückkehrt. Vielleicht ist es auch nicht die zerklüftete Gemeinde, sondern er. Jedenfalls entsteht durch die Unzufriedenheit miteinander Reibung. Zwischen ihm und den Schülern, zwischen alten Freunden, zwischen neuen Affären. Doch die allgemeine Festgefahrenheit des Kaffs scheint auch keinen Ausweg zuzulassen. Bis ein junges Mädchen eine Anschuldigung erhebt. Dieses junge Mädchen ist nur eine großartige Darstellerin in diesem großartigen Ensemble, dass drei Nominierungen bei den Goldenen Schnecken erhielt und eine Auszeichnung in Cannes abgreifen konnte. Ihr Schauspiel und die malerisch weiten Bilder machen diesen zugegebenermaßen langen Film zu einem fesselnden Vexierspiel von Machtspielen, Intrigen und der Suche nach etwas menschlichen Glück in bitterster Kälte. Ich habe den Film bei der letzten Viennale als letzten Film von fünf an dem Tag gesehen und ich wurde nicht umgewalzt, sondern war vollkommen belebt und erfrischt, weil dieses große Werk sich so vollständig, so makellos, so lückenlos erzählt, dass es sich wie die Entdeckung eines Klassikers anfühlte. Ich stand an der U-Bahn-Station und dachte: Ja Mann, das war Kino, in wie ich es mich damals verliebt habe.

Etwas plättender war der ebenfalls sehr lange neue Film von Radu Jude, der an dem Tag ebenfalls der letzte nach einem langen Tag war. Nach seinem Berlinalegewinner »Bad Luck Banging or Loony Porn« ist der wahnwitizige rumänische Satiriker zurück mit einem weiteren wortreichen Titel: »Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt«, der auch sein mit fast drei Stunden dickster Film ist. Und einer seiner besten. Ganz kurz: Eine Frau fährt durch Bukarest und castet invalide Arbeiter*innen für ein Unternehmens-Werbevideo. Was es kompliziert macht: All das Drumherum. Rumänische Taxifilmklassiker, Andrew-Tate-Parodie-TikToks, Landstraßenunfallgräbercollagen, Rückbanksex, ein Uwe-Boll-Cameo. Ich habe mal versucht, zu ordnen, was da grob los ist, aber letztendlich muss man es wohl selber entdecken. Und selbst dann ist es noch unfassbar. Unfassbar witzig, unfassbar albtraumhaft und eben doch ganz banal nebenan. Der Ostblock halt.

Den bekommt ihr leider nur auf MUBI, nicht auf der Gartenbaukinoleinwand, sorry. Aber gemeinsam online können wir »Are You There God? It’s Me, Margaret« gucken. Was ganz Harmloses: die kleine Coming-of-Age-Geschichte einer 11-Jährigen in einem US-Vorort, in den Rachel McAdamas (»Mean Girls«, »Wie ein einziger Tag«, »Spotlight«) mit ihrer Tochter zieht. Kathy Bates (»Titanic«, »Der Fall Richard Jewell«) und Benny Safdie (»Oppenheimer«, »Licorice Pizza«) schauen auch nochmal rein. Großer Kritikerliebling, warmherzig, eloquent und erfrischend. Und auch unter drei, sogar unter zwei Stunden.

Für unseren letzten Film gehen wir nochmal zurück auf die Leinwand, obwohl er von Netflix ist. Denn endlich kommt »May December« nach Deutschland. Ich hatte dieses kleine Meisterwerk schon einmal letztes Jahr angekündigt und jetzt auch eine jubelnde Kritik geschrieben, aber nochmal kurz: Natalie Portman (»Léon der Profi«, »Star Wars I-III«) spielt eine Schauspielerin, die eine Boulevardpresse-Legende in einer kommenden Produktion verkörpern soll. Jene berüchtigte Legende ist Julianne Moore (»Boogie Nights«, »The Big Lebowski«) , deren Figur mit einem Schuljungen eine Affäre hatte, schwanger von ihm ins Gefängnis ging und nun seit Jahren mit ihm zusammenlebt, obwohl er altersmäßig ihr Sohn sein könnte. Aiaiai. Herrlich unangenehm seziert Todd Haynes (»Carol«, »Dark Waters«) in dieser Psychodrama-Komödie die überspannten Heuchler der amerikanischen High Society, hat aber bei aller Befremdung auch viel Mitleid mit diesen armen, kapriziösen Seelen. Nicht warten, bis er ins Streaming kommt, sondern auf großer Leinwand die kleinen fiesen Details genießen!

Nicht viele Filme, aber toller Monat, muss ich sagen! Es kommt auch nochmal »Robot Dreams«, den aber die meisten auch schon gesehen haben, aber kann man den vielleicht besten Animationsfilm des Jahres nicht nochmal schauen? Jedenfalls gibt es genügend Gründe zur Flcuht aus dem Sonnenlicht, fort vom Pesthauch der schwülen Schweißluft. Bah. Da lob ich mir doch den Geruch des Scala-Popcorns!

Hochachtungsvoll von der Ostfront, nahe beim Mittelmeer (fast)

Euer JFK-President

Categories
Movie Upcoming

»Furiosa«

In theatres 23rd of May | @Savoy


Als die Welt untergeht, wird die junge Furiosa vom Grünen Ort der vielen Mütter entführt und fällt in die Hände einer großen Bikerhorde unter der Führung des Warlords Dementus. Bei ihrem Streifzug durch das Ödland stoßen sie auf die Zitadelle, die vom Immortan Joe beherrscht wird. Während die beiden Tyrannen um die Vorherrschaft kämpfen, muss Furiosa viele Prüfungen überstehen, während sie die Mittel zusammenstellt, um ihren Weg nach Hause zu finden.

Warner Bros.
Joris (erkennbar am roten Bard) wird noch röter im Angesicht von Anya Taylor-Joy, weil sie seine Verrisse ihrer letzten Filme gesehen hat.
Categories
Movie Upcoming

»Auf trockenen Gräsern«

In theatres 16th of May | @Abaton


This is Ceylan at his most limber and mischievous, the filmmaking exhibiting a generosity and curiosity that belies the script’s defense of individualist, even isolationist, living, at whatever cost to one’s own happiness.

Guy Lodge in Variety
O.B.C.-Media-Drehort-Suche bei der Barendorfer Kiesgrube
Categories
Movie Upcoming

»Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt«

Streamable on MUBI 3rd of May | @JFK-Plaza


Noch mehr als vorher geht es diesmal in die Welt von Film und Medien. Angela hält sich mit Gelegenheitsarbeiten in diesem Business über Wasser und ist mehr oder weniger das Mädchen für alles. Ein österreichisches Unternehmen dreht einen Imagefilm für seinen rumänischen Zweig und sie soll nun invalide Opfer der rabiaten Sparpolitik finden, damit diese für einen kleinen Obolus vor der Kamera ihre Kollegen zur größeren Vorsicht ermahnen. Die Devise: Immer Helme tragen! Egal woran man erwischt wurde. Angela nimmt den Zynismus ihres Jobs hin und entlädt die Aggressionen von Ausbeuterei und städtischem Stau in viralen TikToks, in denen sie als Andrew-Tate-Verschnitt vom hypermaskulin-asozialen Lifestyle eines Erfolg-Machos erzählt.

Joris Coerdt on Letterboxd
Leuphana Proseminar Audimax-Architektur als Hybrid-Veranstaltung
Categories
Movie Upcoming

»Are You There God? It’s Me, Margaret«

Streamable on Netflix | @JFK-Plaza


Craig’s spin on Blume’s classic is just as exhilarating as her debut film “The Edge of Seventeen.” Her deep respect for the foibles of girldom and her emotionally intelligent exploration of prickly family dynamics make her a perfect match for the material, and elevates Are You There God? It’s Me, Margaret far above most modern films that attempt to tackle similar material.

Marya E. Gates in RogerEbert.com
Julianne Moore und Nathalie Portman bestaunen die haushohe Torte, die sie zusammen mit Jasmin gebacken haben. Letztere verziert noch an der Spitze in 14 Metern Höhe.
Categories
Preview

Preview April

Werte Aktionäre,

Avril est venu, Lila kräuselt sich im Betongrün meines Wohnheim-Campus. Während ich durch ein etwas weniger zerfrorenes Wien wanke und dem Sonnenblitzen mit Vampirfauchen, den Kopf in den Fledermausmantel gesteckt, entfliehen zu suche, bleibt Norddeutschland verlässlich stramm verdröbbelt. Oder? Ganz gleich, es lockt einen raus, aber mit dem Bedürfnis, noch etwas Sicherheit zum Rückzug zu haben. Und welche Lichtsamtfalle wartet da mit Wärme, Dach und Zuckerduft auf unsere klammen Knochen? Sie hat viele Namen: Savo, Scala, Filmpalast, Studio, Abaton. Sucht es euch aus. Verteilt sind die vielen Titel dieses ersten vollen Frühlingsmonats nämlich vermutlich quer durch die Bank. Aber wir sind ja auch verstreut, also perfekt vorbereitet.

Der erste Titel kommt sogar aus meiner Hood, zumindest fast: »Andrea lässt sich scheiden« spielt nicht in Wien, sondern in der breitakzentigen Provinz, aber dem Österreicher glüht das Herzle dadurch nicht minder. Der gute Josef Hader (»Wilde Maus«, »Der Knochenmann«) ist zurück und landet erneut eine knochentrockene Komödie in typischen Österreicher-Stil: Tod, Suff und Hoffnungslosigkeit, ohne das man sich davon groß aus der Ruhe bringen lassen würde. Goldene-Schnecken-Gewinnerin Birgit Minichmayr (»Nur Gott kann mich richten«, »3 Tage in Quiberon«) überfährt versehentlich des Nachts auf der Landstraße ihren werdenden Ex-Mann, schafft es aber nach Fahrerflucht nicht mit dem Vorfall in Verbindung gebracht zu werden. Stattdessen sind ihre Kollegen auf dem Revier sicher, dass es der depressive, schwer alkoholkranke Religionslehrer der Gemeinde war, der auch selbst von seiner Schuld überzeugt ist. Lakonisch verkörpert von Hader selbst. In einer köstlichen Nebenrolle Thomas Schubert (»Roter Himmel«), in den ich paar Tage vor der Premiere in Berlin fast auf dem U-Banh-Gleis reingerannt bin. Ist keine deutsche Komödie, also gelten alle Vorurteile nicht. Hatte – wie der ganze Zoopalast – sehr viel Spaß in Berlin.

»Io Capitano« hat wohl nicht in dem Sinne Spaß gemacht für die meisten, wurde aber nichtsdestotrotz auf den Festivals der Welt gefeiert und nicht nur in Venedig auch prämiert. Matteo Garrone (»Gomorrah«, »Dogman«, »Das Märchen der Märchen«) hat diesmal weder Gangster- noch Märchenfilm gemacht, sondern einen über die Flüchtlingskrise. Und reist dafür in die Wüste. Er begleitet den jungen Seydou und seinen Cousin auf ihrer Irrfahrt von Dakar nach Europa, durch die engen Staus in Libyen und die erstickende Weite des Mittelmeers. Mit viel dokumentarischem wie magischem Realismus erzählt Garrone eine homerische Odyssee in unserer unmittelbaren Gegenwart. Definitiv einer der großen, wichtigen Titel diesen Monat.

Ein paar Titel lasse ich diesen Monat raus, weil die wohl nur in meiner Ecke des Pools schwimmen, dafür keschere ich im Gegenzug zwei Titel für euch ran, die mich so gar nicht jucken:

Zum einen ist da »Monkey Man« mit Dev Patel (»The Green Knight«, »Slumdog Millionaire«, »David Copperfield«). Produziert von Jordan Peele wird hier eine Art indischer John Wick zwischen blutigen Fight Clubs und korrumpierten Hochhauseliten  erzählt. Wirkt sehr stylisch, könnte Spaß machen, aber auch viel Blödelei auf zwei Stunden kloppen. Hat für mich gelinde gesagt keine Priorität. Aber wenn man mal ‘nen Abend frei hat…

Selbst wenn ich eine Woche lang nichts zu tun hätte, würde ich nicht in den neuen Guadagnino (»Suspiria«, »Bones & All«, »Call me by your name«) gehen. Aber ich schätze, ihr wollte »Challengers« gucken. Ein sexy Tennisdrama im gemischten Liebesdreieck-Doppel rund um eine arrogant über die Sonnenbrille lukende Zendaya (»Dune«, »Euphoria«, »Spiderman«). Sieht bestimmt wieder auch abseits der athletischen Sternchenkörper toll aus, aber nach drei Fiaskos muss ich mir nicht nochmal eitle Hochglanz-Kunstscheiße vom Breitbartitaliener antun. Ich kann euch aber wohl auch nicht aufhalten…

Nicht großartig wird vermutlich auch »The Fall Guy« werden, dennoch hab ich da schon mehr Bock drauf. Ryan Gosling (»La La Land«, »Barbie«, »Drive«) erlebt explosive Abenteuer als Stuntman mit Namen Colt Seavers und lässt sich auch nicht von noch so krassen Unfällen aufhalten. David Ehrlich von IndieWire kann es selbst nicht fassen, dass er mal einen David-Leitch-Film (»Bullet Train«, »Deadpool 2«, »Fast & Furious: Hobbs & Shaw«) mag, aber selbst er kann sich nicht wehren. Und als Bonus gibt es im Ensemble noch Emily Blunt (»Der Teufel trägt Prada«, »A Quiet Place«, »Oppenheimer«), Stephanie Hsu (»Everything Everywhere All at Once«, »Joy Ride«) und Aaron Taylor-Johnson (»Bullet Train«) oben drauf. Action-Abenteuer-Comedy für die laute Leinwand.

Für die ganze leise Leinwand gibt es Neues von Ryūsuke Hamaguchi (»Drive My Car«, »Das Glücksrad«): »Evil Does Not Exist« erzählt von einer kleinen japanischen Gemeinde am japanischen Winterwald, denen nun ein Unternehmen ein Touristen-Projekt vor die Haustür bauen will. Zwei Marketing-Fuzzis müssen den Clash mit dem Biosystem verargumentieren, doch ein Holzfällervater hat mit seiner Tochter ganz andere Sorgen. Mit viel Lyrik komponiert Hamaguchi hier einen eigentlich fragilen Film, der lange schweigt und über die Natur staunt, dann wieder wie gewohnt viel im Auto diskutiert, fast radikaler noch als bei seinem Tschechow-Film. Doch die Atmosphäre ist so dicht, dass man in dieser malerischen Studie von Natur und Gemeinschaft sofort einsinkt. Hamaguchi zeigt hier, was für ein brilannter Regisseur ist, nicht nur Autor, traut sich ganz unauffällig über ein sublimes Charakterdrama immer tiefer in ein Mystery-Enigma vor. Bei der Vienalle war nach dem Ende lärmendes Getuschel. Und völlig überforderte Fragen beim Q&A. Großer Sport.

Überforderung gab es auf der Viennale auch beim Q&A zu »Eureka«, wo Regisseur Lisandro Alonso völlig überdreht vom Flug aus Argentinien anfing, das Publikum für lasche Fragen und brüchiges Englisch zu kritisieren. Der Film selbst ist das Gegenteil zu seinem feurigen Regisseur, der beim Abspann im Projektorlicht tanzte: Alonso macht Hardcore-Arthouse-Slow-Cinema, aber der hier ist so kauzig, dass er ein guter Einstieg ist. Trotz seiner Länge. Es fängt als eine Art lakonische, jedoch sehr brutale Antiwestern-Parodie à la »Dead Man« an, wird dann ein schlafwandelnder »Fargo«-Verschnitt mit schweren Depressionen, um final dann zu einem halluzinatorischen Dschungeltrip zur Erleuchtung zu werden, der auch einen Apichatpong Weerasethakul staunen machen dürfte. Ich hatte einen unglaublichen Kinoabend, nicht nur wegen des großen Geister-Vogels. Und dem Q&A. Naja.

Viel besser war damals das Q&A mit Alice Rohrwacher, die leider nur per Zoom zugeschaltet war. Dennoch ein herzlicher Sonnenschein sondergleichen. Ihr neuer Film »La Chimera« ist aus ihrer Filmografie bislang der, den ich am wenigsten mochte, jedoch ist diese volkstümliche Ballade über einen Meister-Grabräuber glaube ich ein guter Zugang zu ihrem rusikalen Kosmos. Magischer Realismus im Gegenwartsitalien, viel Filmkorn, noch mehr Menschen und unerwartet viel Gesang. Wer aus dem Adventskalender »Le pupille« mochte oder schon immer »Glücklich wie Lazzaro« sehen wollte, findet hier einen optimalen Schwesterfilm.

Nicht gesehen und auch fast nicht gelesen habe ich über »Irdische Verse«, jedoch wollte ich das neue Werk von Ali Alisgari in die Preview aufnehmen. Zumal das iranische Kino beim JFK ja Tradition hat. Wobei es diesmal kein Killer-Thriller wie der bejubelte »Holy Spider« letztes Jahr und auch kein reines Moraldrama ist, sondern ein finster-satirischer Episodenfilm über das kruder Bürokratiesystem des Irans. Dessen Zuständigkeitsbereich erstreckt sich nicht nur über die klassischen Formalia, sondern auch bis hin zu Kindernamen, Modezweifeln oder entführten Hunden. Würde ich mir auch gerne ansehen, auch wenn der Iran in Deutschland immer stabiler als in Österreich vertreten ist… Geht für mich rein!

Horror dürfte dafür überall laufen. Nur braucht er manchmal, bis er zu uns kommt. »Cobweb« wurde schon vor Monaten von Red Letter Media empfohlen, aber erst jetzt kommt er zu uns. Als »Knock Knock Knock«. Wie griffig. Und deutsch. Naja, immerhin deutet es auf das hin, worum es geht. Denn hier ist etwas in den Wänden. Oder jemand. Was wäre beunruhigender? Kleiner, fieser, unerwartet halluzinatorischer Schockerstreifen, wo weniger im Vorfeld zu wissen wohl vorteilhaft ist. Dadurch zeichnen sich die besten Horrorfilme aber ja auch aus.

Nachdem wir nun in verschiedenste Genrenieschen getaucht sind, nehmen wir auch noch eine Doku mit. Denn »High & Low« ist noch nicht Spike Lees Kurosawa-Remake – bei dem war jetzt gerade erst Drehstart –, sondern ein Porträt des Modeschöpfer John Galliano. Eigentlich nicht so ganz mein Resort (keine Ahnung, ob es hier Fans gibt), aber nach der damals fulminanten Dokumentation zu Alexander McQueen scheint mir die Branche voll von furiosen wie tragischen Schicksalen zu sein. Und Galliano hatte wohl eines der wildesten in der Designergeschichte. Ich bin deswegen auf den Film gekommen, weil MUBI als Kinoverleih viel Werbung macht, was für mich erstmal ein nicht zu vernachlässigendes Zeichen ist. Zu Wort kommen unter anderem Naomi Campbell, Kate Moss, Penélope Cuz und Charlize Theron.

Als großes Finale der Film, auf den zumindest Lua sich glaube ich mit am meisten freut: A24s »Civil War« zeigt, was hoffentlich nicht nach der diesjährigen Wahl passiert [panisch-hysterisches Lachen]. Kirsten Dunst stolpert mit einer Kamera durch ein untergehendes Amerika und Regisseur Alex Garland (»Ex Machina«, »Annihilation«, »Men«) ballert fette Explosionen um sie herum. Sehr ambitioniertes Projekt. Vielleicht überambitioniert? Der JFK wird es initiativ herausfinden, denn genau wie die Journalisten im Film, lassen wir uns nichts vorschreiben. Liegen nur hoffentlich danach nicht am Boden des Kapitols.

Ihr seht: Wir haben im Grunde ALLES im Angebot, von Genregeblödel bis intellektgeladenster Kunst. Ich hoffe, für alle ist etwas dabei, sodass ich ein paar Einträge auf Letterboxd sehe.

Bis dahin

Euer JFK-President

P.S.: Lennart hat die Website repariert, yeah.

Categories
Preview

Preview März

Ich würde ja jetzt darüber reden, dass dieser Monat ein ziemlicher Premium-Monat wird, aber letzten Monat hat das auch nicht so recht gezogen. Drei JFK-Events, davon wiederum auch nur zwei aus der Preview. Uff, uff, uff, die Eisenbahn. Krankheit, Beruf und Ländergrenzen behalten die Oberhand im Ringen mit den cinematorischen Genüssen. Der Präsident ist abwesend als wäre er gerade durch Dallas gefahren. Geht es noch um Leben und Kino? Wird der JFK, mit Blick auf den Januar, ein Streaming-Club? Oder behält er seine Tradition, die Kinder von den Sofas aufzuraffen, aus den Dörfern zu locken, von Angesicht zu Angesicht das Knie zu drücken und einander den Drachen erwachen zu lassen? Alles, was ich aktuell dazu tun kann, ist, euch die raffiniertesten Kinodelikatessen zu servieren. Und für März hab ich ordentlich was zum Schnabulieren.

Der erste Snack greift tief in die Geschichte des JFKs: Team Scala grüdnete sich damals, weil niemand außer ein mutiger Marcus mit dem traurigen Tropf Joris in den neuen Film der Coen-Brüder wollte. »Hail Caesar!« war der Grundstein aller Lüneburger Filmkultur, doch nicht nur diese norddeutsche Cinéphilie hat sich verändert, auch die Brüder haben sich getrennt. Joel konnte uns vor ein paar Jahren mit seiner Vision von »Macbeth« durch einen radikalen tonalen und stilistischen Wechsel begeistern, Ethan hingegen bleibt bei dem, womit sich das Duo einst etablierte: Schrägster, wildester und schmutzigster Humor. Sein »Drive-Away Dolls« ist ein kecker Gangsterstreifen, in dem zwei Freundinnen für ihren Mädelstrip unverhofft das falsche Auto schnappen. Denn das im Kofferraum gehört jemandem, der keinen Spaß versteht. Die Kritiker verstanden bei dem Film bislang mal mehr, mal weniger Spaß, fanden ihn mal zu campy, fand ihn mal genau richtig überdreht und hemmungslos. Klingt genau nach dem, was Margaret Qualley (»Once Upon a Time in Hollywood«, »Poor Things«) tragen kann. Nebenher hüpfen noch Beanie Feldstein (»Booksmart«), Pedro Pascal (»Massive Talent«, »The Last of Us«) und Matt Damon (»Good Will Hunting«, »Stillwater«, »Oppenheimer«) durchs Bild. Wohl kein Film zum großen Grübeln, aber genau das braucht man ja auch manchmal.

Etwas mehr wird das Hirn wohl bei »Dream Scenario« durchgeknetet, wobei es aber vielleicht nur noch aberwitziger und kruder wird. Kristoffer Borgli wurde nach »Sick of Myself« direkt von A24 nach Amerika geholt und hat Nicolas Cage in die Hände bekommen, um einen Gang höher zu schalten. Cage spielt hier nämlich einen eher unauffälligen Dozenten, der aber plötzlich im Traum diverser Leute aufploppt. Und plötzlich ist er berühmt. Nur warum genau? Und mit welchen Folgen? Lua hat dies schon erkundet und war begeistert. Er ist dabei nicht allein, speziell Cage wird für eine weitere Karrierebestleistung gefeiert. Es soll einer seiner (bewusst) witzigsten Filme sein, bei dem er mit aller Expressivität dem Affen mal so richtig Zucker geben darf. Und für alle, die in der Schule mal »Inception« gesehen haben und seit dem auf Mindfuck stehen, können jetzt auch endlich ihrer Jugendpassion weiter nachgehen.

Apropos Nolan: Ich weiß nicht warum, aber aus irgendeinem Grund wurde auch Kore-edas neuer Film »Die Unschuld« damals in Cannes mit Nolan verglichen. Etwas unerwartet bei dem Mann, den man für seine einfühlsamen Sozial-Familiendramen wie »Shoplifters« oder »Broker« kennt. Jedenfalls lieben die Leute den Film und haben ihn mit einer 4,3 von 5 in die Letterboxd Top 150 katapultiert. Auch in Cannes wurde wurde das Drehbuch ausgezeichnet, das die Geschichte einer Mutter erzählt, die vom Verhalten ihres Sohnes irritiert ist. Sie forscht nach und meint langsam zu entdecken, dass etwas in der Schule vorgefallen sein muss. Doch je mehr sie in die Vorfälle zwischen Eltern, Kinder, Lehrern und Schülern vordringt, umso mehr entfaltet sich das wahre Inferno. Sakura Andō gibt nach »Shoplifters« erneut die Mutter, Ryūichi Sakamoto eine seiner letzten Leinwandkompositionen. Definitiv eines der Highlights diesen Monat.

Für mich ein Highlight, vermutlich weniger für den Rest, wird wohl »Die Missetäter«. Ein 190 Minuten strammer argentinischer Slow-Cinema-Heistfilm. In Cannes war man noch mehr hin und weg als bei Kore-eda, vor allem, weil er so seltsam witzig in seiner Tragikomödie ist. MUBI bringt ihn in die Kinos, vermutlich ein kleiner Start also, aber die hartn JFK-Nerds kommen wohl nicht drum rum. Ich jedenfalls werde mir einen schönen, langen, langsamen Kinoabend gönnen.

Noch ein sperriger Kandidat: Die österreichische Feel-Bad-Cinema-Königin Jessica Hausner ist nach de JFK-Klassiker »Little Joe« zurück mit einer weiteren klinisch kühlen Studie der Menschen. In »Club Zero« gibt Mia Wasikowska (»Alice im Wunderland«, »Only Lovers Left Alive«) einen Ernährungskurs an einer britischen Eliteschule, jedoch mit etwas radikalen Methoden. Denn wer muss schon überhaupt was essen? Hausner entwickelt in ihren präzisen Bildern zwischen den gelbsten aller Sets eine Anatomie der Funktionsweise von Sekten und dringt mit ihrem verschrobenen Humor sowie ihrer chrirurgischen Schärfe tief in das Herz der Finsternis ein. Um die Überlebenden von damals gleich zu entwarnen: Es gibt diesmal richtige Musik, kein Kabuki, kein Hundebellen. Zumindest nicht nur. Denn die Filmmusik hatte ich letztes Jahr sogar für die Musik des Jahres bei den Goldenen Schnecken nominiert.

Ein seichteres Vergnügen wird wohl »Wicked Little Letters«, wenn auch ein pikantes. Im England der 1920er erhält eine erzkonservative Nachbarschaft auf einmal schutzige kleine Briefchen voller Anzüglichkeiten. Ein Skandal! Die Verdächtige: die aufmüpfige rothaarige Irin, der man ja eh noch nie so recht getraut hatte. Aber ist sie wirklich die heimliche Provokateurin? Olivia Colman (»Frau im Dunkeln«, »The Favourite«, »The Father«) und Jessie Buckley (»I’m Thinking of Ending Things«, »Chernobyl«, »Fargo«) dürfen fuchsteufelswild fluchend richtig auf die Kacke hauen, Timothy Spall, Gemma Jones und Eileen Atkins ergänzen das erregte Ensemble. Womöglich etwas albern, zumal in der unerträglich wirkenden deutschen Synchro, aber ich weiß, dass einige Bock haben. Gönnt es euch.

Hoffentlich finden einige dieser Kinoevents wirklich statt. Mit mehr Sicherheit wird es im März aber Filmtagebucheinträge geben durch die Online-Starts, wo wir diesmal auch wieder einige haben. Denn Amazon hat eklatanterweise zwei fette Shadow-Drops gemacht:

Zum einen ist jetzt schon Oscarkandidat »American Fiction« auf Prime streambar. Darin versucht Jeffrey Wright (»Westworld«, »No Time to Die«, »Broken Flowers«) seine Frustration als anspruchsvoller, aber erfolgloser Autor zu lösen, indem er so tut, als wäre er ein schwarzer Autor mit Street-Credibility. Und als schreibender Gangster hat er auf einmal Riesenerfolg. Ein sehr aktuelles Thema über die perfiden Festlegungen von Race in der Literatur sowie die Doppelbödigkeit von White und Black Gaze. Eloquent und politisch gewann die Satire den Publikumspreis in Toronto und vermutlich auch bald einige Genusspunkte.

Gemischter kam in Venedig damals »Ferrari« von Michael Mann an. Das Comeback des Actionmeisters (»Heat«, »Thief«, »Collateral«) legt die energetischen Autorennen im Schoße Italiens neben ein ziemlich tiefgehendes Ehedrama rund um Enzo Ferrari und seine Frau Laura im Schatten ihres jüngst verstorbenen Sohnes. Gerade Penélope Cruz (»Parallele Mütter«, »Fluch der Karibik«, »Der beste Film aller Zeiten«) ist furios in ihrer Bitterkeit, Adam Driver (»Marriage Story«, »Paterson«, »Annette«) ist massiv unter der Sonnenbrille, Shailene Woodley (»Big Little Lies«, »Dumb Money«) charmant am Rande. Trotz hoher handwerklicher Intensität konnte sich die Begeisterung des Rennsports nicht so richtig auf mich übersetzen, wohingegen sich Mann etwas zu sehr mitreißen lässt und so vom Charakterdrama etwas wegschaut. Dennoch ist es ein imposanter Streifen für die große Leinwand. Und nachdem »Le Mans 66« damals das große JFK-Astor-Event war, muss die Tradition hier weitergeführt werden. Wenn auch nur in den privaten Liegesitzen und dem hauseigenen Platzservice.

Viel ruhiger ist dahingehend auf Netflix »Spaceman« mit Adam Driver und Carey Mulligan. Die Ehe der beiden ist genau wie bei den Ferraris etwas angespannt, hier aber nicht wegen Autos und Nebenfrauen, sondern weil Adam für die tschechische Raumfahrt in den Tiefen des Alles verkrochen ist. Langsam fühlt er sich sehr einsam. Bis eine Alienspinne für therapeutische Gespräche auftaucht. Gesprochen von Paul Dano. Kein weltbewegender Film, aber entspannt, akustisch wie visuell sehr spährisch, mit einem tollen Sparks-Song im Abspann.

In dem Sinne verabschiede ich mich auch für diesen Monat mit einer Sparks Zeile, an meine wahre Geliebte, den JFK: My word, she’s from Germany. Well, it’s the same old country, but the people have changed. Jedoch nicht die Liebe zu den Kinos und Luxusburgern. Das sind immerhin die letzten Pfeiler der Demokratie und der Zivilisation wie Baumannconsulting sie vermarktet. My word, Germany
With its splendid castles and fine cuisine.

Ergebendst

Euer JFK-President

Categories
Movie Upcoming

»Spaceman«

Streamable right now | @Netflix


There’s great craft, impressive creature design, a lugubrious, eventually-soaring score by Max Richter, an excellent Paul Dano nailing the childlike tenor of his inquisitive creature, and low-key Adam Sandler sitting in the pocket, enjoying the chill ease of never overdoing it.

Rodrigo Perez in The Playlist
Spaceman und Spiderman in »Kindsköpfe 3«
Trailer zu »Spaceman«
Categories
Movie Upcoming

»Ferrari«

Streamable right now | @Prime


Ferrari is elegant and restless, with a sense throughout that something horrific might be lurking around each corner. And when the director straps his cameras on those cars and sends them on their way, the picture transforms into something more visceral and chaotic, a fever dream (or maybe a nightmare) of speed and smoke.

Bilge Ebiri in Vulture
Joris stellt Fremden den JFK vor.
Trailer zu »Ferrari«
Categories
Movie Upcoming

»American Fiction«

Streamable right now | @Prime


With American Fiction, Cord Jefferson crafts a hilarious and withering satire about an African American novelist chafing against an industry that limits Black storytelling to trauma and poverty narratives.

Radheyan Simonpillai in The Guardian
Leuphana-Student, der morgen Bachelorarbeitabgabe hat und jetzt langsam mit Literatur-Recherche anfangen muss
Trailer zu »American Fiction«