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Preview Juli

Endlich. Ja, diesmal wirklich. Kino geht wieder los. In echt. Live, in Farbe und in HD. Zum Anfassen. Und Sehen. Und Hören, Riechen und Schmecken. Wirklich wahr. Selbstverständlich powered by Baumannconsulting. Starten wir direkt rein, denn zur Auferstehung wird nicht gekleckert sondern so richtig rangeklotzt. Da ist für jeden was dabei, jedes Genre, jede Größe. Zumindest fast. Aber eben irgendwie schon. Also: PAR-TIS-SE-MENT!

Schon im Juni startet offiziell »A Quiet Place Part II«, aber wir zählen ihn dennoch einfach mal für diesen Monat. Wer den Vorgänger kennt, was wohl ratsam wäre, weiß, worum es geht: Alieninvasion, aber die mörderischen Besucher sind Blind, können dafür aber verdammt gut hören. Diesmal geht es von der Familienfarm raus in die postapokalyptischen Weiten und der Horror-Suspense bekommt einen Zacken mehr Action und härtere Survivaldynamik. In der Hauptrolle kämpft sich wieder Emily Blunt (»Sicario«, »Der Teufel trägt Prada«) durch, diesmal bekommt sie aber auch noch Cillian Murphy (»28 Days Later«, »Batman Begins«) gegenübergestellt. Einer der großen Genreblockbuster des Jahres, sowohl bei Kritik als auch Publikum jetzt schon ein Liebling.

Trailer zu »A Quiet Place Part II«

Für die Liebhaber des Unhemlichen gibt es gleich noch mehr Horrorstreifen. Von dystopischer Versteckspielaction gehen wir aber nun in düsterere Gefilde: In den Menschen selbst. »Possessor« vom Cronenberg Sprößling Brandon konnte letztes Jahr einen kleinen Hype als Geheimtipp aufbauen. Über Hirnimplantate werden hier Auftragsmorde begangen, ergo wird es schön blutig und abgedreht. Für alle mit härteren Nerven, aber vor allem auch die, die mal einen etwas anderen Schocker erleben wollen. Mit Christopher Abbott (»It comes at night«, »Girls«), Jennifer Jason Leigh (»eXistenZ«, »The Hateful 8«) und Sean Bean (»Herr der Ringe«, »Game of Thrones«).

Trailer zu »Possessor«

Etwas normaler aber ebenfalls spannend wir es in »Der Spion«. Benedict Cumberbatch (»Sherlock«, »Doctor Strange«) wird hier in eine tatsächlich geschehene Spionageintrige während der Kubakrise geworfen. Klassisches Agententhrillerkino aus Großbritannien, dass vermutlich eher für die atemberaubende wahre Geschichte als für spektakuläres, aber durchaus solides Handwerk interessant. Neben Cumberbatch ist außerdem noch Jessie Buckley (»I’m Thinking of Ending Things«) dabei.

Trailer zu »Der Spion«

Wem das aber für politisches Kino zu brav ist, für den dürfte »Judas and the Black Messiah« was sein. Hiermit geht es auf die Straße. Der transportiert uns nämlich ins Jahr 1969 zu den Black Panthern und einen der geschichtsträchtigsten Attentate in der Historie der Bewegung. Ein wütender, energetischer Politthriller, der nicht zuletzt bei den Oscars ordentlich für Furore sorgte. Dort konnte er sogar zwei Preise abräumen. Einen für den besten Song, der nur ein Teil der oft als besten Soundtrack des letzten Jahres besprochenen Filmmusik ist. Einen weiteren für Daniel Kaluuya (»Get Out«), wobei auch sein ebenso gefeierter Ko-Darsteller LaKeith Stanfield (»Get Out«, »Uncut Gems«) eine Nominierung erhielt. Außerdem mit von der Partie: Jesse Plemons (»I’m Thinking of Ending Things«, »The Master«, »Breaking Bad«).

Trailer zu »Judas and the Black Messiah«

Amis, Amis, Amis. Zukunft und Vergangenheit. Für die konkrete Gegenwart müssen wir nach Rumänien zu »Bad Luck Banging or Loony Porn«. Dort geht es nämlich ganz direkt um die Coronapandemie und die Handhabe durch die rumänische Regierung. Regisseur Radu Jude (Goldener Schnecken Gewinner für »Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen«) nimmt sich hier allem an. Spießbürgern, Rechtsnationalen, Militaristen, Korrupten, Klerikalen. Ein Rundumschlag, der seine Ziele mit voller satirischer Härte zerstückelt. Experimentiertfreudig gemischt mit dokumentaristischen, essayistischen und, na ja, pornographischen Einflüssen. Ein durchaus surrealistischer Spaß, aber mit brennender Aktualität. Prämiert mit dem Goldenen Bären auf der Berlinale.

Trailer zu »Bad Luck Banging or Loony Porn«

Aber es ist Sommer. Und das ganze Pandemiezeug möchte man am liebsten ausblenden. Dafür reisen wir nach Frankreich und etwas in die Vergangenheit nämlich in den »Sommer 85«. François Ozon (»Gelobt sei Gott«) kehrt zu seinen Wurzeln zurück, also intimen Charakterstudien an französischen Stränden. Und vor allem zum LGBTQ-Bezug. Denn im Zentrum der Romanverfilmung stehen hier zwei Jugendliche, ihre Sommerliebe und all die Probleme, die sie bedrohen. Kein »Call Me By Your Name«-Abklatsch, sondern originalfranzösisches Kino. Aber vermutlich genau für die Fans desselben Gefühls.

Trailer zu »Sommer 85«

Etwas fieser? Gut, dann könnte vielleicht die folgende Perle aus der Schweiz. In der kleinen Komödie »Das Mädchen und die Spinne« geht es im Grunde um nicht viel, einfach nur um das Umziehen oder eben das Zurückbleiben in der jeweiligen Wohnung. Und die sich daraus bahnbrechende Chronologie von irrwitziger Destruktion. Schön skurril, bissig eloquent und still poetisch. In der Berlinale Encounters-Reihe ausgezeichnet für die Beste Regie und mit dem FIPRESCI-Preis der internationalen Presse.

Trailer zu »Das Mädchen und die Spinne«

Aber die meisten sind wohl hier nicht für irgendwelchen Arthousekrimskrams von den Kunstfestivals hier, sondern für die Oscarcontender. Beides lässt sich jedoch verbinden, und zwar in »Minari«. Lee Isaac Chungs Familiendrama rund um eine koreanisch stämmige Familie im Amerika der 80er besinnt sich ganz ruhig und behutsam auf die Wurzeln Amerikas zurück. Jacobs Familie, gespielt von Steven Yeun (»Burning«, »The Walking Dead«), versucht hier nämlich mit ehrlicher Landarbeit im neuen Land der Hoffnung dem amerikanischen Traum näher zu kommen. Ergo erwartet uns ein kleiner Film, indem es nicht um große Action geht, sondern um die wunderbaren kleinen Menschlichkeiten im Alltag. Von allen Seiten gerühmt, könnte das hier ziemlich sicher eines der großen Jahreshighlights werden. Youn Yuh-jung wurde nicht umsonst mit im Grunde allen wichtigen Filmpreisen ausgezeichnet, einschließlich BAFTA und Oscar.

Trailer zu »Minari«

Für einige auf der Welt und auch aus unser kleinen Runde dürfte aber »In The Heights« der heißerwartetste Leckerbissen sein. Eine richtige pralle Musicaladaption auf 143 Minuten für die große Leinwand. Ganz viel Tanzen, Singen und Gesellschaftsdynamiken. Ja, es ist nicht nur sinnlose Euphorie, was vermutlich auch die sagenhaften Kritiken erklärt. »Crazy Rich Asians«-Regisseur Jon M. Chu brennt hier ein gewaltiges Feuerwerk ab für DEN Sommerblockbuster des Jahres. Möglicherweise als doch sehenswert, TROTZ Musical.

Trailer zu »In The Heights«

Getanzt wird auch, zumindest zum Schluss, in »Der Rausch«. Thomas Vinterberg ist zurück. Nach »Die Jagd« hat der ehemalige Dogma95 Regisseur auch wieder Mads Mikkelsen (»Hannibal«) im Schlepptau, dessen darstellerische Leistung in diesem neuen Werk bereits vielfach gerühmt und prämiert wurde. Insgeamt darf sich »Der Rausch« bereits einer Vielzahl von Auszeichnungen erfreuen und konnte schließlich auch den Oscar abräumen. Und das, obowohl die dänische Satire mit der Prämisse einer Gruppe daueralkoholisierter Lehrer alles andere als der gewohnte Drink ist. Lustig trunken und doch mit einer bitterbösen Note auf der Zunge, den schmerzahft-tragischen Kater schon erwartend, tanzt sich der Film berauscht auf die Liste der heißerwartetsten Titel des Jahres.

Trailer zu »Der Rausch«

So, das waren jetzt alle schon ziemlich geile Sachen. Aber mein Highlight des Monats ist »The Green Knight«. David Lowery (»Ein Gauner und Gentleman«, »A Ghost Story«) kommt mit einer großen grimmigen Fantasyproduktion mit der cinematorischen Goldschmiede A24 im Rücken (»Waves«, »Uncut Gems«, »Der Leuchtturm«, »Midsommar«). Sagenhafte Bilder, Baumwesen, Zaubertiere, Riesen und Streitäxte. Und das ohne eine Buch- oder Videospielvorlage. Und dann der Cast. Der oscarnominierte Dev Patel (»David Copperfield«, »Slumdog Millionaire«), Oscarpreisträgerin Alicia Vikander (»The Danish Girl«, »Ex Machina«), Goldene-Schnecken-Preisträger Barry Keoghan (»The Killing of a Sacred Deer«, »Chernobyl«) und der immer gern gesehene Joel Edgerton (»Underground Railroad«, »It Comes at Night«). Dass es sowas überhaupt gibt, ist schon ein Wunder. Dass wir ihn diesen Monat auf der großen Leinwand sehen dürfen, ist einfach wunderbar.

Trailer zu »The Green Knight«

Aber wir wollen ja nicht nur den Namenhaften Chancen geben, sonder auch denen, die sich erst erproben müssen. Prano Bailey-Bond heißt die Filmemacherin, die sich gerade dabei ist mit ihrem Horrorgeheimtipp »Censor« einen Namen zu machen. Hierin geht es um eine Filmzensorin, die in einem zu sichtenden Film eine alte Bekannte entdecken zu glaubt, wodurch nach und nach ihre Realität zusammenzubrechen scheint. Fieser Psychoschocker in atmosphärischen Bildern. Für ein bisschen Kühle in den Adern bei der Sommerhitze.

Trailer zu »Censor«

Damit kommen wir vielleicht zu dem Titel des Monats. Goldener Löwe von Venedig. Hauptpreis von Toronto. Vier BAFTAS. Zwei Golden Globes. Drei Oscars. Einschließlich Bester Film, Beste Regie und Beste Hauptdarstellerin. Regisseurin Chloé Zhao (»Songs My Brother Taught Me«, »The Rider«) widmet sich hier in »Nomadland« modernen Nomaden und liefer so in atemberaubenden Bilder einen einfühlsamen Roadtrip durch das moderne Amerika. Von Wohnwagensiedlungen über Nationalparks bis ans Amazon-Fließband. Frances McDormand (»Fargo«, »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«) errung hiermit ihren dritten Oscar als Beste Hauptdarstellerin und konnte hiermit eines ihrer Herzenprojekte umsetzen. Ganz ganz heißer Favorit für den Film des Jahres.

Trailer zu »Nomadland«

Och nee Joris, nicht ins Kino. Da muss ich raus, da sind so viele Leute und ich muss Geld ausgeben. Gibt es da nicht sowas wie in den letzten Monaten fürs Sofa? Natürlich. Und zwar noch einen weiteren Favoriten für die Spitze der Jahresliste: »First Cow«. Kelly Reichardt ist schon seit Jahren als die wohl bedeutendste amerikanische Filmemacherin der Gegenwart etabliert. Dabei sind weder ihr Stil noch ihre Sujets besonders spektakulär. Naturausflüge, Hunde und jetzt eben Kühe. Beziehungsweise nur eine Kuh, die bildet das Zentrum in Reichardts intimer Anti-Western-Fabel im rauen Grün, jenseits von rauchenden Colts und kreisenden Lassos. Mit ihrem lakonischen Minimalismus öffnet die Regisseurin immer wieder Fenster zu Lebenswelten, die man kennt, aber doch übersieht. Sie bringt die nächste Nähe mit ihre humanistischen Poesie wieder zum Leuchten. Ein schlichter Glanz, der aber feiner funkelt als jeder Goldnugget.

Trailer zu »First Cow«

Das war’s auch schon. Eine ganze Menge, ich weiß. Vermutlich muss man sich genau entscheiden, worin man Zeit und Geld investiert. Aber so ist das: Der Ernst des Lebens geht wieder los. Es geht wieder um Leben und Kino.

Hochachtungsvoll

J.C., JFK-President

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November Preview

ACHTUNG!

DIESER BEITRAG WURDE VOR DEM ZWEITEN LOCKDOWN VERFASST! EVENTUELL SIND GAGS SCHLECHT GEALTERT UND ANGABEN ÜBERHOLT!

ACHTUNG!

Mademoiselles & Monsieurs,

Klopf Klopf! Wer ist da? Genau: Der beste Monat des Jahres! Das kirstliche Weihnachtsfest schneit schon durch die Türschwelle herein, die Dunkelheit ummantelt die Tage immer früher wie eine zartbittere Schkoladenglasur. Währenddessen werden die Kinos in Bayern geschlossen und die Kinder weinen rum, weil in Hamburg ein paar Leute rumhusten. Dennoch lassen wir uns davon den Deluxe-Burger unter den Monaten nicht vermiesen und genießen weiterhin cinematorische Götterspeise, die diesmal sogar fast ausschließlich auf Lüneburger Silbertabletten angewackelt kommt. So denn: Wolle mer se reinlasse? Narrhalla-Marsch!

Gleich zum Anfang gibt es eine Leibspeise des JFKs: Ein iranisches Moraldrama. Mohammad Rasoulof (»A Man of Integrity«) ist zurück mit seinem undercover gedrehten Episodenfilm »Doch das Böse gibt es nicht«. Ausgezeichnet mit dem Goldenen Bären diese Jahres erzählt der Iraner diesmal gleich von mehreren moralischen Dillemata in seinem Heimatland, deren zentrale Themen Gehorsam und Verweigerung sind. Ein recht persönliches Thema für Rasoulof, der mit Berufs- und Ausreiseverbot belegt ist und auf Vollziehung seiner Haftstrafe wartet und sich dennoch nicht vom Filmemachen abhalten lässt.

Noch östlicher als der Iran liegt die Mongolei, aus der der nächste Film des Monats stammt. Eine für uns eher fremde Welt, die maximal unserer ehemaligen Nepal-Botschafterin in Teilen vertraut sein könnte. Doch genau dort siedelt »Die Adern der Welt« seine Geschichte an. Auf den weiten Ebenen und kargen Hügeln des Landes erzählt die renommierte mongolische Regisseurin Byambasuren Davaa eine Geschichte von persönlichen Träumen und gesellschaftspolitischer Ausweglosigkeit. Ein Blick auf eine vermutlich den meisten unbekannte Welt und verdammt schöne Landschaften.

Die Konservativen werden meckern, dass das alles so viel langweilige Arthouse-Kunstscheiße aus irgendwelchen abgelegenen Winkel der Welt ist. Kein Problem, »Schlaf« ist aus heimischen Anbau. Der Streifen widmet sich dem Heimathorror und siedelt so in Hamburg einen ziemlich wilden Horror-Psychothriller an. Hauptrolle Sandra Hüller (»Toni Erdmann«), alleine dadurch schon ein Pflichtfilm.

Ebenfalls sehr spannend wirkt »Was geschah mit Bus 670?«. Der Mysteryfilm aus Mexiko beschäftigt mti dem Verschwinden von ganzen Busladungen von Menschen im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet. Beim Suncance-Filmfestival ausgezeichnet mit dem Drehbuch- und dem Publikumspreis.

Und wo wir gerade schon an der Grenze waren, klettern wir doch kurz über die Mauer in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dort lebt Jude Law (»eXistenZ«, »Sherlock Holmes«, »Gattaca«) den amerikanischen Traum und schwimmt nur so in Geld und Erfolg. Jedoch droht er seine Familie darin zu ertränken. Daraus entwickelt sich mit »The Nest« ein ziemlich fisnteres Ehedrama, in dem Carrie Coon (»Fargo«-Staffel 3) der krankhaften Gier ihres Mannes gegenüber steht.

Größenwahn, Reichtum, Selbstzerstörung. Damit kommen wir bei »Citizen Kane« bzw. bei »Mank« an, dem großen Sahnehäubchen mit Kirschen, Schokoladensoße, Streuseln und Krokant des Monats. David Fincher (»Sieben«, »Fight Club«, »The Social Network«, »Zodiac«, »Mindhunter«) ist nach sechs langen Jahren wieder zurück auf der großen Leinwand und bringt uns den letzten und vielleicht gewaltigsten Anwärter für den Titel des Film des Jahres. »Mank« erzählt die Geschichte von Herman J. Mankiewicz, dem Ko-Autor von Orson Welles’ »Citizen Kane«, dem laut Kritikern bedeutendsten Film aller Zeiten. In malerischem Schwarz-Weiß belebt Fincher das alte Hollywood wieder und erzählt von den vernichtenden Exzessen und finsteren Abgründen in den goldenen Zeiten der Traumfabrik. Mit dabei sind Oscarpreisträger Gary Oldman (»Léon, der Profi«, Nolans »The Dark Knight«-Trilogie, die »Harry Potter«-Reihe), Amanda Seyfried (»Twin Peaks: The Return«, »First Reformed«) und Lily Collins. Für die Musik zeichnen sich Trent Reznor und Atticus Ross (»The Social Network«, »Waves«, »Mid90s«) verantwortlich.

Hoffen wir, dass wir das alles auch im Kino sehen können. Jeder Film könnte vorerst der Letzte sein. Ergo: Zuschlagen!

Hochachtungsvoll

Ihr JFK-Präsident und Messis

J.C.

i.A. L.B., bekannt vom Sticker am Scala-Mülleimer

Trailer: https://www.youtube.com/embed/videoseries?list=PLUlw4ADVtTQL_bo5CbZNmL6kTI6Ufs7Qx

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Oktober Preview

Werte Aktionäre, teuerste Freunde:

Es wird ernst, wir sind im letzten Quartal. Dieses Jahr war das Kinojahr nicht besonders voll, wir hatten viel Pause, unser Durst nach Kino konnte kaum gestillt werden. Dennoch waren die wenigen Monate picke-packe voll. Wir hatten ein bisschen Spaß, haben hier und da paar Pünktchen springen lassen, haben uns keine großen Gedanken gemacht. Aber das Jahr neigt sich dem Ende zu, die letzten Herausforderer im Kampf um den Thron betreten den Ring. Wer kommt in die Top 10? Kommt noch eine große Überraschung? Wer wird Film des Jahres 2020? Willkommen, in der Endphase des Jahres 2020, willkommen im letzten Quartal, willkommen im Oktober.

Fangen wir mit dem Film des Monats an. Ich weiß, ihr wartet darauf, ich weiß, wie sehr ihr Bock habt und tatsächlich ist die Zeit wieder gekommt: Endlich wieder ein zünftiges Abtreibungsdrama. Mit »Niemals Selten Manchmal Immer« kommt einer der großen Favoriten der diesjährigen Berlinale in die deutschen Kinos. Ein kleiner Independentfilm aus den USA über zwei Teenagerinnen, die nach New York für eine Abtreibung fahren. Roher Realismus gepaart mit intensiven Schauspiel in einer intimen Coming-of-Age Geschichte. Für mich einer der Filme, auf die ich mich dieses Jahr am meisten freue.

Wir bleiben in New York. Dort ist nämlich der neue Film von Sofia Coppola (»Lost in Translation«) angesiedelt. Eine kleine, feine Vater-Tochter-Komödie. Trailer ist harmlos, Kritiken aber überaus sympathisch. Neben der Regisseurin gibt es aber zwei Totschlagargumente für »On the Rocks«. Zum einen ist er aus der A24-Schmiede (»Waves«, »Midsommar«, »The Lighthouse«) und zum anderen spielt Bill fucking Murray die Hauptrolle. Das ist ein Drink für mich.

Große Namen haben wir auch bei »The Trial of the Chicago 7«. Geschrieben und inszeniert wird dieses historische Politdrama von Aaron Sorkin (Autor von »The Social Network« und »Moneyball«), vor der Kamera finden sich Eddie Redmayne, Joseph Gordon-Levitt, Sacha Baron Cohen, Michael Keaton, William Hurt, Mark Rylance, Jeremy Strong und John Carroll Lynch. Diese beeindruckende Truppe entflammt einen wütenden Aufschrei einer ’68 Demonstration, die schließlich im großen Medienrummel und einem noch größerem Gerichtsverfahren. Ein zentrales und aktuelles Thema: Polizeigewalt. Einer von Netflixs Oscarkandidaten für das kommende Jahr.

Ebenso politisch wird es in »Dark Waters – Vergiftete Wahrheit«. Todd Haynes (»Carol«) versucht sich an einem der uramerikanischsten Genres überhaupt: dem Aufdeckungsthriller. Aufgedeckt wird hier von Mark Ruffallo (Bekannt als Hulk aus dem MCU, aber auch aus z.B. »Zodiac«) ein Chemieskandal, der sich um das bewusste Vergiften des Grundwassers dreht. Spannend, politisch, wichtig. Mit dabei sind außerdem Tim Robbins (»Die Verurteilten«), Anne Hathaway (»Les Misérables«, »Der Teufel trägt Prada«, »Brokeback Mountain«) und Bill Pulmann (»Lost Highway«, »Independence Day«).

Das sind natürlich jetzt alles große und schwere Themen, viel Amerika. Gehen wir deshalb mal wieder in kleinere Dimensionen, weit weg vom US-Alptraum. In Australien gibt es nämlich eine schöne, kleine erfrischende Coming-of-Age Geschichte namens »Babyteeth« oder wie er in Deutschland viel knackiger, einfacher und verständlicher heißt: »Milla Meets Moses«. Eliza Scanlen (»Little Women«) kämpft sich hier zwar durch die üblichen Teeniekrisen, jedoch nur mit extremster Rebellion. In Venedig wurde der kleine Film hoch gefeiert, besonders für seine Energie, seine emotionale Frische und das herausragende Ensemble.

Wir bleiben beim Coming-of-Age, gehen aber nach Frankreich. Die Originalität wird hier aber nicht durch Wildheit und Frisurenwechsel erreicht, sondern passend zum Halloweenmonat durch Zombies. Das Ergebnis ist dabei weniger Horror, als eher eine Mischung aus Mystery und Phantasie. Die Kritiken feiern besonders das kreative Spiel auf menschlicher wie politischer als auch übernatürlicher Dimension. Inszeniert wurde »Zombi Child« von Bertrand Bonello, der mich zuletzt mit seinem ziemlich kontroversen »Nocturama« sehr beeindruckt hat.

Politische Allegorie bekommen wir auch in einem völlig anderem Winkel der Welt. Im Argentinien der 70er spielt sich nämlich mit »Rojo« eine Art Kriminalthriller/Psychodrama ab, als ein Privatdetektiv die abgründigen Geheimnisse einer oberflächlich friedlichen Kleinstadt aufdeckt. Die Argentiniert konnten zuletzt immer sehr mit ihren spannenden Genrevariationen überzeugen, die zwar immer auch eine gesellschafts-politische Vielschichtigkeit haben, aber auch einfach auf der Genreebene bis zum letzten Shot fesseln.

Ebenfalls aus Lateinamerika stammt »Ema«, einer der Favoriten letztes Jahr in Venedig. Der hochgepriesene Chilene Pablo Larraín kehrt nach seinen Ausflug mit »Jackie« aus Hollywood in seine Heimat zurück und schnappt sich auch wieder seinen alten Kumpel Gael García Bernal. Nur ist es diesmal keine stylische Polit-Historien-Biografie wie vorher oft, sondern ein noch stylischerer Tanzfilm. Keine Angst, es ist kein »Step Up«, kein wirkliches Musical, sondern vielmehr ein Ehedrama. Nur eben nicht trocken und schwer, sondern feurig und leidenschaftlich. Die Vergleiche in Kritiken und Foren reichen von »Marriage Story« und »Die fabelhafte Welt der Amélie« bis zu »Climax« und »Oldboy«. Alleine das sorgt dafür, dass ich massivst Bock darauf habe.

Ebenfalls richtig Bock habe ich auf einen kleinen Film über eine Ladendiebfamilie namens »Kajillionaire«. Die Familie besteht aus Evan Rachel Wood (»Westworld«), Richard Jenkins (»Shape of Water«, »Burn After Reading«) und Debra Winger (»E.T.«) und ist damit schon mal hochkarätig besetzt. Sie stämmen dieses abgefahren-irrwitzige Familiendrama mit Heist-Elementen, welches jetzt schon Festivalpublikums- und Kritikerliebling ist.

Noch größerer Liebling ist aber »Bohnenstange«. Diese Geschichte zweier Frauen im Nachkriegsrussland entzückt nicht nur schon durch die rot-grün-leuchtenden Bilder, sondern auch durch seinen irgendwie verschrobenen wie zärtlich-humanen Ton. Die kleine russische Perle konnte auf etlichen Festivals abräumen, in Cannes sogar gleich mehrfach für die beste Regie und den Preis der internationalen Filmkritik. Ein heißer Kandidat für die Top 10 am Ende des Jahres.

Auf ein cinematorisches letztes Quartal für dieses Jahr

Herzlichst

Ihr JFK-Präsident

Wo läuft was:

  • Scala: »Niemals Selten Manchmal Immer«, »Babyteeth«, »Ema«
  • Filmpalast: »Dark Waters«, eventuell »Kajillionaire«
  • 3001: »Zombi Child«, »Rojo«, »Bohnenstange«
  • Studio Kino: »On the Rocks«
  • Online: »The Trial of the Chicago 7«

Trailer:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLUlw4ADVtTQL_bo5CbZNmL6kTI6Ufs7Qx
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September Preview

Werte Aktionäre,

Das Abendlicht verjagt die Schatten. Die Zeit steht still und es wird Herbst

Ja, ihr habt richtig gehört, der größte deutsche Dichter hat es verkündet: der Sommer ist vorbei (ja vorbei, ja vorbei). Zumindest vom Wetter her. Aber auch das Kino kommt in Herbststimmung, was für uns bedeutet, dass der Schabernack zu Ende ist und endlich die heißen Kandidaten für die Spitzen der Jahreslisten kommen. Durch die gegenwärtige Pandemie ist das Programm noch immer etwas komprimiert, aber die Filme, die ich euch diesmal anbieten darf, sind dafür ganz vorzüglich:

Den Anfang macht ein Film, der eigentlich noch im August gestartet ist, den ich aber erst spät auf den Schirm bekommen habe. Es handelt sich um »Yalda«, einen Film aus dem Iran. Ein sehr originelles Gesellschaftsdrama mit Mediensatiren/-thriller Einschlag. Bräuchte wen, der irgendwann Anfang nächster Woche nachmittags mit ins Abaton will. Die Reise lohnt glaube ich wirklich.

Für die, die zuhause bleiben wollen, gibt es aber auch was. Auf Netflix kommt nämlich »I’m thinking of ending things« von Regisseur und Drehbuchautor Charlie Kaufman (»Synecdoche, New York«, »Eternal Sunshine of a Spotless Mind«, »Being John Malkovich«), für den ich schon mal hier geworben habe. Neben all den tollen Leuten die vor und hinter der Kamera dabei sind, glaube ich in der Tat, dass dieser labyrinthisch-existenzielle Psycho-Mysterythriller eines der Highlights dieses Jahr sein könnte. Leider nicht im Kino, aber dadurch auch günstiger für unsere bankrotteren Mitglieder.

Ebenfalls von zuhause biete ich euch »Vitalina Varela« in Form meines letzten Screeners an. Das ist wirklich nur was für die Harten. Pedro Costas vielfach ausgezeichnetes und gepriesenes portugiesisches Drama ist exemplarisch für den Regisseur. Das heißt: spröde, minimalistisch, ruhig und dunkel. Nicht jedermanns Tee, aber eben genau meins. Einer der Topkandidaten für den Film des Jahres. Aber seit gewarnt: Das ist Arthouse-Kino mit Betonung auf Art. Nicht auf Entertainment.

Ebenfalls heißer Anwärter auf den Titel dieses Jahr, aber deutlich vergnüglicher dürfte »Über die Unendlichkeit« werden. Für Roy Anderssons neuen Film habe ich schon mal im März Werbung gemacht, aber dann hat wer in China eine Fledermaus geknabbert. Jedenfalls kommt die skurrile Komödie jetzt. Lakonischer Humor, malerischer Bilder, beiläufige Tiefenphilosophie. Mit Anderssons erlebt man wirklich einen letzten der modernen Meister. Und dann macht er auch noch so verdammt viel Spaß.

Nach Portugal und Schweden gehen wir jetzt nach Polen. Dort kommt nämlich der oscarnominierte »Corpus Christi« her. Ein Priester kommt in eine polnische Gemeinde, wo er nicht nur auf Spannungen und dunkle Geheimnisse stößt. Er, ein ehemaliger Jugendstraftäter, will seine spirituelle Erleuchtung mit der nicht so ganz bereitwilligen Gemeinde teilen.

Ebenfalls schwierige Gemeinden findet man im französischen »Drei Tage und ein Leben«. Nach einem Roman des gefeierten Autors Pierre Lemaitre wird hier die Geschichte eines verschwindenden Jungen erzählt. Doch bald steht nicht mehr das Verschwinden im Fokus, sondern vielmehr die Abgründe im Dorf, die sich während der Suche auftun. Feiner, sauberer Thriller mit Waldeinsamkeit.

Wem das bis hierher zu viel abseitige Kulturscheiße war, der wird vielleicht mit »David Copperfield«. Charles Dickens Klassiker (nicht der Zauberer) wird hier neu aufgelegt und kam sehr gut auf den Festivals an. Klassisches, glanzvolles Hollywoodkino mit großen Stars wie Dev Patel, Ben Whishaw, Tilda Swinton uvm.

Vom großem Hollywood ins kleine deutsche Independentkino. Da gibt es nämlich »Pelikanblut«. Nina Hoss, eine unserer größten Charakterdarstellerinnen, wird hier mit einem schwer traumatisierten Kind konfrontiert, dessen Heilung schnell schmutziger, düsterer und blutiger wird, als erwartet. Kleines, aber intensives Drama.

Trailer:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLUlw4ADVtTQIwfz9K9IUgxuD9Uu6WRIAX
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Preview Juli

We are happy to welcome you back after our forced hiatus due to the Coronavirus-situation. The team from Baumannconsulting has worked in depth with our partners at the JFK to make the experience as smooth as you have been used to. Unfortunately, some things have changed:

» The use of a mask is mandatory in Lüneburg’s cinemas, though it may be taken off for consumption of snacks and beverages.
» Masks are also to be worn on all of public transport.
» Seats in cinemas are left empty to provide a safe distance between visitors.
» Visitors must provide their contact detail to the cinemas for the sake of contact tracing.

We still hope you enjoy your experience with us and are looking forward to seeing you at one of our next events!

Lennart Baumann, CEO of Baumannconsulting

Werte Mitglieder, Aktionäre und ja, ich möchte sagen Freunde,

Die Kinos öffnen wieder. Wann? Nächste Woche. Ja, richtig gehört, nächste Woche. Das Leben geht wieder los, alle Probleme der Welt sind gelöst, es ist wie vom Kreuz abgenommen zu werden und spreche da aus Erfahrung.
Das Scala veröffentlicht sein Programm erst kommenden Montag, jedoch können wir schon auf das Hamburger Programm zugreifen und darüber prognostizieren, was auch bei uns vor der Haustür laufen könnte und nicht neben den nächsten Gitarrenladen von Marcus. Ansonsten verlasse ich mich auch ein bisschen auf die von den Verleihern angegebenen Starts.
Folgendes kann ich anbieten:

DER FALL RICHARD JEWELL
(Ich glaube da sind keine Infos mehr von Nöten)

MONOS
Ein Trip durch den lateinamerikanischen Dschungel. Unter schwierigen und sehr abenteuerlichen Bedingungen gedreht, erzählt »Monos« die Geschichte einer Gruppe junger Soldaten, die weder so genau wissen, was sie in dem konfusen Krieg tun, noch wie sie die Zeit totschlagen sollen. Es entfaltet sich ein albtraumhafter Trip durch Bergspitzen und tiefsten Dschungel. Eine Art Werner Herzog meets »Herr der Fliegen«. Im Guardian hieß es “»Apocalypse Now« on Shrooms” mit einer Höchstwertung. Die Bilder sehen gewaltig aus und der markerschütternde Soundteppich darunter ist von Mica Levi (Komponistin bei »Under the Skin«). Für mich ein Favorit diesen Monat.

WAVES
Gerade jetzt im Black Lives Matter Kontext vermutlich besonders sehr interessant. Erzählt wird der Generationskonflikt einer afroamerikanischen Familie im südlichen Florida. Die haben eine geradezu vibrierende Intensität und sollen zusammen mit dem Soundtrack zu einem einmaligen Filmerlebnis verschmelzen, welches oft mit der Kinomagie eines Malicks (zuletzt sahen ein paar von uns sein Alpen-Kriegsdrama »Ein verborgenes Leben«) verglichen wurde. Ein buntes, wohl sehr berührendes Kaleidoskop.

BERLIN ALEXANDERPLATZ
Der große Klassiker der deutschen Literatur wird nochmal aufgelegt. Alleine, weil ich Fassbinders Version für das Magnum Opus der deutschen Fernsehgeschichte halte, muss ich da ran. Der Film erregte bei der Berlinale viel Aufsehen, Kritiken waren kontrovers. Der Style und besonders Albert Schuchs Schauspiel wurden aber überall gefeiert. Ich zumindest werde mich mal an das moderne Berlin-Epos ranwagen.

THE KING OF STATEN ISLAND
Etwas irritierend, dass noch kein deutscher Trailer da ist, aber tatsächlich soll der neue Appatow schon nächsten Monat kommen. Erneut eine derbe, aber kreative Komödie, diesmal aber wirklich im kaputtesten Milieu. Wahrscheinlich nicht gerade zu künstlerisch anspruchsvoll, aber auch nicht dämlich. Auf jeden Fall sehr witzig, da kann man Appatow eigentlich ziemlich sicher vertrauen.

Trailers for July:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLUlw4ADVtTQLhN8TUa1GZu_DSICa00fT_

Bitte möglichst zeitnah Meldung über Teilnahmen erstatten.

Ich freue mich schon, sie wieder zu cinematorischen Genüssen begrüßen zu dürfen, das Team von Baumannconsulting und Joris C., bekannt aus Kinomagazinen wie Kino+, wird für exquisite Unterhaltung und reibungsloses Eventmanagement sorgen.

Herzlichst,
J.C.
JFK-Präsident

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Preview März

Wir haben einen Januar der Enttäuschungen und einen genremarinierten Februar hinter uns. Nun endlich kann das Kunstkino kommen. Wir haben ein sehr buntes Programm, rund um den Globus, mit ein paar wirklichen zuckrigen Sahnehäubchen.

Gleich zu Beginn des Monats kommt ein Film, auf den ich mich schon sehr freue: „Emma“ mit Anya Taylor-Joy („The Witch“). Endlich bekommen wir mal wieder eine Jane Austen Verfilmung, die den Ton der Meisterin richtig einfängt. Verspielt, clever, feurig und bissig. Diesmal gekleidet in einen stylisches Gewand, wird der Klassiker rund um eine junge Verkupplerin im England des frühen 19. Jahrhunderts diesmal neu erzählt und hat mich jetzt schon mit seinem wilden Charme gewonnen. Neben Taylor-Joy sind außerdem noch Mia Goth („High Life“) und Bill Nighy (Stammschauspieler bei Edgar Wright) mit von der Partie, wodurch uns wohl ein wirklich vorzügliches Vergnügen erwarten dürfte.

Ein weiterer femininer Film kommt nächsten Monat mit „Die perfekte Kandidatin“ ebenfalls in die deutschen Kinos. Regisseurin Haifaa al-Mansour, die erste saudi-arabische Filmemacherin, kehrt zu ihren Wurzeln zurück und liefert eine feministische Politsatire über eine junge Doktorin, die bei einer Wahl für ein öffentliches Amt antreten will, was für Furore und Empörung sorgt. Wirkt sympathisch, werde ich mal reinschauen, alleine um den leider viel zu wenig vertretenen weiblichen Film des Nahen Ostens zu unterstützen.

Wo wir gerade bei Politik sind, dürften sich ein paar darin erinnern davon gehört zu haben, DAS EINE BOMBE IM CENTENNIAL PARK IST. Jedenfalls kommt Clint Eastwoods neues Politdrama „Der Fall Richard Jewell“ diesen Monat ins Kino und wartet mit einer ordentlich Starbesetzung, bestehend aus Sam Rockwell („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, „Moon“, „Vice“, „Jojo Rabbit“), Jon Hamm („Mad Men“), Olivia Wilde („Dr. House“, „Her“) und Kathy Bates („Misery“), die hierfür sogar eine Oscarnominierung erhielt. Der Feuilleton bespricht den Film sehr kontrovers, ich werde einfach mal reinschauen, alleine, da man ja nicht weiß, wie viel Eastwood noch macht.

Nach Amerika, Saudi-Arabien und Großbritannien, kehren wir mal zurück in die EU. Das deutsche Kino schießt im März zwei neue Schrotladungen ab, wo ein Blick lohnen dürfte.

Der erste Film setzt eine unterschätzte Tradition des deutschen Kinos fort, nämlich das dreckige Genrekino. „Kahlschlag“ sieht richtig schön nach in die Fresse aus und konnte bisher den ein oder anderen Preis sowie sahnige Kritiken einfahren. Ein kleiner Film, der aber womöglich genau richtig einen Schlag in die Magengrube verpasst.

Der andere Film ist eine Liga höher, nämlich ein neues Werk der Berliner Schule. Wer jetzt fragt, warum ich mit irgendwelchen Schülerprojekten um die Ecke komme (zumindest wäre Aaron ja in der Zielgruppe), dem möchte ich kurz erklären, was die Berliner Schule ist. Es handelt sich hierbei um eine Gruppe von Filmemachern, die seit einigen Jahren als die deutsche Avantgarde bekannt ist und im Ausland zu den Spitzen des Weltkinos gerechnet wird. Ihr wohl hochgeschätztester Vertreter Christian Petzold („Yella“, „Phoenix“, „Transit“) stellte vor wenigen Tagen seinen neuen Film „Undine“ vor. Wie gewohnt sind die Kritiker alle etwas irritiert, aber durchaus angetan. Für mich ist die mythische Liebesgeschichte mit Meerjungfrau aber definitv ein Must-See des kommenden Monats. Nicht zuletzt wegen den Hauptdarstellern Paula Beer („Bad Banks“, „Transit“) und der deutschen Antwort auf Joaquin Phoenix und Leonardo DiCaprio: Franz Rogowski („Victoria“, „Transit“ und zuletzt auch „Ein verborgenes Leben“).

Ebenfalls sehr viel versprechend ist der folgende Film. Viele klagten, dass er neben „The Farewell“ und „The Lighthouse“ wohl der größte Oscarsnub gewesen ist: „Waves“.

„Waves“ erzählt eine Familiengeschichte von einem Vater und seinen beiden Kindern. In den jetzt schon atemberaubenden Bildern soll sich eine durch Romantik und Tragik sehr berührende Geschichte entfalten. Im Cast zu finden ist unter anderem Lucas Hedges („Der verlorene Sohn“, „Lady Bird“, „mid90s“), die übrigen mir unbekannten Darsteller werden aber überall in höchsten Tönen gelobt. Noch mehr Lust bekomme ich aber dadurch, dass der Film von A24 ist, dem Indie-Studio, das u.a. mit „mid90s“, „Midsommar“, „Moonlight“, „The Lighthouse“ und „Lady Bird“ einen ziemlich ordentlichen Katalog im Repertoire hat.

Nun zu den beiden Highlights, den versprochenen Sahnehäubchen.

Das erste ist eine oscarnominierte Dokumentation: „For Sama“. Es handelt sich hierbei um das Werk einer syrischen Mutter, die einen Film über die Ereignisse in Syrien für ihre neugeborene Tochter dreht. Als monumentaler Meilenstein von Publikum und Kritikern angepriesen, porträtiert „For Sama“ eindringlich die Schrecken des Krieges aus dem Blickwinkel einer Frau, die gerade Mutter geworden ist. Heißester Anwärter aktuell für die Goldene Schnecke für den besten Dokumentarfilm 2020.

Zum Abschluss der Film, auf den ich mich am meisten freue. Roy Andersson, der schwedische Altmeister ist zurück. Nachdem er bislang für jeden seiner letzten 3 Filme sieben Jahre benötigte und für dieses nur spärliche fünf, muss man hoffen, dass er nichts übereilt oder hingeschludert hat. Doch der Trailer und die Auszeichnung für die beste Regie in Venedig letztes Jahr, stimmen positiv. Genau wie in den bisherigen Arbeiten zeichnet sich „Über die Unendlichkeit“ durch lange, genau komponiert und arrangierte Einstellungen, weiß bemalte Figuren, eine schlichte Farbpalette und eine ganze Wagenladung Exzentrik aus. Andsersson ist ein Meister in der Verbindung von absurden-trockenen Humor, philosophischer Tiefgründigkeit und alltäglichen Surrealismus. Dürfte eine schön schräge, aber auch abstrus witzige Meditation über den Sinn des Lebens werden. Roy Andersson eben.

Was läuft wo:

  • Scala: „Über die Unendlichkeit“, „For Sama“, „Die perfekte Kandidatin“, „Waves“, „Undine“
  • Filmpalast: „Emma“, „Der Fall Richard Jewell“
  • Hamburg: „Kahlschlag“
https://www.youtube.com/playlist?list=PLUlw4ADVtTQJUxiJsL-dNnHAL_mtKVwn5
Trailerplaylist für März
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Preview Februar

Während der Januar dominiert war von Festivalgewinnern und Oscarkandidaten, geht der Februar eher in die Gefilde des Genrekinos. Das heißt: Vermutlich mehr vertraute Unterhaltung als unbedingt künstlerische Überraschungen. Dennoch habe ich natürlich versucht nur das Beste rauszupicken.

Doch bevor wir zum Genregulasch kommen, noch schnell ein Blick auf die übrigen Kandidaten:

„Sorry We Missed You“, das neue britische Sozialdrama der Regielegende Ken Loach, habe ich ja schon letzten Monat vorgestellt. Da das Scala ihn nicht Ende Januar, sondern Ende Februar zeigt, besteht noch immer die Chance sich hierfür zu melden. Ich vermute hier ein Highlight des Monats.

Ein weiteres Highlight bewegt sich ebenfalls abseits vom Genrekino und ist auch von einem Altmeister: Roman Polańskis „Intrige“. Nachdem die letzten Filme eher mäßig waren, könnte hier nochmal ein kleiner Goldbrocken das Werk des Meisters, der uns einst „Ekel“, „Rosemaries Baby“, „Chinatown“ und „Der Pianist“ schenkte, veredeln. Die Kritiker sind mehr als wohlwollend und in Venedig gab es trotz Kontroverse den großen Preis der Jury. Das Historiendrama dreht sich um die Dreyfus Affäre, ein Justizskandal Ende des 19. Jahrhunderts, bei der ein jüdischer Offizier zu Unrecht des Landesverrats angeklagt wurde. Der Trailer verspricht eine prachtvolle Ausstattung, die Kritiken eine exquisite Inszenierung und das Ensemble, bestehend aus Oscarpreisträger Jean Dujardin („The Artist“), Louis Garrel („Little Women“), Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric, ein vorzügliches Schauspiel. Da darf man wohl zurecht gespannt sein.

Ebenfalls sehr gespannt bin ich mittlerweile auf das isländische Psychodrama „Weißer weißer Tag“. Das subtil-atmosphärische Charakterdrama analysiert einen alten Polizisten, dessen Psyche anscheinend brüchiger und dunkler ist, als man zuerst denkt. Noch auf echten 35mm-Film gedreht, strahlt der Film einen sehr eigenen Look aus. Könnte ein Geheimtipp sein. Aktuell immerhin 100% auf Rotten Tomatoes.

So, nun tauchen wir wie versprochen in die Untiefen der Verfolgungsjagden, Monster und coolen Sprüche ab. Das bunte Konfekt dürfte für jede etwas zu bieten haben.

Wer Bock auf einfach ein bisschen Kopfdurchblasen mit cooler Gangsteraction, der dürfte mit „The Gentlemen“ gut begnügt sein. Guy Ritchie kehrt nach „Sherlock Holmes“ und ein paar Blockbuster Fehltritten wieder zurück in die Gefilde seiner Klassiker „Snatch“ und „Bube Dame König grAS“. Mit im Gepäck hat er Matthew McConaughey („True Detective“, „Interstellar“), Charlie Hunnam („Pacific Rim“), Colin Farrell („The Lobster“, „The Killing of a Sacred Deer“, „Brügge sehen… und sterben?“) und Hugh Grant („Sinn und Sinnlichkeit“). Endlich mal wieder ein straighter Gangsterstreifen. Vermutlich kein Tarkowskij oder Kubrick, aber Spaß dürfte die Sache auf jeden Fall machen.

Noch beliebter als das Gangstergenre ist das Horrorgenre. Im Angebot sind diesen Monat zwei Filme, wobei ich bei einem noch die Kritiken abwarten will. Denn noch gab es keinerlei Vorführungen von „Der Unsichtbare“ mit der großartigen Elisabeth Moss („Mad Men“, „Handmaid‘s Tale“) und bei Horrorremakes ist das Risiko immer sehr hoch. Der Sci-fi-Horror Klassiker nach der Vorlage von H. G. Wells soll hier einen neuen Twist bekommen und Moss ist für mich Grund genug die Sache mal auf dem Radar zu behalten. Vor dem Trailer muss ich warnen, denn es hieß überall, der Trailer spoilere die komplette Handlung. Also: Ansehen nur auf eigene Gefahr.

Auf jeden Fall werde ich mir „The Lodge“ mit Riley Keough („Mad Max: Fury Road“, „Logan Lucky“). Es ist der zweite Film des österreichischen Regieduos Veronika Franz und Severin Fiala, nach ihrem großartigen Debüt „Ich seh, Ich seh“. Szenario: Eine junge Frau ist alleine irgendwo im Schnee mit den zwei Kindern ihres Verlobten. Mehr weiß ich nicht, mehr will ich nicht wissen. Das dürfte auf jeden Fall kein 0815-Trash werden, eher eine sehr präzise und atmosphärische Studie von Familie, Angst und Inszernierungskunst.

Alles andere als 0815 dürfte auch „La Gomera“ von Corneliu Porumboiu werden. Viele würden ja vermutlich sagen, dass derzeit Südkorea die interessantesten und originellsten Filme hervorbringt, doch noch interessanter ist in meinen Augen Rumänien. Die dortige Filmkunst scheint dem Rest der Welt um Lichtjahre voraus, was letztes Jahr „Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen“ eindrucksvoll unterstrich. Porumboiu ist eigentlich eher für exzentrischen Minimalismus und lakonische Gesellschaftsatiren bekannt, aber jetzt hat er sich mal am Agententhriller versucht. Ich weiß nicht was uns da erwartet, will es aber unbedingt erfahren.

Zum Abschluss noch ein Film, der ebenfalls zum Genrekino gehört, aber in ein anderes als die vorherigen. „Just Mercy“ ist ein klassisches Justizdrama, dass stark besetzt ist mit Michael B. Jordan („Creed“, „Black Panther“), Jamie Foxx („Django Unchained“, „Baby Driver“) und Brie Larson („Raum“). Der Film behandelt die Arbeit des amerikanischen Anwalts und Bürgerrechtlers Bryan Stevenson, der hier einen zu Unrecht zum Tode verurteilten helfen will. Vermutlich eher konventionell gemacht, werde ich mir dennoch einfach mal angucken.

Playlist: https://www.youtube.com/playlist?list=PLUlw4ADVtTQK3rk-6Y5_wtfN92JMifphO

Kinos:

–             Scala: „Sorry We Missed You“, „Just Mercy“, „La Gomera“ und „Weißer weißer Tag“

–             Filmpalast: „The Gentlemen“ und vermutlich „The Lodge“ sowie „Der Unsichtbare“

–             Abaton: „Intrige“

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Preview January

Morgen ist Weihnachten, die nächsten Tage sind (für Normalsterbliche) mit anderen Sachen als Kino gefüllt, daher schreibe ich heute noch den Ausblick auf den ersten Kinomonat im neuen Jahrzehnt. Motto des kommenden Januars: Klotzen statt kleckern.

Man darf hohe Erwartungen haben, denn der Januar ist voll mit Oscarkandidaten und Cannes-Highlights. »Little Women« wird von einer Delegation des JFK schon an Silvester gesichtet, fehlt daher also in dieser Liste, ansonsten wäre Greta Gerwigs neuer Film mit dem verführerischsten Cast seit »2046« und »Twin Peaks« sicher ganz oben auf der Prioritätenliste. Dennoch gibt es 7 heiße Kandidaten:

Fangen wir mit den Oscarkandidaten an. Rian Johnson, der sich mit den jeweils mutigsten Beiträgen zu »Star Wars« und »Breaking Bad«, aber auch mit innovativen Genrestreifen wie »Looper« einen Namen gemacht hat, liefert uns mit »Knives Out« eine starbesetzte Kriminalkomödie à la Agatha Christie. Mit dabei bei den heiteren Mordermittlungen auf einem englischen Landhaus sind u.a. Daniel Craig (sehen wir dieses Jahr auch erneut als James Bond 007), Toni Collette, Chris Evans, Ana de Armas, Jamie Lee Curtis, Michael Shannon, Christopher Plummer und Katherine Langford. Dürfte ein exquisites Kinovergnügen werden.
Etwas weniger vergnüglich, aber nicht weniger exzellent dürfte »1917« von Sam Mendes sein (»Skyfall«, »American Beauty«). Im Stil von »Im Westen Nichts Neues« pinselt der Brite ein episches Schlachtengemälde vom ersten Weltkrieg. Eingefangen wird das Ganze vom Kameragott Roger Deakins, der sich seine dreizehn Oscarnominierungen und den einen Gewinn redlich verdient hat und seit Jahren Haus-DoP von Denis Villeneuve, den Coenbrüdern und eben Sam Mendes ist. Für die weniger kinematographisch Begeisterten warten im Cast vielversprechende britische Newcomer und Legende Colin Firth sowie für alle »Sherlock«-Fans Benedict Cumberbatch und Andrew Scott. Genau wie »Knives Out« wird auch dieses Werk von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeiert.

Kommen wir nun zu den Filmen aus Cannes, wir wechseln also von Hollywood zum europäischen Arthaus. Ergo, in mein Kernmetier.
Als erstes wird uns »Little Joe« in den Kinos erwarten. Die von mir hochgeschätzte Österreicherin Jessica Hausner hat mit ihren neuen Sci-fi-Film wieder eine kleine skurrile Perle geschaffen, die Kritiker und Publikum stark spaltet. Dürfte nicht für jeden etwas sein, ich freue mich aber tierisch drauf. Hauptdarstellerin Emily Beecham wurde in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. Außerdem ist noch Ben Whishaw (»Skyfall«, »The Lobster«) mit an Bord. Möglicherweise was für »Black Mirror«-Fans, zumindest vergleichen die Kritiker den Film oft mit der Serie aufgrund des Sci-fi-Horrors.
Ein weiterer eher kleiner Film dürfte »Vom Gießen des Zitronenbaumes«, was eine adäquate Übersetzung des Originaltitels »It Must be Heaven« ist, sein. Elia Suleiman wollte hiermit eine selbstreflektive Komödie über den Frieden im Nahen Osten drehen. Der Palästinenser konnte damit immerhin schon mal den Kritikerpreis und einen Sonderpreis in Cannes abräumen. Wirkt sehr witzig und schön absurd. Besonders die Buster Keaton Vergleiche reizen mich, auch wenn ich bisweilen auch an Jacques Atari denken muss. Lohnenswert dürfte es auf jeden Fall sein.
Noch weniger als über den vorherigen Film weiß ich über »Die Wütenden«. Ein Überraschungshit in Cannes, Gewinner des dortigen Jurypreises, direkt Golden Globe nominiert. Wir haben es hier mit einem hitzigen Sozialdrama über Klassenkampf und Polizeigewalt zu tun, die vielfach attestierte hohe Dynamik dürfte dafür sorgen, dass das aber nie trocken oder langweilig werden wird. Möglicherweise ähnlich wie filmische In-die-Fresse-Schlag »La Haine«.
Nun die beiden Highlights des ohnehin schon herausragenden Monats:
Zwei Altmeister geben sich nochmal die Ehre. Der erste von beiden ist der Brite Ken Loach. Zweifacher Gewinner der Goldenen Palme, Veteran des engagierten Sozialrealismus und linksextremen Kinos. Für seinen neuen Film »Sorry We Missed You« wirft er wieder einen Blick auf Englands Proletariat, diesmal besonders auf Paketzusteller. Es entsteht ein intimes und doch hart-realistisches Familien/Gesellschaftsdrama und ein Porträt unserer aktuellen postkapitalistischen Welt.
Die andere Legende ist Terrence Malick, der große Bildermagier. Er hat sich nach 14 Jahren und 5 Filmen ausnahmsweise wieder dazu herabgelassen einen Film namens »Ein verborgenes Leben« mit einer greifbaren, linearen Handlung zu machen. Überraschenderweise geht es aber nicht wie früher um Südstaatenromanzen oder amerikanische Geschichte, sondern um einen österreichischen Kriegsverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Ein paar der besten deutschen Darsteller warten auf, um diesem cineastischen Brocken beiwohnen zu dürfen. Der Trailer verrät zwei Dinge: Zum einen geht es um Glauben, Liebe und Moral. Zum anderen ist das ein visuelle Hochgenuss, der jegliche Synapsen durch seine überwältigende Schönheit zum Schmelzen bringen wird.

Trailer:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLUlw4ADVtTQKJTSY2J8GIisqXPdzlKvy3

Kinos:

  • Filmpalast: »Knives Out«, »1917«
  • Scala: »Little Joe«, »Vom Gießen des Zitronenbaumes«, »Die Wütenden«, »Ein verborgenes Leben«
  • Abaton: »Sorry We Missed You«