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JFK Adventskalender 2023

Türchen 8

Ei, ei, ei. Bei all dem Festtagstrubel, den ganzen Verwandten und Geschenken ist im Advent schnell mal der Teufel los. Selbst in der verschlafendsten Provinz. Aus dem verkafftesten Bayern kommt Michaela in »Requiem« zum Studium nach Tübingen. Sie meint, abseits des elterlichen Nests aufzublühen, doch sobald sie ihre Medikamente absetzt, beginnt ihr Körper und Verstand zu zerreißen. Für die streng katholisch erzogene Studentin ist es klar: sie ist vom Teufel besessen. Die heimischen Geistlichen stimmen ihr da mehr als bereitwillig zu.

Basierend auf einem wahren Fall erzählt Hans-Christian Schmid hier einen Exorzismusfilm in frostklammen Braun, der statt Budenzauberhorror eines der instensivsten Psychodramen der 2000er entwickelt. Das ist vor allem auch Sandra Hüller (»Toni Erdmann«, »Anatomie eines Falls«, »In den Gängen«) zu verdanken, die hier einen frühen Karrierehöhepunkt erreicht. Wer nochmal vor dem Krippenspielgottesdienst mit anschließendem Schmauß zwischen dem abgedrifteten Onkel und der einen für das weite Wegziehen rügenden Großmutter den Würgegriff von Kirche und Familie mit voller Kraft spüren will, der ist mit diesem deutschen Meisterwerk optimal beraten. Das dunkle Quentchen Spiritualität gibt es auf MUBI zu sehen.

Eine Studentin merkt plötzlich, dass er Weihnachtsgottesdienst für ihr Theologie-Exportmodul gar nicht prüfungsimmanent ist. Wird sie trotzdem ECTS bekommen? Wie viele SWS sind das? Sorgen zeichnen sich in ihren abschweifenden Augen. Sie suchen das Modulhandbuch.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 7

Weihnachtszeit ist Märchenzeit. »Wolfwalkers« ist ein doppeltes Märchen. Eine fantastische Reise zu irischen Wäldern und Burgen, wo die wilden Wölfe heulen. Aber auch ein prägender Meme-Herd der Chefetage. Von Apple-TV [*kreuzt die Arme*] PLUS zum Lord Protector. Leider holte niemand anderes das Traumevent nach, was vielleicht an der Plattform der Verfügbarkeit steht [*kreuzt erneut die Arme*]. Doch lohnt die Überwindung, denn der mit der Goldenen Schnecke ausgezeichnete Animationsfilm gehört zu einem der berauschendsten Augenweiden der letzten Jahre. Actionreich, fantasievoll, finsterbunt. Für alle, die die Märchenbuden in der Lüneburger Innenstadt schon durchgeguckt haben.

Schwarzkäppchen ist ein oft verschwiegenes Märchen der Grimmschen Tradition. Das Märchen wurde im Wormser Konvent verboten, da Schwarzkäppchen die unchristlich-illegale Waffe der Armbrust benutzt. Nicht besonders toggo von ihr.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 6

Zum Nikolaustag gibt es heute mal einen Film mit echtem bärtigen Onkel in Rot. Wobei: Ihr müsst euch die Farbe vorstellen. Denn »Miracle on 34th Street – Das Wunder von Manhattan« ist von 1947 und noch im GUTEN ALTEN Hollywood-Schwarz-Weiß. Insgesamt glänzt und glitzert dieser kleine Klassiker vor lauter Patina des goldenen Gestern. Dabei ist der Punkt, dass die Welt gar nicht so märchenhaft ist: Kris Kringle (verwandt oder verschwägert mit Karel Kopfrkingl??? (LOL, tschechoslowakische Avanatgarde-Filmnerd-Referenz!!!!!)) muss bei einer Thanksgivingparade für den besoffenen Nikolausdarsteller einspringen. Seine Qualifikationen: dicker Bauch und Rauschebart. Er macht es aber so gut, dass er auch für die Weihnachtszeit engagiert wird. Warum auch nicht, immerhin gibt er an, der echte Weihnachtsmann zu sein! Herzliches-Hollywood-Feelgoodkino, wo einem das Herz warm wird wie der traute Großelternkamin mit einem Hauch von Zimt und Zucker in der Luft. Den großen US-Altklassiker gibt es natürlich wo? Auf dem familienfreundlichen Disney+.

Früher war mehr Lametta. Nur war es halt schwarz-weiß.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 5

Man kennt die Situation: Der Truthahn ist gar, die Kerzen am Baum brennen und das Räuchermännchen (*) hat schon die ganze Diele aromatisiert. Aber wo sind die Rotzgören? Das fragt sich auch Hugh Jackman in »Prisoners«. Denn seine Tochter verschwindet eines Tages spurlos. Das setzt nicht nur der Familie sehr zu, die ganze Nachbarschaft steht wie unter Schock. Doch statt zu erstarren macht sich Jackmans bärtiger Keller Dover selbst auf die Suche nach dem Täter, da ihn Jake Gyllenhaals Ermittlungen zu lange dauern. Und bald werden er und sein Hammer fündig. In klammen Bildern inszeniert Denis Villeneuve (»Dune«, »Blade Runner 2049«, »Arrival«) einen Thriller, der jetzt schon als Klassiker aus den 2010ern hervorragt. In wenigen seiner Filme ist das Unterkühlte des Kanadiers Villeneuve so bis auf die Knochen spürbar. Beinhart in der Verzweiflung seiner Charaktere, fiebrig in seiner Suche nach der Wahrheit, blutgefrierend in seinen Wendungen. Die finstere Fabel stimmt nicht nur perfekt auf die Unterkühlungen des früh dunkelnden Monats ein, sie macht einen doch doppelt froh im Rahmen einer halbwegs vollständigen Familie zu sitzen und vielleicht irgendwo ein Balg rumgaloppieren zu sehen. In Nebenrollen unter anderen noch mit Paul Dano und Viola Davis. Kamera: One and only Roger Deakins. Star des Filmes nichtsdestotrotz: Jake Gyllenhaals Blinzeln. Im Loop verfolgbar auf Netflix.

Wer braucht eine weiße Weihnacht, mit Tollem im Schnee, wenn man sich zwischen trüben Matschpfützen und steinhartem Schwarz der zugefrorenen Erde das Knie aufschlagen kann? Willkommen im Dezember-Frösteln des 21. Jahrhunderts.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 4

Die Weihnachtszeit ist nicht nur Nüsse (*), Duft und Einerlei, nein, wir beachten den Präfix dieser geweihten Zeit. Mit protestantischen Knochen und katholischem Herz erwarten wir sehnsuchtvoll nicht bloß den Flitterkram des Weltlichen, wir erwarten die Ankunft des Erlösers. Daher soll auch dieser Kalender ganz in Tradition seiner trüffelgefüllten Brüder den Geist in sich bergen, jedoch nicht den Feurigen des Weines. Wobei das Blut seinens Sohnes eben jenes rauschendes Rot ist. Zelebration beider Seiten sei also gesegnet. Amen.

Doch auch für die, die nur noch einmal die Woche in die Kirche gehen, horribile dictu weniger, und bei Rosenkränzen an den Floristen um die Ecke denken, dürfte der folgende Film etwas Beseelendes haben. Denn die Italienerin Alice Rohrwacher gehört zu einer der aufregendsten Stimmen des europäischen Gegenwartskinos. Mit sensiblem Blick für das einfache Volk hat sie einen magischen Realismus entwickelt, der zart wie kraftvoll ist. In ihrem Solo-Debüt »Corpo Celeste« erzählt sie durch die staunenden Augen der dreizehnjährigen Marta von den ersten Berührungen eines jungen Mädchens mit der Kirche. Nur weckt das kleine Brimborium mit Spielen und Singen unter einem blauen Neonröhrenkreuz eine tiefere Unruhe in Marta, die alsbald über den Rahmen hinausgeht, den sich die Gemeinde zurechtgelegt hat. Rohrwacher seziert fein und vorsichtig die harte Hand der Kirche wie sie gerade über den kleinen Gemeinden Italiens schwebt. Wie der Pater für einen nicht nur die Kinder beschäftigt, sondern auch gleich noch den Wahlzettel ausfüllt. All dies ist aber nur ein Teil der sanft, doch durchdringend brausenden Lyrik vor den Kinderaugen. Und man glaubt gar nicht, wie frostig die Atmosphäre selbst im mediterranen Süden werden kann. Entdecken kann man dies aber auf MUBI.

Immer mehr Kinder verfallen der Häresie. In einer Polonaise marschieren unsere Jüngsten blind in den Abgrund des Unglaubens. Oftmals sogar knapp am Kreuz vorbei, egal wie hell es leuchtet. Spenden sie jetzt an die Gemeinde Jesu Fatum Kristorum, um unschuldige Seelen von der Straße, von Fortnite und von Tiktok zu holen und ihnen mit dem Baumann-Aufsteigerprogramm eine bessere Zukunft in einem traditionsgeprägten Familienunternehmen zu ermöglich. Mit Gott, versteht sich. Amen.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 3

Während man nun als Riese in der Zeit einsinkt und mit Erinnerungen Masse gewinnt, im Alter verschwindend, langsam selber der weißbärtige Mann werdend, so bleibt Weihnachten doch das Fest der Kinder.

Ganz konkret um Kinder und Familie geht es in »Casting JonBenet«. Die True-Crime-Fans nicken bei diesem Namen bestimmt bereits wissend das weise Haupt und genau, es geht um den Mordfall an der Kinderschönheitskönigin JonBenét Ramsey, der Weihnachten 1996 Amerika erschütterte. Der Fall ist deshalb so eklatant, weil der Tod der Sechsjährigen noch immer von Nebel (*) eingehüllt ist. Die große Nachwuchsregisseurin Kitty Green, von der wir hoffentlich bald »The Royal Hotel« auch in Deutschland sehen dürfen, dreht nun aber nicht das übliche Netflix-Porträt des Falls. Vielmehr greift sie das Enigma selber auf und filmt das Casting für ein Re-Enactment des Falls. Die Colorado-stämmigen Schauspieler, die in die Rollen von Eltern und Ermittlern schlüpfen wollen, teilen ganz nonchalant ihre Ansichten über die Beteiligten und ihre Vermutungen über den eigentlichen Tathergang. Die Anatomie des Falls wird so eher zur Anatomie der Gemeinde drumherum, die eine unheimliche Obsession mit dem Kindsmord entwickelt, voller Gerüchte, Vorurteile und Komplexe. Einer der wahrscheinlich originellsten Filme, die man auf der Plattform streamen kann, denn ja: Zwischen allem Ramsch wartet »Casting JonBenet« seit Jahr und Tag auf Netflix.

Die Kinder wollten dieses Jahr etwas anderes als das Krippenspiel machen. Selber schuld.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 2

Auch wenn es dank Pappenheimern, die nicht wie Baumannconsulting klimaneutral im Firmen-Tesla oder Metronom durch die Gegend düsen, immer weniger mit dem Schnee wird, so existiert doch in unseren Köpfen das Idealbild einer weißen Weihnacht. Daher gehören auch Filme mit den kalten Flocken in den Adventskalender.

US-Indie-Legende Monte Hellman lädt uns in diesem Zuge in einen Urlaube mit der Gang im Schnee ein. In einer Skihütte in South Dakota plant eine Räuberbande unterm tosenden Blizzard nämlich einen großen Goldbarren-Coup. Nur haben sie nicht mit dem gerechnet, was in den Bergen, genauer in deren Höhlen auf sie wartet. Den putzigen kleinen Horror-Streifen »Beast from Haunted Cave« findet ihr auf Amazon Prime (*) zum Streamen. Damals immer im B-Film-Creature-Feature zusammen mit »The Wasp Woman«.

Wenn das mal nicht ein zur Umarmung einladender Tannenbaum mit großer roter Christbuamkugel ist! Frauen und Kinder kriegen vor weihnachtlicher Euphorie den Mund gar nicht mehr zu.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 1

In einem schneeverschütteten Regionalzug mögt ihr nun sitzen, teure Leserschaft, und beim Öffnen eurer Lieblingsseite der digitalen Weltenzyklopädie einen Duft von altem Glühwein und Duftbäumen mit Fichtenaroma in die Nüstern ziehen. Richtig, Baumannconsulting hat keine Kosten und Mühen gescheut und einen richtig echten Filmadventskalender auf die Beine gestellt. Doch wie geht man so einen nun an? Random Filme, die man halt immer mal empfehlen wollte? Weihnachtsklassiker, die aber nirgendwo greifbar sind? Sichere Winterwunderhits, die der JFK aber schon mal angeknabbert hat? Nein, ich habe mich für 24 Filme entschieden, die im deutschen Streamingraum zu greifen sind und packe in jedes Türchen einen Rechtfertigungszettel, warum nun gerade dieser Film weihnachtlich sein soll. Und vielleicht macht ihr mir die Freude und guckt tatsächlich den einen oder anderen als süße Verzuckerung der Adventszeit. Deal? Deal. Also: Pöckelt nochmal die Spekulatiusreste vom letzten Jahr aus den Zahnzwischenräumen (*) und schmatzt genüsslich lutschend das erste Türchen in euch rein:

Den Anfang macht ein Film, der schon ewig unbemerkt auf dem deutschen Netflix rumdümpelt. Die Rede ist von »El ciudadano ilustre – Der Nobelpreisträger«. Ein Film über das, was uns bald alle wieder erwarten wird: Die große Rückkehr in die alte Heimat. Na gut, manche mehr, manche weniger. Bei Daniel Mantovani ist sie etwas größer, da er nach seinem Nobelpreisgewinn das erste Mal seit Jahren wieder aus dem europäischen Exil wieder in sein argentinisches Heimatdorf zurückkehrt. Dort empfängt man den Schriftsteller auch herzlich. Nur halt mit einer Herzlichkeit, die er so gar nicht ausstehen kann. Und auch seine großspurige Art kommt bei den Dörflern nur bedingt sympathisch an. Die finstere Komödie von dem Regieduo, das später »Der beste Film aller Zeiten« schuf, fängt genau das ein, was die Feiertage für so viele ausmachen: Gezwungenes Lächeln, peinliche Tischgespräche, unliebsame alte Bekannte, der Muff der Jugendtage und viel zu viel Essen. Als Bonus gibt es die beste PowerPoint-Szene aller Zeiten. Wenn ihr euch auch schon mal auf diese ganz spezielle Stimmung im Jahr einstellen wollt, streamt »El ciudadano ilustre« also gerne auf Netflix.

Nirgendwo speist man so lecker und üppig wie bei seinen Liebsten in der Heimat. Das Lächeln isst mit.
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Preview

Preview Dezember

Vor der Fenstern des ICEs liegt Schnee. Offensichtlich wird es Winter. Um der Kälte zu entfliehen lockt es einen mehr denn je in die Kinos, jedoch ist das Programm gewohnheitsmäßig zurückgefahren im letzten Monat des Jahres. Schließlich kommen die ganze Feiertage ja immer in den Weg der Planung. Aber ein paar Geschenke liegen dennoch unterm Baum. Und schaut doch, wie hübsch und bunt sie sind!

Na gut, Schwarz ist nun nicht die allerbunteste Farbe, aber in »BlackBerry« machen ein paar weiße Jungs Dinge, die sich niemand hätte ausmalen können. Denn ein paar kanadische Nerds und ein verzweifelter Business-Hai mit Halbglatze entwickelten Ende des letzten Jahrhunderts das Smartphone. Wie »The Social Network« als abgedrehte Komödie feierte »BlackBerry« auf der Berlinale Weltpremiere und ballerte die Leute so hart weg, dass der Typ hinter mir spontan einen Krampfanfall bekam (das ist kein Scherz). Aber nachvollziehbar bei dem wohl coolsten Soundtrack-Drop und dem wildesten wie vampireskesten Zitat des Jahres. Und dann auch noch »It’s always sunny in Philadelphia«-Star Glenn Howerton. Mehr Infos von JFK-Investigativreport hier.

Einen Film den ich noch nicht, dafür aber Julia und Lua schon gesehen haben, ist »How to Have Sex«. Darin wollen ein paar britische Teenies sich durch den Sommerurlaub ihres Leben feiern, doch geht ihre Jugend ganz anders zu Ende als sie es sich erträumt hatten. Die Festivals der Welt liebten das Spielfilmdebüt und sogar Julia, die keinen Sex auf der Leinwand abkam, gab dem Film einen Daumen hoch. Elektrisierende Partys, Schweiß in der Sommernacht und ein Dämmern von Bedrohlichkeit über allem Spaß. Cheers mate!

Apropos Großbritannien: Nach seinem ausgezeichneten Florence-Pugh-Psychodrama »Lady Macbeth« von 2016 ist der Londoner Filmemacher William Oldroyd endlich wieder zurück, verlagert die Handlung aber über den Atlantik nach Neuengland, genauer in das der 1960er, noch genauer in ein Gefängnis. Dort in dieser Strafvollzugsanstalt für Jugendliche ist Eileen als Sekretärin tätig. Eine Existenz, die sie anödet. Bis die neue Erziehungsbeauftrage Rebecca auftritt und zum Zentrum von Eileens Bewusstsein wird. Die graue Maus nähert sich der glamourösen Blondine an und beide entwickeln eine enge Bindung. Doch je enger sie sich kommen, desto sinistrer werden die Geheimnisse, die zwischen den beiden Frauen hervorkriechen. Thomasin McKenzie (»Leave No Trace«, »Jojo Rabbit«) macht hier hoffentlich zumindest bei mir das »Last Night in Soho«-Debakel wett, Anne Hathaway (einst noch in »Rachel is getting married« oder »Brokeback Mountain«) etwa das letzte Jahrzehnt. Und wenn man den Kritiken glauben darf, gelingt das mit diesem kleinen surrealen, noirigen Psychothriller namens »Eileen«.

Als pendant zum furiosen Femininen jetzt was für echte Männer: Wrestling! Sean Durkin (»The Nest«, »Martha Marcy May Marlene«) hat für A24 einen Film über die Von Erich Familie namens »The Iron Claw« gedreht, deren berühmte Söhne in ebenso berühmte Tragödien verwickelt sind. Das Sport-Familiendrama ist muskulös besetzt mit Zac Efron (»High School Musical«), Jeremy Allen White (»The Bear«) und Harris Dickinson (»Triangle of Sadness«) und ist vermutlich einer der Herausforderer den A24 für die Oscars in den Ring schickt.

Das war jetzt alles ziemlich westlich, ziemlich weiß. Gehen wir doch nach Japan! Und zwar mit einem Film der bestätigt für das Land bei den Oscars eingereicht wurde. Nur ist er von einem Deutschen gedreht. Wim Wenders (»Paris, Texas«, »Der Himmel über Berlin«, »Im Lauf der Zeit«) hat zwar seit gut vierzig Jahren keinen guten Spielfilm mehr gemacht (ob er durchaus immer aktiv war), aber diesmal soll er sich endlich wieder zusammengerissen haben. Denn die Prämisse von »Perfect Days« ziemlich entspannt. Hirayama hat als Toilettenreiniger in Tokio nun eigentlich nicht das schönste Leben, doch füllt er es mit lauter kleinen Routinen. Er mag Essen, er mag Bücher und fotografiert Bäume. Wir folgen seinem Alltag und verstehen langsam aus Fragmenten seiner Vergangenheit, wie Hirayama zu diesem Alltag gekommen ist. Ein Lo-Fi-Film to study and relax. Ausgezeichnet in Cannes.

Nichts außer herausragende Kritiken hat in Cannes der neue Film von Todd Haynes (»Dark Waters«, »Carol«) bekommen. Dort geht er mit Nathalie Portman und Julianne Moore auf den Boden zweier Frauenseelen. Eine Schauspielerin besucht für die Recherchen zu einer Rolle nämlich einen alterenen weiblichen Star, der vor zwanzig Jahren in einen großen Klatschpresseskandal verwickelt war. Der verspielte, aber auch tiefschneidene »May December« kommt am 1. Dezember so ziemlich überall auf Netflix – nur in Deutschland ist er irgendwie nicht laut allen Quellen bestätigt. Wir schauen mal, was passiert…?

Während wir also noch vor dem ersten Adventskalendertürchen zittern, gibt es ansonsten ganz sicher ein reichhaltiges cinematorisches Festbankett, durch dessen feine Speisen man für jeden entfernten Verwandten an der Weihnachtstafel einen Geheimtipp in der Hinterhand hat.

Tannenduftende Grüße

Euer JFK-President

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Movie Upcoming

»May December«

In theatres 30th of May | @Abaton


Wie ein Altman legt der Regisseur hier Witz und Abgrund eng zueinander. Manchmal schlicht in Wortwitz und Slapstick, zumeist aber im Bizarren, wo man bereitwillig schmunzelt, sich aber plötzlich etwas Unheimliches an der Oberfläche reibt. Wenn sich Elizabeth für das Method Acting etwa im Gang der Tierhandlung, wo die einstige Affäre sich ereignete, hinkauert und in ein Stöhnen und Reiben versinkt, dann ist das so dreist und direkt, dass man es lachend kaum fassen kann. Aber es verschwimmt in etwas Ungutes. Spiel, Realität und Delirium sind kaum noch trennbar. Für niemanden.

Joris on Letterboxd
Julianne Moore und Nathalie Portman bestaunen die haushohe Torte, die sie zusammen mit Jasmin gebacken haben. Letztere verziert noch an der Spitze in 14 Metern Höhe.