Schon einmal hatten wir in diesem Kalender meinen Darling Alice Rohrwacher, diesmal aber mit ihrem Meisterwerk: »Glückliche wie Lazzaro«. Nachdem ich den Film als junger Bub 2018 im Scala sah, wankte ich durch und durch beseelt über das feucht angekühlte Oktoberpflaster Lüneburgs. In jedem Einzelbild singt hier der magische Realismus, rau doch träumend. So gestaltet sich nämlich auch das Leben Lazzaros: Er arbeitet in einer ruralen Gemeinde als Helfer für alle gröberen Arbeiten auf dem Feld. Und es fällt einiges an, denn die abgekapselte Gemeinde wird von der vorstehenden Marchesa unter geradezu feudalen Verhältnissen gepeitscht. Während die anderen Dörfler ihren resignierten oder pfiffig-spielerischen Alltag suchen, macht das dem gutmütigen Lazzaro nichts aus. Er fängt sogar eine unverhoffte Freundschaft mit dem Sohn der Marchesa an. Doch entfaltet sich da in den Hügel und unter den heulenden Wölfen etwas, das größer ist, als Arbeiter und Pseudo-Aristokraten es sich vorstellen können.
Die tatsächlichen Wunder des Filmes ziehen einen wirklich die Schuhe aus, doch schon vorher staunt man wie ein kleines Kind über die Schönheit, die Rohrwacher überall inmitten der Landarbeit entdeckt. Das satte Grün des des Blätterlabyrinths im Feld, das Brechen der Sonne in tanzenden Heuflocken, Kindergesichter im Schein der Nacht. »Glückliche wie Lazzaro« ist selber ein Wunder von einem Film, eine Wiedergeburt des großen italienischen Kinos. In meiner Topliste des 21. Jahrhunderts hat es Rohrwachers Film auf Platz 35 geschafft, in der Top 100 der 2010er-Jahre auf Platz 14. Und hoffentlich bald auf Platz 1 eurer MUBI-Watchlist.