Categories
Preview

Preview November

Grüß Gott wertes Nordvolk,

Sorry für die Verspätung der Preview. Durch die Viennale war ich voll eingespannt bis zum letzten Tropfen des vergangenen Oktobers, konnte dadurch aber schon einige Highlights für das kommende Jahr auskundschaften. Wen es interessiert: Natürlich kommen (spoilerfreie) Reviews zeitnah zu beispielsweise »Poor Things«, »Ferrari« oder »Der Junge und der Kranich« (das ist der neue Miyazaki) auf meinem Letterboxd. Stay Tuned.

Erstmal kommen jetzt aber endlich die Novemberstarts. Natürlich läuft schon seit letzten Donnerstag was im Kino, doch der Großteil kommt erst nach hinten raus mit dem Winterwind angeweht. Und was da alles angeweht kommt!

Aber was liegt denn da schon vor unseren Füßen, frisch vom Himmel gefallen: »Anatomie eines Falls« ist in den Kinos und mit ihm tatsächlich einer der großen Favoriten des Jahres. Nicht nur für mich Nieschen-Nerd, sowohl für Kritiker als auch Publikum ist der Cannes-Gewinner ein Höhepunkt von 2023. Wir reden von einer 4,2/5 auf Letterboxd und einem Meta-Score von 87/100. So sehr hat das Rätsel um den Tod eines Mannes die Leute in den Bann gezogen. Doch was ist passiert? Ist der Tote versehentlich in den Schnee gestürzt, war es ein Unfall? Oder ist es wie in den meisten Fällen die Ehefrau, also Mord? Hatte der Sohn nicht schon öfter Streit gehört? Und war da nicht eine Affäre der Gattin mit einer anderen Frau? All das und vieles mehr wird in dem Thriller enträtselt oder mitunter auch nur noch mehr verwirrt. Im Zentrum Team-Scala-Ikone Sandra Hüller (»Toni Erdmann«, »In den Gängen«), deren Leistung immer wieder als »Tár«-worthy bezeichnet wurde und ihr endgültig den Titel Queen-of-Cannes einbrachte. Eindeutig das Highlight des Monats für mich, läuft jetzt, ab rein.

Einer für mich, jetzt einer für euch: »Sympathy for the Devil«. Nicht die Stones, nicht Godard, nicht einmal Laibach. Nein, es ist Nicolas Cage. Diesmal als der Beelzebub persönlich. An den Leibhaftigen gerät ein argloser Fahrer wider Willen durch eine Schießerei. Und er wird ihn in dieser langen Nacht auch nicht mehr so schnell wieder los. Lua hat ihn schon gesehen und fand ihn eher gut als gurkig und nun hat auch der Rest der Cage-Crowd die Gelegenheit. Außerdem im Actionthriller auch noch Joel Kinnaman (»The Suicide Squad«) als Der Fahrer.

Welchen Lua noch nicht vorab gesehen hat, dafür aber ich in der Weltpremiere ist »Tótem«. Ein kleines mexikanisches Familiendrama rund um den Geburtstag eines totkranken Familienvaters, primär aber erzählt aus Sicht der Kinder. Hin und her sausend beobachtet man den langsam zu Chaos zerfallenden Mikrokosmos, zusammengehalten aber von einem lebendig-frischen Ensemble und intensivst poetischen Bildern. Einer der Highlights der Berlinale, auch hier sowohl bei Publikum als auch Kritikern mit viel Jubel willkommengeheißen.

Noch länger her ist es bei mir mit »Joyland«, wobei ich dort auch keinen analogen Applaus hören konnte, da ich ihn im Rahmen des IFFHM online gesehen hatte. Dafür eilten ihn auf Letterboxd schon die Lorbeeren als Geheimtipp des Jahres voraus. Und verdient, denn aus Pakistan bekommt man hier eine der berührendsten Liebesdramen seit langem. Doch muss es sich behaupten gegen die patriarchalen Strukturen, in denen die im Kern stehende Familie Rana lebt. Die Oberhäupter erwarten neuen Stammhalter, was in der kriselnden Ehe von Haider und Mumtaz aber so gar nicht in Aussicht steht. Es ist eigentlich schon nur mit Knirschen hingenommen, dass Mumtaz als Kosmetikerin die Ernährerin ist, während Haider schon länger in trister Arbeitslosigkeit vor sich hin dümpelt. Dabei hat er einen Traum, den er aber nur heimlich nachgehen darf: Erotiktänzer. Ein Skandal, der noch skandalöser wäre, wenn jemand von seiner transsexuellen Geliebten dort erfahren würde. Ein Plot, der Anlage für ein Bollywood-Melodram sein könnte, hier aber in malerischen Bildern mit viel Feingefühl und Melancholie umgesetzt ist. Das Ende gehörte zu den intimsten und schönsten Momenten, die ich 2022 im Bewegtbild erleben durfte.

Vielleicht fragt sich jetzt jemand, wie ich trotz solcher Lorbeeren das Prädikat Film des Monats eingangs schon einem anderen geben konnte. Zugegeben, eine riskante These (bei der ich aber bleibe), besonders in Anbetracht des nächsten Filmes, den mein guter Freund Luca, ein abgebrühter Filmnerd, mit Abstand als seinen Film des Jahres bezeichnet: »The Quiet Girl«. Ein irischer Film, der aber nicht auf Englisch, sondern wirklich Gälisch gedreht wurde. Daher auch die Oscar-Nominierung für den Besten fremdsprachigen Film. Dabei redet die Protagonistin gar nicht so viel. Vernachlässigt von ihrer Familie wird die kleine Cáit zu Verwandten aufs Land abgeschoben. Dort erlebt sie einen Sommer voller Wärme, entdeckt aber auch unvermutete Geheimnisse. Und es soll ein todtraurige Szene mit einem Keks geben. Also optimale Vorbereitung auf die Adventszeit.

Während es für manche Kinder auf Land geht, gehts für andere in die Kirche, aber so richtig tief. Denn Edgardo wird 1858 aus dem Schoß seiner jüdischen Familie in Bologna geraubt, das aber auf Geheiß des Papstes. Edgardo soll nämlich heimlich getauft worden sein. Und der Pontifex fährt fast wahnhaft eine harte Linie, um alle Schäfchen bei sich zu haben. Wobei dies nicht gerade förderlich für seinen Kirchstaat in Zeiten von Garibaldis Feldzügen ist. Ich hab »Rapito – Die Bologna-Entführung« bei der Viennale gesehen und war doch unerwartet unterhalten wie beeindruckt. Marco Bellocchio (»Il Traditore«) inszeniert gewohnt altmeisterlich ein bild- wie vor allem musikgewaltiges Drama im Herzen der italienischen Geschichte.

Noch gewaltiger, aber wohl etwas weniger genau historisch wird wohl Ridley Scotts »Napoleon«. Apple hat dem einstigen Schöpfer von »Alien« und »Blade Runner«, der zuletzt »The Last Duel« und »House of Gucci« auf die Leinwand brachte, einen Berg Geld gegeben und der Brite hat ein klassisches Wahnsinnsprojekt unternommen. Joaquin Phoenix (»Joker«, »You Were Never Really Here«, »The Master«) spielt den kleinen Eroberer mit dem großen Hut, Vanessa Kirby (»Pieces of a Woman«, »The World to Come«, »Mission Impossible«) seine Kaiserin. Ich fürchte, das wird für Scott ein Russland-Feldzug, aber einige hier kündigten ja bereits ihre Kriegslust an. Eine große Leinwand dürfte sich definitiv lohnen.

Guter Sound wird sich wohl lohnen bei »Maestro«. Bradley Cooper ist nach »A Star is Born« zurück mit einem anderen großen Musikfilm. Diesmal jedoch weniger poppig, denn der titelgebende Maestro ist niemand Geringeres als Komponist und Dirigent Leonard Bernstein. Trotz des Nasen-Skandals im Vorfeld konnte das Biopic in Venedig beeindruckten Applaus ernten und steht vorne im Oscar-Rennen. Nicht zuletzt auch wegen der Stars: Neben Cooper als Bernstein ist Carey Mulligan (»Promising Young Woman«, »She Said«, »Driver«) als seine Ehefrau Felicia Montealerge zu sehen, Maya Hawke (»Stranger Things«, »Do Revenge«, »Asteroid City«) als Tochter Jamie.

Für die, die musisch eher malerisch als musikalisch unterwegs sind, habe ich auch noch einen Animationsfilm in der Hinterhand: »Die Sirene« war eine meiner feinen Entdeckungen in Berlin Anfang des Jahres. Ein iranischer Film, der in den Süden des Landes und den November 1980 reist. Dort wütet der Erste Golfkrieg und gerade Abadan, Schlüsselstadt für die Öl-Industrie, steht heftig unter Beschuss. Fast alle Einwohner sind deswegen auch schon geflohen. Omid ist jedoch einer der wenigen Zersprengten, die geblieben sind. Denn er wartet auf seinen in den Kampf gezogenen Bruder. Doch die Lage spitzt sich immer weiter zu. Rau, aber bunt versucht der Film das nationale Trauma zu packen und schüttelt einen ordentlich durch – mit Erfolg.

Nathalie schrieb während ich diese Zeilen tippe, dass sie lieber zuhause bleiben will, statt Geld fürs Kino auszugeben, daher kommen wir jetzt zu den Streaming-Starts. Ich muss gestehen, dass das primär Titel aus vorangegangenen Monaten sind, aber sei’s drum.

Ein Film startet im Streaming, den ich letzten Monat schon fürs Kino vorgestellt hatte (wo ich ihn auch gesehen habe): »The Killer« von David Fincher. Effizient wie effektiv erzählt Fincher in seiner Comicverfilmung wie ein Auftragskiller einen Auftrag vermasselt und plötzlich selber als überflüssige Spur beseitigt werden soll. Michael Fassbender gibt den eiskalten Profi, der bei der Arbeit permanent The Smiths hört und sich, um unauffälig zu bleiben, als deutscher Tourist verkleidet. In einer Nebenrolle eine vorzügliche Tilda Swinton. Grimmig, cool, überraschend trocken witzig. Das, worum ich Hollywood seit Jahren anbettle: einfach ein No-Bullshit Genrefilm. Dann jetzt zeitnah auf Netflix.

Klammhemlich auf Netflix ist endlich ein Film von 2020 released worden: »Nine Days«. Eine Indieperle, in der Seelen interviewt werden mit der Chance, dass sie eventuell geboren werden. Unter anderem mit Bill Skarsgård (»It«, »Barbarian«), Winston Duke (»Us«), Benedict Wong (»Avengers«, »David Copperfield«) und unserer Frau in Hollywood Zazie Beetz (»Joker«, »Deadpool 2«). Ein bisschen in Ruhe hinsetzen und über das Leben nachdenken.

In Nordamerika auf Netflix, bei uns auf Prime ist ebenso klammheimlich »Emily the Criminal« gestartet. Aubrey Plaza (»Parks and Recreation«, »White Lotus«) will ihren Studienkredit abbezahlen, darf aber aufgrund ihres Strafregisters nicht wirklich arbeiten. Na gut, dann wird man eben richtig kriminell. Und so taucht sie ganz tief in die Unterwelt von L. A. ein. Per Kreditkarte. Plaza soll hier in ihrer besten Nicht-Comedy-Rolle aufblühen und der Film war auf jeden Festival ein großer Publikumsliebling. Lua war schneller als ich, aber mindestens Jasmin hat ihn neben mir auch noch auf der Watchlist.

Und Halloween haben wir auch schon verpasst und ich hab es wegen Viennale auch nicht geschafft, ihn noch reinzudrücken, aber wir haben auch noch einen Horrorstreifen im Ärmel: »No One Will Save You« läuft auf unserem deutschen Lieblingshorroranbieter Disney Plus und hatte tatsächlich einen kleinen Hype. Ich will mich selber gar nicht zu viel über den Plot informieren, aber es geht irgendwie um Aliens und meine geliebte Kaitlyn Dever (»Booksmart«, »Unbelievable«, »Short Term 12«) spielt mit. Sold.

Ihr seht vielleicht, das konnte ich nicht mal eben so nebenbei runtertippen. Verzeiht mir daher bitte die Verspätung. Es dauert halt, aber ich mache es ja immer mit viel Freude. Hilfe hätte ich jedoch immer noch gerne bei der Website. Ich komme halt bei den ganzen einzelnen Filmseiten im Aktualisieren nicht hinterher. Ich schlug ja schon mal Alarm. Lua half einmal letzten Oktober, aber seit dem arbeite ich weiterhin alleine nach. Da ja beim Votum rauskam, dass ihr gerne die Website beibehalten wollt und vor allem auch so in dieser Form, wäre ich SEHR dankbar für Hilfe. Mindestens LB und Lua sollten IT-Zugang haben, also wendet euch gerne an sie, wenn ihr mithelfen wollt. Hartnäckig. Danke.

Wir sehen uns bald wieder, haltet euch tapfer, guckt Filme.

Wiener Grüße mit Schlagobers

Euer JFK-President

By JFK-President (Official)

Best Cinemamaster between Kopenhagen and Kleinwümmede

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *