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Preview Oktober

Ach du Scheiße, der Oktober kommt. Obwohl schon Filme aus mehr oder weniger unbekannten Gründen quer durch die Gegend verschoben worden, ist der Monat noch immer rappelvoll. Währenddessen enden alle Ferien und man hat keine Zeit und alle zerschlagen sich in diverse Windrichtungen und… seufz… Naja, vielleicht müssen die einen oder anderen tollkühn selbst in ihre lokalen Kinos steppen. Denn kunterbunte Jahreshighlights gibt’s en masse in diesem Kessel Buntes für die Halloween-Schleckermäulchen.

Aber steigen wir mal ein mit etwas Genre-Marmelade fürs saftige Abendbrot. Nach ihrem Vampir-Skaterfilm »A Girl Walks Home Alone At Night« dreht die Iranerin Ana Lily Amirpour wieder ein wenig am Rad und gönnt sich erneut wieder kaum eine Nacht dafür. In »Mona Lisa and the Blood Moon« bricht die titelgebende junge Dame nicht aus ihrem Gemälde, sondern der Psychiatrie aus und geht auf einen Streifzug durch die blutmondbestrahlten Straßen New Orleans. Die Stripperin Bonnie greift sie auf und entdeckt, dass sie telepathische Fähigkeiten hat, Fähigkeiten, die man für allerlei Dinge nutzen kann. Warum die Polizei auch bald Jagd auf die beiden Frauen macht. Mit Jun Jong-seo (»Burning«), Kate Hudson (»Almost Famous«) und Craig Robinson.

Mona Lisa zu anspruchsvolle Kunstscheiße? Stripperinnen zu sehr primtive Fleischeslust? Wir wollen Entertainment! Und was gibt es für größeres Entertainment, leidschaftlich und fürs Herz, als den Schlager? In »Rimini« geht es genau darum, denn der runtergrockte Richie Bravo ist im titelgebenden Urlaubsparadies ist immerhin dort noch ein Star. Ulrich Seidl (»Hundstage«, »Im Keller«) ist zurück mit österreichischem Feel-Bad-Kino der Extraklasse und geht seine unbequeme Charakterstudie so unangenehm wie möglich an. Endlich mal wieder Kino, das wehtut, aber auf eine krude Art auch eine gewisse Komik und tiefe Menschlichkeit hat. Ein außergewöhnliches Monatshighlight und Pflichtfilm dieses Jahr. Traut euch und lasst uns gemeinsam im Kinosaal mitschunkeln (und singen)!

Jaja, ich gebe zu, das ist irgendwie die richtige Kunstscheiße. Damit ihr mir hier nicht weglauft, hier mal ein bisschen cooles Sci-Fi-Kino mit großen Bildern. »Vesper Chronicles« ist irgendwie ein Film aus dem Nichts, der plötzlich einfach da ist. Ein dystopischer Film über eine Welt mit zusammengebrochenen Ökosystemen, Biohackern und tentakeligen Raumschiffen. Kein Blockbuster, eher eine kleine abenteuerlich Fabel mit Endzeit-Poesie. Läuft hoffentlich irgendwo.

Während man dort in einer verwilderten Dschungel der Zukunft geht, reisen wir in »The Woman King« in die Vergangenheit. Inspiriert von wahren Ereignissen im Königreich Dahomey des 18. Jahrhunderts (heutiger Benin, Afrika). Dort geht es um die Rebellion der einheimischen Stämme gegen die französischen Invasoren. Besonders: An der Spitze der Kämpfer steht eine Frau (gespielt von Viola Davis). Für die, die Afrika nur aus »Black Panther« kennen, aber sich nicht ganz aus dem schützenden Reisebus Hollywoods rauswagen wollen, die Gelegenheit. Extrem gute Besprechungen, vermutlich Oscar-Kandidat.

Für die, die lieber reiche weiße Leute sehen wollen, kein Problem, Platinum-Schnecken-Preisträger Ruben Östlund (»The Square«, »Höhere Gewalt«) ist zurück und stellt die Schönen und Superreichen auf einer dicken Luxusyacht aus. »Triangle of Sadness« hat in Cannes trotz extrem kontroversen Besprechungen die Goldene Palme gewinnen können und ist für mich wohl der meisterwartetste Film des Jahres. Östlund sticht das erste Mal auf Englisch in See, nimmt aber Models, Millionäre, russische Oligarchen und einen besoffenen marxistischen US-Kapitän (Woody Harrelson) mit auf seine Kreuzfahrt. Eine ausschweifende Satire mit einer überall furios besprochenen Kotzorgie. Ahoi!

Zu bonzig? Na gut, genau zwischen Laufstegen und den hohen Gräsern Afrikas liegt DIE STRASSE. Und von genau da kommt das, was in unserer Blutbahn pumpt: Deutschrap. Fatih Akin (»Der goldene Handschuh«, »Aus dem Nichts«, »Tschick«) hat sich, nachdem man ihm sein Stephen-King-Projekt weggenommen hat, Xatars Autobiografie geschnappt und sie verfilmt. »Rheingold« erzählt von dem Lebensweg des Rappers vom Irak nach Deutschland, von Sozialbau ins Studio, vom kleinkriminellen Kokadeals zum ganz großen Goldraubcoup. Deutsche Rapperfilme waren bislang ziemlicher Bullshit, aber wenn einer der fähigsten und facettenreichsten Regisseure des Landes sich da dran macht, dann muss man sich das wohl schon mal reingönnen.

Nur noch mehr als Deutschrap lieben die Kidz drei Dinge: Horror, Partys und Knicklichter. Alles liefert die neue A24-Produktion »Bodies Bodies Bodies«. Slashercomedy über ein außer Kontrolle geratendes Partyspiel in einem abgelegenen Haus im Gewittersturm. Wird gefeiert als sehr origineller Turn in das ausblutende Genre, gefüllt mit lauter Nachwuchsstars. Um ein paar zu nennen: Amandla Stenberg (»The Hate U Give«), Maria Bakalova (»Borat 2«), Rachel Sennott (»Shiva Baby«) und Pete Davidson (»The King of Staten Island«). Schöner Spaß zu Halloween!

Kleine Notiz: Zu Halloween wird auch George A. Romeros »Die Nacht der Lebenden Toten« deutschlandweit wiederaufgeführt. Das Prequel zu »Dawn of the Dead« und der erste richtige moderne Zombie-Film überhaupt. Klassiker, muss man gesehen haben. Jetzt im schönen 4K!

Apropos Klassiker: Werner Herzog hat so einige Klassiker geschaffen, darunter einen meiner Top 4 Filme »Aguirre, der Zorn Gottes« mit Klaus Kinski. Ein unglaublicher Filmemacher, Abenteurer und Mensch, der den Dschungel bezwang, 3000 Affen entführte, von Bayern zu Fuß nach Paris gelatscht ist, im Interview angeschossen wurd und weiter gemacht hat und seinen Schuh on camera gegessen hat. Darum und um vieles mehr geht es in »Werner Herzog – Radical Dreamer«. Eine optimale Einstiegsdokumentation zum 80. Geburtstag des Meisters, um endlich Fan von seinem genialen Wahnsinn zu werden. Euer Kino-Korrespondent hat den Film natürlich schon in seiner Pressetätigkeit gesehen und die erste Review auf Letterboxd verfasst.

Ebenfalls schon von einem JFK-Mitglied wurde »See How They Run« geguckt, diesmal von Lina, unserer Lady in London. Bei Mrs. International konnte der Film nur mäßig für Begeisterung sorgen, doch ein launiger Abend sei dennoch garantiert. Die britische Krimikomödie liefert ein klassisches Whodunnit der alten Schule auf dem Londoner Theaterparkett der 50er. Zum Aufwärmen für das »Knives Out«-Sequel perfekt. Vor allem wenn Sam Rockwell (»Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«, »Vice«), Adrien Brody (»Der Pianist«, »Grand Budapest Hotel«) und ganz besonders my Darling Saoirse Ronan (»Little Women«, »Lady Bird«) mitspielen. Leichte Kost, liegt aber eben auch nicht zu schwer im Magen.

So, das war das Kino. Nun zum Streaming. Im Schnelldurchlauf [*tiefes Einatmen*].

Wir müssen zwei Sachen aus dem September von Netflix nachholen, die ich einfach nicht auf der Karte hatte.

Da ist etwa »Zola«. Zwei Freundinnen machen einen überkandidelten Roadtrip zu einen Stripclub in Florida hin. Mit Riley Keough (»Mad Max: Fury Road«, »Logan Lucky«). Basierend auf einem 190-teiligen Twitterthread (!!!). Auch bekannt als: The Ultimate Internet-Age Tale Of Messy Bitches Being Extra (The Playlist).

In Venedig schon gesehen habe ich »Athena«. Brachiale Actionfront aus den französischen Banlieues. Ganz im Geiste von »La Haine« und Ladj Lys »Les Misérables« (nicht das Hugo-Musical), hoch-politisch, ein audiovisueller Molotow-Cocktail. Dicke Empfehlung. Mehr hier.

Dann kommen noch neu auf Netflix im Oktober der neue kreative Animations-Fantasy-Horror-Traum von Henry Selick (»The Nightmare Before Cristmas«) namens »Wendell & Wild«, an dem auch Jordan Peele (»Get Out«, »Us«, »Nope«) mitgeschrieben hat, kommt endlich zu uns, ebenso die mir noch etwas suspekte »Im Westen Nichts Neues« Auflage, bei der diesmal unter anderem Daniel Brühl, Albrecht Schuch (mehrfach nominiert für die Goldene Schnecke) und Devid Striesow in den Ersten Weltkrieg ziehen.

Auch in Venedig habe ich einen Amazon-Prime-Titel gesehen, nämlich das argentinische Gerichtsdrama »Argentina, 1985«. Wer von »The Trial of the Chicago 7« begeistert war, wird hier vollkommen weggeblasen. Mehr hier.

Auf Prime kommt auch noch was zum Lachen. Lena Dunham (»Girls«) hat das Kinderbuch »Catherine, Called Birdy« verfilmt. Dabei rausgekommen ist nun aber weniger ein Kinderfilm als eine schräge, eloquente über eine Teenagerprinzessin im Mittelalter, die nicht von ihrem Vater (der aus »Sherlock« und »Fleabag« bekannt Andrew Scott) an irgendeinen englischen Edelmann verheiratet werden will. Selten so entzückte Kritiken für ein Amazon-Original gelesen. Die kleine Hauptdarstellerin wird übrigens bald Ellie in der »The Last of Us«-Serie spielen.

Noch mehr Kind auf MUBI: Lucile Hadžihalilović hat einen Film namens »Earwig« gemacht über ein Mädchen, das Zähne aus Eis hat. Stylischer, atmosphärischer, gewohnt ultimativ enigmatischer Horrorstreifen von der französischen Exzentrikerin (übrigens die Frau von Gaspar Noé).

Wie gesagt, es steht viel an. Viel im Kino, einiges zuhause. Etwas aus allen Richtung für Menschen, die sich in alle Richtungen verstreuen. Bekanntlich geben die meisten das Kino in der Ferne völlig auf oder gehen in Mannheim dezidiert in den größten Trash und Blockbuster-Schmonz. Aber manche sind eben auch fleißig außerhalb des EU-Schengenraums und wappnen sich für den neuen Cronenberg (mehr dazu im nächsten Monat). Nehmt euch an Lina ein Beispiel und entdeckt neue Kinos, neue Menschen und neues Sofas. Vielleicht liegt irgendwo ein Snack auf dem Boden.

Ich möchte diese Preview aus Anlass mit Versen des deutschen Lyrikers Xatar beenden:

“Und plötzlich sind wir Cousis, Cousis, weil meine Moves machen aus Fuffis Hunnis. Sie wollen den Ruhm und die Groupies, Groupies, doch wo wart ihr, als ich Haps war auf Thunfisch, Thunfisch.”

Partissement und ein Happy Halloween

Ihr JFK-President

By JFK-President (Official)

Best Cinemamaster between Kopenhagen and Kleinwümmede

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