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Preview Mai

Ja Mai, der Mai ist da. Habe ich den Gag schon mal gemacht? Bestimmt. Werde ich ihn wieder machen? Auf jeden Fall. Jedenfalls sind es harte Zeiten. Einige sind an Corona erkrankt, wir sollten nicht mit Genesung rechnen. Während der vollmotivierte Hanseat alles guckt, was nicht bei Drei auf dem Baum ist, äußerten immer mehr Mitglieder, dass sie kein oder kaum noch Interesse am Kino haben. Wir hatten schon bessere Zeiten. Gleichzeitig haben wir immer mehr Merch, Spezialaktionen und Technik. Baumannconsulting zersetzt und vergoldet sich gleichzeitig. Mal sehen, ob wir das Sommerloch überleben oder noch exklusiver als die Astor-Begrüßungsdrinks daraus hervorgehen. Bevor sich der Schlund der Strandbesäufnisse und Sonnenscheintrips auftut, kommt noch der kleine Mai. Während in Cannes die neuesten und heißesten Kandidaten auf den Markt geschleudert werden, räumen wir die Restbestände aus den Regalen. Und hinten an der Wand im Schatten warten feine Delikatessen, manchen mit langer Haltbarkeit, manch frisch wie vom Fischmarkt.

Der Erste ist insofern alt, als das der JFK ihn bereits letztes Jahr bei der Deutschlandpremiere in Hamburg sichten konnte. Mit 8,33 Genusspunkten schaffte es »Memoria« auf Platz 8 der 2021er Jahresliste. Das neue Meisterwerk vom Thailänder Apichatpong Weerasethakul (»Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben«) reist zusammen mit Tilda Swinton nach Kolumbien und meditiert dort in der tropischen Hitze über Schlaflosigkeit, verstörte Erinnerungen und mysteriöse Geräusche. Atmosphärisch, hypnotisch, geheimnisvoll. Jetzt in ausgewählten deutschen Kinos, darunter auch Hamburg. Ausführliche Besprechung hier.

Danach bleiben wir im Jetsetlife und cruisen rüber in eines unserer Lieblingsränder, den Iran. Und wenn die Iraner zwei Dinge können, dann moralische Konflikte und Arbeit mit Kindern. Und kaum einer kann so gut mit Kindern wie Majid Majidi. In seinem jüngsten Film »Sun Children« geht es um eine kleine Bande von Kindern, die am Rande des täglichen Überlebenskampfes um schnelles Geld auf eine Schatzsuche gehen. Zauberhaft, feinfühlig, aber doch im harten Realismus der iranischen Schule. Classic JFK-Stuff, auch wenn in letzter Zeit niemand außer ab und zu Felix und LB Bock hatte. Scheiß Rassisten (Mond-Smiley mit Quadratbärtchen).

Apropos Nazis: Willkommen in Alemania. Das unbeliebteste Filmland des größten und prestigeträchtigsten deutschen Kinoklubs. Diesmal aber was Besonderes, abseits von NS und DDR. Mit »Blutsauger« bekommen wir einen Vampirfilm. Einen ziemlich schrägen Vampirfilm. Auf Letterboxd schreibt jemand “If Buñuel ran a podcast about Twilight and Rosa Luxemburg”, ein anderer wirft sogleich Roy Andersson, Wes Anderson, Godard und Jarmusch in den Raum. Klingt alles wunderbar exzentrisch, trocken komisch, völlig wild und dann auch noch mit Lilith Stangenberg, der werdenden Königin der deutschen Nieschen-Hardcored-Avantgarde. Voll Bock.

Für alle, die beim Stichwort ‘deutscher Film’ abgeschaltet haben, können jetzt wieder einschalten, auch wenn wir beim Blutig-Saftigen bleiben. Horror-Fan-Liebling Ti West ist mit einem neuen Streifen zurück, diesmal aus dem Hause A24 mit Mia Goth (»Emma«, »High Life«). In »X« geht es ganz oldschool, also quasi auch richtig cool zu Sache. Eine Truppe junger, motivierter Amis, eine Porno-Filmcrew strandet irgendwo im Nichts bei einer entlegenen Hütte und dann gehts in die fiese Fresse. Kein Horror für die ganz anspruchsvollen Connoisseure, aber auch alles andere als Netflix-Schmonz. Endlich mal wieder voller Genrespaß. Mit Äxten. Und Porno. Geil.

Der letzte Kinostart hat auch ein X im Namen: »Maixabel« ist ein spanischer Politthriller über die baskische Terrororganisation ETA, ihre Opfer und Vergebung. Großes Schauspiel, ein bisschen spanische Geschichte, überhäuft mit Goya-Nominierungen (der wichtigsten spanische Filmpreis). Kleine gute Sache, kann man gut mal ins Scala für einbiegen.

Noch eine Streamsache von MUBI: Vom portugiesischen Meister Miguel Gomes gibt es einen Film namens »The Tsugua Diaries« über drei Leute, die ein Gartenhaus für Schmetterlinge bauen (???). Keine Ahnung, was einen da erwartet, aber Gomes’ magischer Realismus schafft es aus den absurdesten Schlichtheiten die märchenhafte Traumwelten voller wunderbarer, kleiner Lyrik aufzumachen mit verdammt exzentrischen, wenn auch leisem Humor. Und es wird wohl auch irgendwann geskatet. Wurde immer wieder als eine der Top-Filme unter Verarbeitung der Pandemiesituation gepriesen.

Das ist es, nichts Großes, wobei der Weerasethakulfilm schon irgendwie groß ist, aber naja, ist halt nur bedingt neu. Dafür in meinen aber auch keine Hänger mit dabei. Eher was für die Arthousefreunde mit feinen Gaumen. Aber immerhin auch einma eine schöne Kelle Genregulasch mit ordentlich Stückchen. Guten Appetit!

Ihr JFK-Präsident

By JFK-President (Official)

Best Cinemamaster between Kopenhagen and Kleinwümmede

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