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JFK Adventskalender 2023

Türchen 11

Draußen ist es kalt, der Wagen ist vom Schnee eingebuttert, man hat heute schon wieder drei Packungen Spekulatius geballert und der Kamin mummelt den Raum auf Backofentemperaturen ein. Und da soll man jetzt raus? Och nee! Da wird doch eh nicht vernünftig gestreut, die Stadt hat kein Geld wie Winterdienst und am Ende brech ich mir noch was. Aua!

James Caan hat es in »Misery« gut, der darf im muckeligen Bettchen liegen. Und dann wird er auch noch von seiner größten Verehrerin bemuttert! Denn seine Figur Paul Sheldon ist Autor und das mit Erfolg. Und selbst als er mit seinem Auto auf einer zugeschneiten Straße in Colorado verunfallt, hat er Glück, denn Annie Wilkes gefunden und aufgenommen. Sie ist Nummer-1-Fan von eienr von Sheldons Romanfiguren. Für sie geht also quasi unverhofft ein Traum in Erfüllung. Denn vielleicht erfährt sie ja sogar was aus dem neuen Buch! Aber was, wenn das, was der ans Bett gefesselte Autor da bisher geschrieben hat, der sehr investierten Leserin nicht besonders gefällt?

Mit »Misery« hat Rob Reiner (»The Princess Bride«, »Stand by Me«, »Harry & Sally«, »This Is Spinal Tap«) einen weiteren Fanfavoriten geschaffen und vor allem eine der besten Stephen-King-Verfilmungen, die der Autor sogar selber mag. Selten war ein klaustrophobischer Psychothriller oder Borderline-Horrorstreifen so vergnüglich, was nicht zuletzt an der monumentalen Kathy Bates liegt. Nicht umsonst hat sie für die Rolle der beherzten Psychotyikerin den Oscar bekommen. Mit ins Bett legen kann man auf Amazon Prime.

Jasmin (links) bitte Joris (rechts) lieb und nett darum, einen JFK-Adventskalender zu schreiben.
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Türchen 10

Für das zehnte Türchen reisen wir in das Reich des ewigen Schnees: Skandinavien, genauer Schweden. Jan Troell ist einer der bedeutendsten Söhne seiner Filmnation, wenn auch im ewigen Schatten Ingmar Bergmans. Zu Unrecht! Denn mindestens mit »Hier hast du dein Leben« hat Troell ein Monument der Filmgeschichte geschaffen, vor allem aber auch einen großen Spiegel seiner Heimat. Denn dieser filmische Bildungsroman des jungen Olof ist eine Reise in den Kinderschuhe des 20. Jahrhundert, zwischen ländlicher Armut, Süßigkeitenverkaufen im Kino und erwachendem Sozialismus. Das brillante Schwarweiß schafft ein dauernd kühles Schweden, in dem aber überall das Leben glüht. In all seiner Unwägbarkeit, seiner Wildheit, seinen Charakteren, seiner Poesie. Gerade Letzteres macht die Schönheit des Filmes aus, diese naturalistische Lyrik der Bilder, die einem das schwedische Leben so gibt, wie es ist, unromantisiert, aber immer aufregend. Im grandiosen Ensemble sind unter anderem Max von Sydow und Gunnar Björnstrand zu sehen. Es ist sicher kein Weihnachtsfilm im klassischen Sinne, doch dieses volle Durchfühlen des Lebens, die frostige Natur, das zusammengerückte Leben der Familien auf dem Land, die Weite der Winterfelder und Winterwälde, das macht zumindest für einen vollmundigen Zauber aus, wie ich ihn für die Feiertage liebe. Wer ihn auch lieben will, kann dies zusammen mit vielen anderen schwedischen Perlen auf Netflix tun.

Schweden, Hochsommer.
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Türchen 9

Warum ein Film namens »Weizenherbst« im Winter? Vor allem einer, der als englischen Verleihtitel »Early Summer« hat? Dieser wunderbare kleine Film soll repräsentativ für das Werk Yasujirō Ozus sein, welches gerade eine feine Retrospektive in der ARTE-Mediathek hat. Mit welchem man einsteigt, das ist keine ganz einfache Frage, vermischen sie sich doch selbst bei Kennern leicht im Gedächtnis. »Früher Frühling«, »Später Frühling«, »Ein Herbstnachmittag«, »Spätherbst« oder eben »Weizenherbst«: Ozu oder zumindest seine Übersetzer lieben die Jahreszeiten. Und auch der Grundplot ist meist derselbe: Ein Vater macht sich Sorgen um die Verheiratung seiner Tochter. Immer sind es Familiendramen, immer dieselben Tatamimatten, die strengen Kadrierungen; lyrische Variationen wie in einer Impressionistenserie. Doch das Meisterliche Ozus ist gerade das schlichte Detail, das jede dieser Familienanatomien für sich einzigartig ist und stets eine neue Facette zu den Figuren des Ozu-Ensembles hinzufügt. Es entsteht ein zusammenhängender, kontinuierlich expandierender Kosmos, zusammengehalten von der Metaphysik der Teekanne, wie es gerne genannt wird. Ozu ist nicht nur Favorit der Cinéphilen, sondern gewohnheitsmäßig auch der Japan-Nerds, gilt er doch zumeist als der japanischste aller Regisseure. Und das, obwohl er selbst sich nur als Reproduzent des alten Hollywoods betrachtet.

»Weizenherbst« gehört nicht zu den größten Klassikern, das wären wohl »Die Reise nach Tokio«, »Ein Herbstnachmittag« oder »Später Frühling« (auch alle auf ARTE). Doch wählte ich zum Weihnachtsfest einen der in meinen Augen schönsten Porträts einer großen, mehrere Generationen umfassenden Familie. Meine Wertschätzung drückte ich einst in einer frühen Besprechung aus, als ich noch zu schreiben lernte. Der Film berührte mich aber so, dass ich trotz allem fehlenden Knowhow schreiben musste.

Apropos Adventskalendertürchen: Wie viele Vierecke sind in diesem Bild? Schätzungen (keine Zählungen!) in die Kommentare.
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Türchen 8

Ei, ei, ei. Bei all dem Festtagstrubel, den ganzen Verwandten und Geschenken ist im Advent schnell mal der Teufel los. Selbst in der verschlafendsten Provinz. Aus dem verkafftesten Bayern kommt Michaela in »Requiem« zum Studium nach Tübingen. Sie meint, abseits des elterlichen Nests aufzublühen, doch sobald sie ihre Medikamente absetzt, beginnt ihr Körper und Verstand zu zerreißen. Für die streng katholisch erzogene Studentin ist es klar: sie ist vom Teufel besessen. Die heimischen Geistlichen stimmen ihr da mehr als bereitwillig zu.

Basierend auf einem wahren Fall erzählt Hans-Christian Schmid hier einen Exorzismusfilm in frostklammen Braun, der statt Budenzauberhorror eines der instensivsten Psychodramen der 2000er entwickelt. Das ist vor allem auch Sandra Hüller (»Toni Erdmann«, »Anatomie eines Falls«, »In den Gängen«) zu verdanken, die hier einen frühen Karrierehöhepunkt erreicht. Wer nochmal vor dem Krippenspielgottesdienst mit anschließendem Schmauß zwischen dem abgedrifteten Onkel und der einen für das weite Wegziehen rügenden Großmutter den Würgegriff von Kirche und Familie mit voller Kraft spüren will, der ist mit diesem deutschen Meisterwerk optimal beraten. Das dunkle Quentchen Spiritualität gibt es auf MUBI zu sehen.

Eine Studentin merkt plötzlich, dass er Weihnachtsgottesdienst für ihr Theologie-Exportmodul gar nicht prüfungsimmanent ist. Wird sie trotzdem ECTS bekommen? Wie viele SWS sind das? Sorgen zeichnen sich in ihren abschweifenden Augen. Sie suchen das Modulhandbuch.
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Türchen 7

Weihnachtszeit ist Märchenzeit. »Wolfwalkers« ist ein doppeltes Märchen. Eine fantastische Reise zu irischen Wäldern und Burgen, wo die wilden Wölfe heulen. Aber auch ein prägender Meme-Herd der Chefetage. Von Apple-TV [*kreuzt die Arme*] PLUS zum Lord Protector. Leider holte niemand anderes das Traumevent nach, was vielleicht an der Plattform der Verfügbarkeit steht [*kreuzt erneut die Arme*]. Doch lohnt die Überwindung, denn der mit der Goldenen Schnecke ausgezeichnete Animationsfilm gehört zu einem der berauschendsten Augenweiden der letzten Jahre. Actionreich, fantasievoll, finsterbunt. Für alle, die die Märchenbuden in der Lüneburger Innenstadt schon durchgeguckt haben.

Schwarzkäppchen ist ein oft verschwiegenes Märchen der Grimmschen Tradition. Das Märchen wurde im Wormser Konvent verboten, da Schwarzkäppchen die unchristlich-illegale Waffe der Armbrust benutzt. Nicht besonders toggo von ihr.
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Türchen 6

Zum Nikolaustag gibt es heute mal einen Film mit echtem bärtigen Onkel in Rot. Wobei: Ihr müsst euch die Farbe vorstellen. Denn »Miracle on 34th Street – Das Wunder von Manhattan« ist von 1947 und noch im GUTEN ALTEN Hollywood-Schwarz-Weiß. Insgesamt glänzt und glitzert dieser kleine Klassiker vor lauter Patina des goldenen Gestern. Dabei ist der Punkt, dass die Welt gar nicht so märchenhaft ist: Kris Kringle (verwandt oder verschwägert mit Karel Kopfrkingl??? (LOL, tschechoslowakische Avanatgarde-Filmnerd-Referenz!!!!!)) muss bei einer Thanksgivingparade für den besoffenen Nikolausdarsteller einspringen. Seine Qualifikationen: dicker Bauch und Rauschebart. Er macht es aber so gut, dass er auch für die Weihnachtszeit engagiert wird. Warum auch nicht, immerhin gibt er an, der echte Weihnachtsmann zu sein! Herzliches-Hollywood-Feelgoodkino, wo einem das Herz warm wird wie der traute Großelternkamin mit einem Hauch von Zimt und Zucker in der Luft. Den großen US-Altklassiker gibt es natürlich wo? Auf dem familienfreundlichen Disney+.

Früher war mehr Lametta. Nur war es halt schwarz-weiß.
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Türchen 5

Man kennt die Situation: Der Truthahn ist gar, die Kerzen am Baum brennen und das Räuchermännchen (*) hat schon die ganze Diele aromatisiert. Aber wo sind die Rotzgören? Das fragt sich auch Hugh Jackman in »Prisoners«. Denn seine Tochter verschwindet eines Tages spurlos. Das setzt nicht nur der Familie sehr zu, die ganze Nachbarschaft steht wie unter Schock. Doch statt zu erstarren macht sich Jackmans bärtiger Keller Dover selbst auf die Suche nach dem Täter, da ihn Jake Gyllenhaals Ermittlungen zu lange dauern. Und bald werden er und sein Hammer fündig. In klammen Bildern inszeniert Denis Villeneuve (»Dune«, »Blade Runner 2049«, »Arrival«) einen Thriller, der jetzt schon als Klassiker aus den 2010ern hervorragt. In wenigen seiner Filme ist das Unterkühlte des Kanadiers Villeneuve so bis auf die Knochen spürbar. Beinhart in der Verzweiflung seiner Charaktere, fiebrig in seiner Suche nach der Wahrheit, blutgefrierend in seinen Wendungen. Die finstere Fabel stimmt nicht nur perfekt auf die Unterkühlungen des früh dunkelnden Monats ein, sie macht einen doch doppelt froh im Rahmen einer halbwegs vollständigen Familie zu sitzen und vielleicht irgendwo ein Balg rumgaloppieren zu sehen. In Nebenrollen unter anderen noch mit Paul Dano und Viola Davis. Kamera: One and only Roger Deakins. Star des Filmes nichtsdestotrotz: Jake Gyllenhaals Blinzeln. Im Loop verfolgbar auf Netflix.

Wer braucht eine weiße Weihnacht, mit Tollem im Schnee, wenn man sich zwischen trüben Matschpfützen und steinhartem Schwarz der zugefrorenen Erde das Knie aufschlagen kann? Willkommen im Dezember-Frösteln des 21. Jahrhunderts.
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Türchen 4

Die Weihnachtszeit ist nicht nur Nüsse (*), Duft und Einerlei, nein, wir beachten den Präfix dieser geweihten Zeit. Mit protestantischen Knochen und katholischem Herz erwarten wir sehnsuchtvoll nicht bloß den Flitterkram des Weltlichen, wir erwarten die Ankunft des Erlösers. Daher soll auch dieser Kalender ganz in Tradition seiner trüffelgefüllten Brüder den Geist in sich bergen, jedoch nicht den Feurigen des Weines. Wobei das Blut seinens Sohnes eben jenes rauschendes Rot ist. Zelebration beider Seiten sei also gesegnet. Amen.

Doch auch für die, die nur noch einmal die Woche in die Kirche gehen, horribile dictu weniger, und bei Rosenkränzen an den Floristen um die Ecke denken, dürfte der folgende Film etwas Beseelendes haben. Denn die Italienerin Alice Rohrwacher gehört zu einer der aufregendsten Stimmen des europäischen Gegenwartskinos. Mit sensiblem Blick für das einfache Volk hat sie einen magischen Realismus entwickelt, der zart wie kraftvoll ist. In ihrem Solo-Debüt »Corpo Celeste« erzählt sie durch die staunenden Augen der dreizehnjährigen Marta von den ersten Berührungen eines jungen Mädchens mit der Kirche. Nur weckt das kleine Brimborium mit Spielen und Singen unter einem blauen Neonröhrenkreuz eine tiefere Unruhe in Marta, die alsbald über den Rahmen hinausgeht, den sich die Gemeinde zurechtgelegt hat. Rohrwacher seziert fein und vorsichtig die harte Hand der Kirche wie sie gerade über den kleinen Gemeinden Italiens schwebt. Wie der Pater für einen nicht nur die Kinder beschäftigt, sondern auch gleich noch den Wahlzettel ausfüllt. All dies ist aber nur ein Teil der sanft, doch durchdringend brausenden Lyrik vor den Kinderaugen. Und man glaubt gar nicht, wie frostig die Atmosphäre selbst im mediterranen Süden werden kann. Entdecken kann man dies aber auf MUBI.

Immer mehr Kinder verfallen der Häresie. In einer Polonaise marschieren unsere Jüngsten blind in den Abgrund des Unglaubens. Oftmals sogar knapp am Kreuz vorbei, egal wie hell es leuchtet. Spenden sie jetzt an die Gemeinde Jesu Fatum Kristorum, um unschuldige Seelen von der Straße, von Fortnite und von Tiktok zu holen und ihnen mit dem Baumann-Aufsteigerprogramm eine bessere Zukunft in einem traditionsgeprägten Familienunternehmen zu ermöglich. Mit Gott, versteht sich. Amen.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 3

Während man nun als Riese in der Zeit einsinkt und mit Erinnerungen Masse gewinnt, im Alter verschwindend, langsam selber der weißbärtige Mann werdend, so bleibt Weihnachten doch das Fest der Kinder.

Ganz konkret um Kinder und Familie geht es in »Casting JonBenet«. Die True-Crime-Fans nicken bei diesem Namen bestimmt bereits wissend das weise Haupt und genau, es geht um den Mordfall an der Kinderschönheitskönigin JonBenét Ramsey, der Weihnachten 1996 Amerika erschütterte. Der Fall ist deshalb so eklatant, weil der Tod der Sechsjährigen noch immer von Nebel (*) eingehüllt ist. Die große Nachwuchsregisseurin Kitty Green, von der wir hoffentlich bald »The Royal Hotel« auch in Deutschland sehen dürfen, dreht nun aber nicht das übliche Netflix-Porträt des Falls. Vielmehr greift sie das Enigma selber auf und filmt das Casting für ein Re-Enactment des Falls. Die Colorado-stämmigen Schauspieler, die in die Rollen von Eltern und Ermittlern schlüpfen wollen, teilen ganz nonchalant ihre Ansichten über die Beteiligten und ihre Vermutungen über den eigentlichen Tathergang. Die Anatomie des Falls wird so eher zur Anatomie der Gemeinde drumherum, die eine unheimliche Obsession mit dem Kindsmord entwickelt, voller Gerüchte, Vorurteile und Komplexe. Einer der wahrscheinlich originellsten Filme, die man auf der Plattform streamen kann, denn ja: Zwischen allem Ramsch wartet »Casting JonBenet« seit Jahr und Tag auf Netflix.

Die Kinder wollten dieses Jahr etwas anderes als das Krippenspiel machen. Selber schuld.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 2

Auch wenn es dank Pappenheimern, die nicht wie Baumannconsulting klimaneutral im Firmen-Tesla oder Metronom durch die Gegend düsen, immer weniger mit dem Schnee wird, so existiert doch in unseren Köpfen das Idealbild einer weißen Weihnacht. Daher gehören auch Filme mit den kalten Flocken in den Adventskalender.

US-Indie-Legende Monte Hellman lädt uns in diesem Zuge in einen Urlaube mit der Gang im Schnee ein. In einer Skihütte in South Dakota plant eine Räuberbande unterm tosenden Blizzard nämlich einen großen Goldbarren-Coup. Nur haben sie nicht mit dem gerechnet, was in den Bergen, genauer in deren Höhlen auf sie wartet. Den putzigen kleinen Horror-Streifen »Beast from Haunted Cave« findet ihr auf Amazon Prime (*) zum Streamen. Damals immer im B-Film-Creature-Feature zusammen mit »The Wasp Woman«.

Wenn das mal nicht ein zur Umarmung einladender Tannenbaum mit großer roter Christbuamkugel ist! Frauen und Kinder kriegen vor weihnachtlicher Euphorie den Mund gar nicht mehr zu.