Werte Aktionäre,
Das Abendlicht verjagt die Schatten. Die Zeit steht still und es wird Herbst
Ja, ihr habt richtig gehört, der größte deutsche Dichter hat es verkündet: der Sommer ist vorbei (ja vorbei, ja vorbei). Zumindest vom Wetter her. Aber auch das Kino kommt in Herbststimmung, was für uns bedeutet, dass der Schabernack zu Ende ist und endlich die heißen Kandidaten für die Spitzen der Jahreslisten kommen. Durch die gegenwärtige Pandemie ist das Programm noch immer etwas komprimiert, aber die Filme, die ich euch diesmal anbieten darf, sind dafür ganz vorzüglich:
Den Anfang macht ein Film, der eigentlich noch im August gestartet ist, den ich aber erst spät auf den Schirm bekommen habe. Es handelt sich um »Yalda«, einen Film aus dem Iran. Ein sehr originelles Gesellschaftsdrama mit Mediensatiren/-thriller Einschlag. Bräuchte wen, der irgendwann Anfang nächster Woche nachmittags mit ins Abaton will. Die Reise lohnt glaube ich wirklich.
Für die, die zuhause bleiben wollen, gibt es aber auch was. Auf Netflix kommt nämlich »I’m thinking of ending things« von Regisseur und Drehbuchautor Charlie Kaufman (»Synecdoche, New York«, »Eternal Sunshine of a Spotless Mind«, »Being John Malkovich«), für den ich schon mal hier geworben habe. Neben all den tollen Leuten die vor und hinter der Kamera dabei sind, glaube ich in der Tat, dass dieser labyrinthisch-existenzielle Psycho-Mysterythriller eines der Highlights dieses Jahr sein könnte. Leider nicht im Kino, aber dadurch auch günstiger für unsere bankrotteren Mitglieder.
Ebenfalls von zuhause biete ich euch »Vitalina Varela« in Form meines letzten Screeners an. Das ist wirklich nur was für die Harten. Pedro Costas vielfach ausgezeichnetes und gepriesenes portugiesisches Drama ist exemplarisch für den Regisseur. Das heißt: spröde, minimalistisch, ruhig und dunkel. Nicht jedermanns Tee, aber eben genau meins. Einer der Topkandidaten für den Film des Jahres. Aber seit gewarnt: Das ist Arthouse-Kino mit Betonung auf Art. Nicht auf Entertainment.
Ebenfalls heißer Anwärter auf den Titel dieses Jahr, aber deutlich vergnüglicher dürfte »Über die Unendlichkeit« werden. Für Roy Anderssons neuen Film habe ich schon mal im März Werbung gemacht, aber dann hat wer in China eine Fledermaus geknabbert. Jedenfalls kommt die skurrile Komödie jetzt. Lakonischer Humor, malerischer Bilder, beiläufige Tiefenphilosophie. Mit Anderssons erlebt man wirklich einen letzten der modernen Meister. Und dann macht er auch noch so verdammt viel Spaß.
Nach Portugal und Schweden gehen wir jetzt nach Polen. Dort kommt nämlich der oscarnominierte »Corpus Christi« her. Ein Priester kommt in eine polnische Gemeinde, wo er nicht nur auf Spannungen und dunkle Geheimnisse stößt. Er, ein ehemaliger Jugendstraftäter, will seine spirituelle Erleuchtung mit der nicht so ganz bereitwilligen Gemeinde teilen.
Ebenfalls schwierige Gemeinden findet man im französischen »Drei Tage und ein Leben«. Nach einem Roman des gefeierten Autors Pierre Lemaitre wird hier die Geschichte eines verschwindenden Jungen erzählt. Doch bald steht nicht mehr das Verschwinden im Fokus, sondern vielmehr die Abgründe im Dorf, die sich während der Suche auftun. Feiner, sauberer Thriller mit Waldeinsamkeit.
Wem das bis hierher zu viel abseitige Kulturscheiße war, der wird vielleicht mit »David Copperfield«. Charles Dickens Klassiker (nicht der Zauberer) wird hier neu aufgelegt und kam sehr gut auf den Festivals an. Klassisches, glanzvolles Hollywoodkino mit großen Stars wie Dev Patel, Ben Whishaw, Tilda Swinton uvm.
Vom großem Hollywood ins kleine deutsche Independentkino. Da gibt es nämlich »Pelikanblut«. Nina Hoss, eine unserer größten Charakterdarstellerinnen, wird hier mit einem schwer traumatisierten Kind konfrontiert, dessen Heilung schnell schmutziger, düsterer und blutiger wird, als erwartet. Kleines, aber intensives Drama.
Trailer: