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JFK Adventskalender 2023

Türchen 4

Die Weihnachtszeit ist nicht nur Nüsse (*), Duft und Einerlei, nein, wir beachten den Präfix dieser geweihten Zeit. Mit protestantischen Knochen und katholischem Herz erwarten wir sehnsuchtvoll nicht bloß den Flitterkram des Weltlichen, wir erwarten die Ankunft des Erlösers. Daher soll auch dieser Kalender ganz in Tradition seiner trüffelgefüllten Brüder den Geist in sich bergen, jedoch nicht den Feurigen des Weines. Wobei das Blut seinens Sohnes eben jenes rauschendes Rot ist. Zelebration beider Seiten sei also gesegnet. Amen.

Doch auch für die, die nur noch einmal die Woche in die Kirche gehen, horribile dictu weniger, und bei Rosenkränzen an den Floristen um die Ecke denken, dürfte der folgende Film etwas Beseelendes haben. Denn die Italienerin Alice Rohrwacher gehört zu einer der aufregendsten Stimmen des europäischen Gegenwartskinos. Mit sensiblem Blick für das einfache Volk hat sie einen magischen Realismus entwickelt, der zart wie kraftvoll ist. In ihrem Solo-Debüt »Corpo Celeste« erzählt sie durch die staunenden Augen der dreizehnjährigen Marta von den ersten Berührungen eines jungen Mädchens mit der Kirche. Nur weckt das kleine Brimborium mit Spielen und Singen unter einem blauen Neonröhrenkreuz eine tiefere Unruhe in Marta, die alsbald über den Rahmen hinausgeht, den sich die Gemeinde zurechtgelegt hat. Rohrwacher seziert fein und vorsichtig die harte Hand der Kirche wie sie gerade über den kleinen Gemeinden Italiens schwebt. Wie der Pater für einen nicht nur die Kinder beschäftigt, sondern auch gleich noch den Wahlzettel ausfüllt. All dies ist aber nur ein Teil der sanft, doch durchdringend brausenden Lyrik vor den Kinderaugen. Und man glaubt gar nicht, wie frostig die Atmosphäre selbst im mediterranen Süden werden kann. Entdecken kann man dies aber auf MUBI.

Immer mehr Kinder verfallen der Häresie. In einer Polonaise marschieren unsere Jüngsten blind in den Abgrund des Unglaubens. Oftmals sogar knapp am Kreuz vorbei, egal wie hell es leuchtet. Spenden sie jetzt an die Gemeinde Jesu Fatum Kristorum, um unschuldige Seelen von der Straße, von Fortnite und von Tiktok zu holen und ihnen mit dem Baumann-Aufsteigerprogramm eine bessere Zukunft in einem traditionsgeprägten Familienunternehmen zu ermöglich. Mit Gott, versteht sich. Amen.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 3

Während man nun als Riese in der Zeit einsinkt und mit Erinnerungen Masse gewinnt, im Alter verschwindend, langsam selber der weißbärtige Mann werdend, so bleibt Weihnachten doch das Fest der Kinder.

Ganz konkret um Kinder und Familie geht es in »Casting JonBenet«. Die True-Crime-Fans nicken bei diesem Namen bestimmt bereits wissend das weise Haupt und genau, es geht um den Mordfall an der Kinderschönheitskönigin JonBenét Ramsey, der Weihnachten 1996 Amerika erschütterte. Der Fall ist deshalb so eklatant, weil der Tod der Sechsjährigen noch immer von Nebel (*) eingehüllt ist. Die große Nachwuchsregisseurin Kitty Green, von der wir hoffentlich bald »The Royal Hotel« auch in Deutschland sehen dürfen, dreht nun aber nicht das übliche Netflix-Porträt des Falls. Vielmehr greift sie das Enigma selber auf und filmt das Casting für ein Re-Enactment des Falls. Die Colorado-stämmigen Schauspieler, die in die Rollen von Eltern und Ermittlern schlüpfen wollen, teilen ganz nonchalant ihre Ansichten über die Beteiligten und ihre Vermutungen über den eigentlichen Tathergang. Die Anatomie des Falls wird so eher zur Anatomie der Gemeinde drumherum, die eine unheimliche Obsession mit dem Kindsmord entwickelt, voller Gerüchte, Vorurteile und Komplexe. Einer der wahrscheinlich originellsten Filme, die man auf der Plattform streamen kann, denn ja: Zwischen allem Ramsch wartet »Casting JonBenet« seit Jahr und Tag auf Netflix.

Die Kinder wollten dieses Jahr etwas anderes als das Krippenspiel machen. Selber schuld.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 2

Auch wenn es dank Pappenheimern, die nicht wie Baumannconsulting klimaneutral im Firmen-Tesla oder Metronom durch die Gegend düsen, immer weniger mit dem Schnee wird, so existiert doch in unseren Köpfen das Idealbild einer weißen Weihnacht. Daher gehören auch Filme mit den kalten Flocken in den Adventskalender.

US-Indie-Legende Monte Hellman lädt uns in diesem Zuge in einen Urlaube mit der Gang im Schnee ein. In einer Skihütte in South Dakota plant eine Räuberbande unterm tosenden Blizzard nämlich einen großen Goldbarren-Coup. Nur haben sie nicht mit dem gerechnet, was in den Bergen, genauer in deren Höhlen auf sie wartet. Den putzigen kleinen Horror-Streifen »Beast from Haunted Cave« findet ihr auf Amazon Prime (*) zum Streamen. Damals immer im B-Film-Creature-Feature zusammen mit »The Wasp Woman«.

Wenn das mal nicht ein zur Umarmung einladender Tannenbaum mit großer roter Christbuamkugel ist! Frauen und Kinder kriegen vor weihnachtlicher Euphorie den Mund gar nicht mehr zu.
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JFK Adventskalender 2023

Türchen 1

In einem schneeverschütteten Regionalzug mögt ihr nun sitzen, teure Leserschaft, und beim Öffnen eurer Lieblingsseite der digitalen Weltenzyklopädie einen Duft von altem Glühwein und Duftbäumen mit Fichtenaroma in die Nüstern ziehen. Richtig, Baumannconsulting hat keine Kosten und Mühen gescheut und einen richtig echten Filmadventskalender auf die Beine gestellt. Doch wie geht man so einen nun an? Random Filme, die man halt immer mal empfehlen wollte? Weihnachtsklassiker, die aber nirgendwo greifbar sind? Sichere Winterwunderhits, die der JFK aber schon mal angeknabbert hat? Nein, ich habe mich für 24 Filme entschieden, die im deutschen Streamingraum zu greifen sind und packe in jedes Türchen einen Rechtfertigungszettel, warum nun gerade dieser Film weihnachtlich sein soll. Und vielleicht macht ihr mir die Freude und guckt tatsächlich den einen oder anderen als süße Verzuckerung der Adventszeit. Deal? Deal. Also: Pöckelt nochmal die Spekulatiusreste vom letzten Jahr aus den Zahnzwischenräumen (*) und schmatzt genüsslich lutschend das erste Türchen in euch rein:

Den Anfang macht ein Film, der schon ewig unbemerkt auf dem deutschen Netflix rumdümpelt. Die Rede ist von »El ciudadano ilustre – Der Nobelpreisträger«. Ein Film über das, was uns bald alle wieder erwarten wird: Die große Rückkehr in die alte Heimat. Na gut, manche mehr, manche weniger. Bei Daniel Mantovani ist sie etwas größer, da er nach seinem Nobelpreisgewinn das erste Mal seit Jahren wieder aus dem europäischen Exil wieder in sein argentinisches Heimatdorf zurückkehrt. Dort empfängt man den Schriftsteller auch herzlich. Nur halt mit einer Herzlichkeit, die er so gar nicht ausstehen kann. Und auch seine großspurige Art kommt bei den Dörflern nur bedingt sympathisch an. Die finstere Komödie von dem Regieduo, das später »Der beste Film aller Zeiten« schuf, fängt genau das ein, was die Feiertage für so viele ausmachen: Gezwungenes Lächeln, peinliche Tischgespräche, unliebsame alte Bekannte, der Muff der Jugendtage und viel zu viel Essen. Als Bonus gibt es die beste PowerPoint-Szene aller Zeiten. Wenn ihr euch auch schon mal auf diese ganz spezielle Stimmung im Jahr einstellen wollt, streamt »El ciudadano ilustre« also gerne auf Netflix.

Nirgendwo speist man so lecker und üppig wie bei seinen Liebsten in der Heimat. Das Lächeln isst mit.